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Amos 9

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Lesefassung (Amos 9)

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Anmerkungen

Studienfassung (Amos 9)

1 Ich sah den Herrn auf dem (am) Altara stehen,
Und er sprach: „Schlage (Ich werde schlagen?; {Er sprach} und er schlug?)b auf den Gnadenthron (?, das Kapitell?, den [heiligen] Apfelbaum?)c dass die Schwellend (Becken?, Schalen?c) erschüttert werden
Schneide sie ab (ich werde abschneiden?, so dass endet?)e mit Gift – sie alle (auf den Kopf aller; am Kopf=oberen Ende – sie alle; im Beben sie alle)!f
{Und} Den Rest werde ich mit dem Schwert töten:
Kein Flüchtling von ihnen wird flüchten können (wird flüchten)
Und kein Fliehender von ihnen wird fliehen können (wird fliehen)
2 Wenn sie sich zum Scheolg durchgrüben (durchgraben werden),
Würde (wird) meine Hand sie von dort holen;
Wenn sie zum Himmel aufstiegen (aufsteigen werden),
Würde (werde) ich sie von dort hinunterbringen;h
3 Wenn sie sich auf dem Gipfel des Karmel verbärgen (verbergen werden),
Würde (werde) ich sie von dort aufstöbern und sie [herab]holen;
Wenn sie sich versteckten (verstecken werden) vor meinen Augen auf dem Grund des Meeres,
Würde (werde) ich von dort die Schlange entsenden und sie würde (wird) sie beißen,
4 Wenn sie in die Gefangenschaft zögen (ziehen werden) vor den Augen ihrer Feinde,
Würde (Werde) ich von dort das Schwert entsenden und es würde (wird) sie töten.
Ich werde mein Auge auf sie richten –
Zum Bösen, nicht zum Guten.“i

5 {Und} Der Herr, JHWH der Heerscharen (Zebaot),
(stoßend die Erde, anrührend die Erde=) [ist] der Erden-Stoßer, so dass sie schmilzt (schwankt)j
Und alle, die auf ihr wohnen, trauern (vertrocknen) werden (und jeder, der auf ihr wohnt, trauern wird),k
Und dass alles steigt wie der Fluss
Und [dann wieder] zurückgeht wie der Fluss Ägyptens;
 6 (bauend im Himmel seine Treppe (Treppen, sein Obergemach)l=) Ist der im-Himmel-seine-Treppe-Bauer
Und (gründend sein Band auf/über der Erde) der auf-Erden-sein-Band (Firmament?)m-Gründer,
(Rufend die Wasser des Meeres=) Ist der Meerwasser-Rufer
(Und es ausgießend auf das Angesicht der Erde=) Und der es-Ausgießer-auf-die-Erdoberfläche –
JHWH ist sein Name!


  7[Seid] ihr nicht wie die {Kinder der} Kuschitenn für mich (gehört ihr nicht wie die Kuschiten zu miro),
„Ihr (Kinder Israels=) Israeliten!?“ – Spruch JHWHs.
Habe nicht ich Israel herausgeführt aus dem Land Ägypten –
Und die Philister aus Kaptor und die Aramäer aus Kir!?p

8 Siehe, die Augen des Herrn JHWH
Sind auf das sündige Königreich [gerichtet]:
{Und} Ich werde es ausrotten vom Angesicht der Erde!
Allerdings werde ich (nicht=) keinesfalls {ausrottend} ausrotten (nicht völlig ausrotten?)q das Haus Jakobs“ – Spruch JHWHs.
9 „Denn siehe, ich werde (will) gebietenr
Und werde (will) schütteln unter alle Völker das Haus Israel,s
Wie man schüttelt mit einem Siebs
Wobei nicht ein Steinchen auf die Erde fällt.s
10 Mit dem Schwert werden getötet werden
Alle Sünder meines Volkes,s
Die sagen: ‚Du lässt nicht nahen (es kommt nicht) und du lässt nicht herankommen (es kommt nicht heran) um unst das Böse (Unheil)!‘“


11 An jenem Tagu werde (will) ich aufrichten die verfallene (verfallende) Hütte Davids:v
{Und} Ich (ver)mauere derenw Risse
Und seinew Trümmer richte ich auf
Und ich baue [wieder]x siew [wieder] wie in den Tagen der Vorzeit.
12 [ [Damit sie in Besitz nehmeny den Rest von Edom und alle (aller)z (Fremd)völker, ] ]
[ [Über welcheaa ausgerufen (genannt) ist mein Name“ –ab ] ]
[ [Spruch JHWHs, der dies tut. ] ]ac

13 „Siehe, Tage kommen“ad – Spruch JHWHs –
„Da wird sich nähern der Pflüger dem Schnitterae
Und der Weintraubentreteraf an den Samen-Pflanzer (-Strecker?, -Zieher?)ag
Und es werden triefen vor (sie werden triefen lassen mit)ah Most die Berge
Und alle Hügel werden zerfließen (schmelzen).ai
14 {Und} Ich werde wenden das Geschick (die Gefangenschaft) meines Volkes Israel:
Sie werden [wiederer]bauenx die verwüsteten Städte und sie [auch] bewohnen
Und sie werden pflanzen Weinberge und [auch] trinken den Wein von ihnen (von diesen?)aj
Und sie werden (machen=) anlegen Gärten und [auch] essen die Früchte von ihnen,
15 Und ich werde sie einpflanzen auf das Land (den Erdboden, die Erde) von ihnen,
Und sie sollen (nicht=) nie mehr entwurzelt werden vom Land (Erdboden, von der Erde Erde) von ihnen,
Das ich gegeben habe ihnen“ – spricht (sagt) JHWH, dein Gott.

Anmerkungen

Das letzte Kapitel des Amosbuches wird in Vv. 1-4 eröffnet durch die fünfte Vision im Visionszyklus Am 7-9. Recht eigentlich ist nur V. 1a wirklich eine Vision, in Vv. 1b-4 folgt eine Audition. Diese fünfte Vision ist damit viel kürzer als die anderen vier und unterscheidet sich auch formal deutlich von ihnen (s. die Anmerkungen zu Amos 7). Gerade damit passt sie aber sogar ganz gut in diese Reihe: Von Am 7,1-3.4-6 über Am 7,7-9; 8,1-3 bis zu unserer letzten Vision wurden die Redeanteile des Amos immer kürzer, die Redeanteile Gottes dagegen immer länger: In den ersten beiden Visionen spricht Gott nichts außer seiner Erklärung, das geschaute Unheil doch nicht über Israel bringen zu wollen, nachdem Amos für Israel eingetreten ist. In der dritten und vierten Vision kann Amos nur noch das benennen, was Gott ihn schauen lässt, und Gott lässt jeweils einen längere Ankündigung des Unheils folgen. Und hier nun – sieht und hört Amos den finalen Urteilsspruch in dem Moment, da er endgültig ausgesprochen wird, und kommt selbst gar nicht mehr zu Wort.
Der Spruch richtet sich erstens gegen ein Heiligtum und zweitens (1d-4) gegen „sie“ – nach dem Zusammenhang klar die Israeliten –, und spätestens dieser zweite Teil der Audition ist es, der völlig klar macht: Dies nun ist der Höhepunkt des ganzen Zyklus; für die Israeliten gibt es nun endgültig keine Hoffnung mehr: Sie sind des Todes.

Was genau da in 1a-c geschaut wird, ist dies: Gott erscheint in einem Heiligtum auf einem Schlachtopfer-Altar stehend und gibt den Befehl, einen Teil dieses Heiligtums zu „schlagen“. Ob Gott in 1a im Tempel von Jerusalem oder im Heiligtum von Bethel erscheint, ob der Heiligtums-Teil in 1b, auf den da geschlagen werden soll, der „Gnadenthron“ in Jerusalem, ein heiliger Baum oder eine Säule ist und ob die sippim in 1c die Türschwellen des Heiligtums oder die kultischen Wasserbecken sind – alles drei sehr umstrittene Fragen in der Amosforschung –, ist eigentlich egal. Mit allem verband man im Alten Israel die selben oder ähnliche Vorstellungen (s. zum „Band“ in V. 6): Bethel oder Jerusalem waren der Mittelpunkt des Kosmos, um den herum alle Völker lebten und auf den sie bezogen waren, und an dem Himmel, Erde und Unterwelt einander überlagerten und zusammenfielen. Besonders konzentriert am kaptor oder kaporet in 1b: Entweder ist dies der „Gnadenthron“ in Jerusalem, auf dem JHWH gleichzeitig im Himmel und auf der Erde thronte, oder ein heiliger Baum, der wie in Ez 31,2-9 und Dan 4,7f. der „Weltenbaum“ war, der von der Erde in den Himmel ragte und beide miteinander verband, oder eine baumartig gestaltete Säule wie die beiden vor dem Tempel in Jerusalem (s. 1 Kön 7,15-23; Jer 52,20-23), die ebenso diesen Weltenbaum repräsentierte. Ob die sippim schließlich die Türschwellen sind oder kultische Wasserbecken, macht doch einen kleinen Unterschied: Die Türschwellen wären die Orte, die diesen heiligen Mittelpunkt des Kosmos mit dem profanen Bereich der Welt verbinden. Die kultischen Becken dagegen hatten, wenn man sich an mesopotamischen Vorstellungen orientieren kann, erstens die symbolische Funktion, dass sie den Menschen reinigten (wie er vom kapporet aus Sühnung erfuhr), und zweitens repräsentierten sie die „Ströme des Lebens“, die vom Heiligtum aus die Welt belebten (wie in Joel 4,18; Sach 14,8; Offb 22,1f. und wie auch die Flüsse, die in Gen 2,10 von Eden ausgehen und die ganze Welt beleben).
So und so, klar ist: Mit dem Schlag auf den kaptor oder den kaporet soll die Verbindung von Himmel und Erde erschüttert werden. Sind die sippim die Schwellen, hat das „Erschüttern“ derselben die gleiche Symbolik, sind sie die Wasserbecken, bedeutet ihre Erschütterung das Ende des himmlischen Segens von Reinheit und Leben für die Erde; in jedem Fall symbolisieren 1a-c: Gott hält von nun an seine Segnungen, die von seinem Heiligtum aus der Erde zufließen, von dieser Erde zurück.

Der selbe Vorstellungskreis liegt auch dem Hymnus in Vv. 5f. zugrunde: Die „Treppe im Himmel“ und das „Band über der Erde“ sind zwei Ausdrücke, mit denen im mesopotamischen Raum ebenfalls dieser Mittelpunkt des Kosmos bezeichnet werden. Gerade Gott, der dieses komische „Band“ erst geschaffen hat, wird es nun erschüttern und die Welt nicht mehr mit Lebenswasser-Strömen bewässern, sondern die Welt mit geschmolzener Erde überfluten und vernichten. Unterstrichen wird dies durch eine kleine Ring-Komposition: Dass Gott der „Treppen-Bauer“ und „Band-Gründer“ ist, wird auf beiden Seiten umrahmt von Überflutungs-Aussagen: In V. 5 wird er die Welt mit geschmolzener Erde überfluten, in 6cd mit den Wassern des Meeres.

V. 7: Denn die Israeliten dürfen sich keineswegs einbilden, sie, die Gott aus Ägypten zum Mittelpunkt der Welt geführt hat, seien automatisch begnadet und begnadigt: Sie sind für Gott nicht zentraler als die Kuschiten am Rand der Welt, was man doch schon daran sehen kann, dass Gott auch diese und ebenso die Philister und die Aramäer ebenso ins gelobte Land geführt hat, das sich die Israeliten aktuell mit diesen ebenso teilen müssen wie mit den Edomitern (s. zu Am 1,11). Ist daher das Königreich „sündig“ (V. 8), wird es natürlich ausgerottet werden: Wie in V. 4 angekündigt werden die Sünder des „Hauses Israel“ zunächst „unter alle Völker“ exiliert werden (V. 9), nur, um dann auch noch endgültig mit dem Schwert getötet zu werden (V. 10). Wie können sie als Sünder nur auf die Idee kommen, sie seien gegen Gottes Zorn immun (V. 10c)?

Diese letzte Steigerung des Urteilsspruchs Gottes betrifft allerdings nur die „Sünder seines Volkes“. Das „Haus Jakobs“ an sich, das Gott sich ja wirklich zum erwählten Volk erkoren hat, wird keinesfalls ausgerottet werden (8d). Für die Guten unter ihnen bedeutet dieser Urteilsspruch Gottes stattdessen sogar Heil: Seine Vernichtung der „Erntehütte Davids“ ist nur Phase 1 von Gottes Heilsplan, diese Hütte um so schöner und stabiler wieder zum gemauerten Haus auszubauen (V. 11). Denn das Israel der Zukunft wird wirklich eine glorreiche Erntehütte sein: „Glorreich“ deshalb, weil ihnen nicht mehr „Dornen und Disteln“ (Gen 3,18) wachsen werden, wenn sie ihre Felder bestellen, sondern ihre Arbeit in solchem Maße gesegnet sein wird, dass Bauern und Winzer gar nicht mehr mit ihrer Arbeit nachkommen (13a-c), und dass gar statt Strömen von Lebenswasser gleich Traubensaft die Berge hinabfluten wird (13de). Und eine Erntehütte deshalb, weil offenbar mit der sündigen Bourgeoisie das verderbte Staats- und Steuerwesen mit Stumpf und Stil ausgerottet sein wird: Die Bürger werden ihre Häuser nicht mehr verpfänden müssen, sondern selbst darin wohnen können, die Winzer ihre Weinberge pflanzen und selbst den Wein genießen können, die Bauern ihre Plantagen anlegen und selbst die Früchte genießen können, die ihnen die Erde schenkt, die auf ewig die ihre ist (Vv. 14-15): Gott wird das Geschick von „seinem Volk Israel“ insgesamt gänzlich vom Kopf auf die Füße stellen, und nachdem sie in Am 5,26 den „Gründungspfosten ihres Königs“ herausziehen mussten, werden sie nun selbst unentwurzelbar in ihr Land gepflanzt werden. Ebenso ausgerottet sein wird anscheinend auch das Kultwesen, das in Am 4,4f. und Am 5,21-25 ebenso abgelehnt wurde und dessen Ende nach Am 3,13-15 mit dem Ende der Oberschicht zusammenfallen sollte, denn auch von diesem ist in dieser abschließenden Heilsvision gar keine Rede mehr.

Ein späterer Ergänzer hat in V. 12 diese Verheißung dann sogar noch um noch einen zusätzlichen Aspekt erweitert: Mit diesem Segen wird nicht nur „Gottes Volk Israel“ gesegnet werden, sondern „alle Völker, über die Gottes Name gerufen ist“. Durch die Vermittlung Israels werden sie alle – eine außerordentliche Aussage im Alten Testament! – ebenfalls zu „Gottes Völkern“, die ebenso mit diesem Heil geheil-igt werden sollen wie Israel.


aZum Altar vgl. am besten Sweeney: Der Altar im Alten Israel ist kein „sauberer“ Tisch wie im westlichen Kirchen. Hat er das Format des Altars im Jerusalemer Tempel, ist er begehbar; v.a. aber ist er ein Schlachtopfer-Altar und daher in der Regel blutbespritzt und von Eingeweide besudelt. JHWH auf einem israelitischen Altar stehen zu sehen, ist ein drohendes Bild, kein heiliges. B-R übersetzt daher sinnvoll mit „Schlachtstatt“. Übrigens stand in Jerusalem der Altar nicht im Tempel, sondern im Vorhof, und auf tempellosen Kulthöhen stand er natürlich ebenso im Freien. Schon dies ist ein sehr großer Unterschied zwischen diesen Vv. und der Stelle Jes 6,1-4, die gern mit unseren Vv. verglichen wird.
Welcher Tempel gemeint ist, wird nicht präzisiert. Die meisten Neueren denken an Bethel. Dennoch denke ich (S.W.), man sollte hier besser an den Jerusalemer Tempel denken (so auch LXX, Tg; Rosenmüller, Keil, Weiser; Vuilleumier-Bessard 1960, S. 72; Harrelson 1964, S. 353f.): Dass JHWH aus einem Tempel seine Stimme erschallen lässt und u.a. gegen den Karmel droht, ist zu nah an Am 1,2, als dass man das für Zufall halten dürfte. (Zurück zu v.1)
bSchlage (ich werde schlagen?; {Er sprach} und er schlug?) - Weil nicht klar wird, wer da schlagen soll, wird der Text oft korrigiert von hak („schlage!“) zu `ak, `hakkeh oder hakkeh `akkeh („ich werde schlagen“) (z.B. Rudolph, Jeremias, Soggin; noch BHK, BHS, Reimer 1992, S. 204) oder noch häufiger zu wajjak („und er schlug“, z.B. Maag, Wolff, Hammershaimb, Fohrer 1974, S. 49). Dafür gibt es in der Textgeschichte keinen Anhalt. Belässt man den Text, wird überlegt, wer da schlagen soll: Der Prophet (die meisten) oder ein Engel wie die, von denen in Jes 6,1-4 die Rede ist (so z.B. noch Cripps, Anderson / Freedman, Gese 1981, S. 83; auch GN)? Auch dies wird hier nicht gesagt; dies zumindest ist aber auch nicht sehr wichtig: Entscheidend ist, was die Handlungen bedeuten; nicht, wer sie ausführt. S. die Anmerkungen. (Zurück zu v.1)
cGnadenthron (?, Kapitell?, [heiliger] Apfelbaum?) - Schwierige und komplexe, aber wichtige Stelle. Versuchsweise halten wir hier nicht kaptor („Apfel?“) des masoretischen Texts für ursprünglich, sondern nur mit Struensee („Schlag den Versöhnungsort“) „Gnadenthron“ nach LXX und Aq (s. unter „Textkritik“). Gemeint ist damit der Deckel der Bundeslade im Jerusalemer Tempel, von dem die alten Israeliten sich erstens vorstellten, dass auf diesem Gott in seinem Heiligtum thronte und dass dies daher der Ort sei, von dem her Gott ihnen Vergebung gewährte (daher „Gnaden-Thron“), und zweitens, dass dies der „Nabel der Welt“ sei, von dem aus Gott die Erde gegründet hatte und an dem mit einer Art Raumkrümmung Himmel, Erde und Unterwelt sich überlagerten. Zur zweiten Vorstellung s. näher zu V. 6.
Andere Deutungen: Fast alle neueren Kommentatoren denken stattdessen, dass hier von einem Tempel in Bethel die Rede sei (paradigmatisch z.B. Öttli 1901, S. 76: „LXX giebt הַכַּפֹּרֶת statt הכפתור, was aber höchstens unter der irrigen Voraussetzung Sinn hätte, daß hier vom Tempel in Jerusalem die Rede sei.“), dass in diesem Tempel die Decke von einer Säule gestützt würde, deren Kapitell mit kaptorim („Äpfeln“) verziert war, wie ähnlich die beiden Säulen vor dem Jerusalemer Tempel mit Granatäpfeln verziert war (s. 1 Kön 7,18; 2 Chr 4,13; Jer 52,21), und dass daher mit „Schlag den kaptor“ gesagt sei: „Schlag auf das Kapitell der tragenden Säule des Tempels von Bethel, dass die Schwellen beben (und schneide es danach noch ab, damit es [und, wie in Ri 16,29f., der ganze Tempel] allen = den darin Versammelten auf den Kopf stürzt)“. Aber richtig Jeremias 2013, S. 124: „Zumeist hat man sich diese Verbindung im Gefolge J. Wellhausens mit typisch westlicher Logik [?] dahingehend ausgemalt, dass der zerberstende Tempel mit seiner einstürzenden Decke die zusammengeströmte Menge erschlüge. Dazu aber will schwerlich passen, dass der angebliche Zusammenbruch des Tempels nirgends geschildert, stattdessen aber auffällig das Beben der Türschwellen hervorgehoben wird; dass sich ohnehin nur die Priester im Gebäude befinden müssten, die Menge aber in dessen Vorhöfen, wenn man nach Maßstäben des Jerusalemer Tempels urteilen wollte; vor allem aber, daß im folgenden (V. 1b-4) sehr andersartige Vorstellungen vom Tod der Menschen vorgefunden werden, unter denen die doppelte, das Ganze rahmende Aussage vom Tod durch das Schwert (V. 1a.4a) auffällig hervortritt.“. Wenn man aber richtig nicht mehr an dieses Szenario denkt, gibt es überhaupt kein Indiz mehr für Säulenkapitelle, da von kaptorim auf Säulen nirgends die Rede ist, weil – wenn man nach dem Jerusalemer Tempel geht – nicht nur Säulenkapitelle verziert waren, sondern der ganze Tempel, und ohnehin kaptorim, was immer es bedeutet, sicher nicht allgemein für Verzierungen steht.
Eine dritte Deutung findet sich bei Koch 1976b, S. 57: Dieser setzt erstens an der syr. Übersetzung an, die „Apfelbaum“ bedeuten könnte (zu Apfelbäumen im Alten Israel vgl. Walter 2018, S. 63) und die er verallgemeinernd als „Obstbaum“ auffasst, zweitens an dem akk. Wort kaptaru, das er für ein mit kaptor verwandtes Wort hält und als „Baum“ deutet, und drittens daran, dass in Zef 2,14, wo ebenfalls von kaptorim („Äpfel“ / „Apfelbäume“) und einem sap („Türschwelle“) und außerdem noch von „Zedern(holz)“ die Rede ist, und schließt von da aus darauf, „daß sich [in Am 9] neben dem Altar ein natürlicher oder künstlicher Baum befindet[, der mit kaptor bezeichnet wird].“ Warum hier von einem solchen Baum die Rede sein sollte, ließe sich leicht erklären: Denkt man bei dem Altar, auf dem JHWH steht, nicht an den in einem Tempel wie den Jerusalems, sondern den auf einer Kulthöhe wie wohl Bethel und Beerscheba, wäre damit der heilige Baum (die Aschera) gemeint, der auf solchen Kulthöhen regelmäßig neben dem Altar stand (s. bes. Dtn 16,21; Jer 17,2; auch die „Wahrsage-Eiche“ neben den „(Kult-)Höhen“ in Ri 9,37 und die Eiche neben Abrahams Altar in Gen 12,6f.. Sicher gemeint sind solche Bäume auch in Jer 2,20; auch hier neben „Kulthöhe“. Auch in Samaria befand sich übrigens eine solche Aschera, s. 2 Kön 13,6). Wenn das richtig ist, kann man auch bei den sippim sogar noch besser an Becken denken; denn offenbar gab es auf Kulthöhen d.ö. auch Wasserbecken. Vgl. zunächst natürlich Gen 26,25 von Isaaks Quelle in Beerscheba und Ex 40,30 vom Wasserbecken des Stiftszelts; dann auch 1 Sam 7,5f.. Bei Ausgrabungen wurden an mehreren Orten, die möglicherweise als Kultstätten dienten, solche Wasserbecken gefunden; so in Ta´anach, in Tell el-Far´ah, in Ḥorvat Qitmit (s. Fried 2002, S. 453f.458) und ähnlich in Kuntilled Ajrud (das sich hier bei Meshel 1978 betrachten lässt). Auch in mesopotamischen Tempeln befanden sich solche Becken, die man apsu („Meer“) nannte und die Urfluten unter der Erde repräsentierten. Das passte auch in Zef 2,14 ganz gut; die Trümmer wären dann „in das Becken“ gestürzt. Im Tempel Jerusalems wurden später beide Kultobjekte variiert zur baumartigen Menora und zum „Bronze-Meer“. Ist das richtig, würde das auch erklären, warum kaptor Singular und sippim Plural ist: In Zef 2,14 ist es umgekehrt. Aber zu kaptaru s. zu Ex 25,31: Die beiden Worte sind kaum verwandt. Und die beiden Indizien, dass erstens kaptor im Heb. und Syr. sehr wahrscheinlich auch den Apfel-Baum bezeichnen kann und dass zweitens in Zef 2,14 auch von Zedern(-Holz) die Rede ist, lassen sich jedenfalls nicht beide gleichzeitig für diese Deutung anführen.
Textkritik: Eine sehr schwierige textkritische Stelle. Es gibt mehrere Gruppen von Textzeugen, und bei mehreren ist unsicher, wie sie zu werten sind:
(1) MT hat ha-kaptor (hkptwr). Die Bed. dieses Wortes in diesem Kontext ist unklar, s. dazu unten. Eine der Bedd. des Wortes ist aber sehr wahrscheinlich „Apfel“, da in Ex 25,31-36 mehrere alte Versionen kaptor mit „Apfel“ übersetzen; das wird gleich wichtig werden. Wirklich klar gestützt wird MT darin nur von Mur88 (hk[]<tw>[]) und evt. von 4QXIIg, wo die letzten zwei Buchstaben teilweise erhalten sind, die -tr (statt -twr) sein könnten.
(2) LXX übersetzt mit „Gnadenthron“ (hilastärion, obwohl dies in manchen Handschriften an das voranstehende thysiastärion („Altar“) zu Beginn des Verses assimiliert wurde), las also nicht hkptr, sondern hkprt für kaporet wie in Ex 25,17 und oft. Zu dieser Gruppe gehört sehr wahrscheinlich auch Aq, dessen Text in zwei unterschiedlichen Varianten bezeugt ist: Als oikodomäma („Gebäude“) in der Syrohexapla, als oikodomäma hilastärion („Gnadenthron-Gebäude“) aber in Cod. 86. Ziegler denkt, das hilastärion sei aus LXX hier eingedrungen, aber Cod. 86 gehört zu den LXX-Zeugen, die als Text der LXX nicht hilastärion haben, sondern thysiastärion, s.o – das ist also mindestens unsicher, und besser lässt sich Aq's oikodomäma so erklären, dass auch Aq die Konsonanten vorlagen, die auch LXX vorgelegen hatten, dass auch Aq diese als kaporet gelesen hat, und dies aber wegen den folgenden „Türschwellen“ als Ausdruck für das bet hakkaporet („Gebäude des Gnadenthrons“) aus 1 Chr 28,11 verstanden hat, also das Allerheiligste.
(3) Syr und VUL stützen wahrscheinlich MT: Syr übersetzt mit ḥazor („Leuchter“ oder „Apfel(baum)), hat also entweder kaptor direkt als „Apfel“ übersetzt oder an den Leuchter in Ex 25,31-36 gedacht, der mit kaptorim („Äpfeln?“) verziert war, und deshalb das Wort hier als „Leuchter“ übersetzt. So dann vielleicht auch Tg, dessen Üs. sich nur als „Leuchter“ deuten lässt. Tg ist kein ganz offensichtlicher Zeuge für die MT-Variante, eine bessere Erklärung für die Version von Tg gibt es aber nicht.
(4) VUL errät sich das Wort aus dem folgenden „Türschwellen“ als „Türangeln“. Welches heb. Wort er sich derart erraten hat, ist nicht direkt zu erkennen. Dass es nicht das selbe war wie das, das LXX vorlag, legt aber Hieronymus´ Kommentar sehr nahe, und dass es das selbe sein könnte wie von MT, machen die alten jüd. Exegeten wahrscheinlich, da auch die beiden ibn Ezras, Kimchi und Abravanel aus der folgenden „Türschwelle“ die Bed. des ihnen unklaren Wortes als Bestandteile einer Tür erraten haben („Türöffnung“, „Türsturz“ und 2x „Türrahmen“), und diesen lag sicher kaptor vor. Ähnlich noch KJV und Rosenmüller, die ebenfalls an den Türsturz denken. Ähnlich raten übrigens auch Raschi, ben Qara und Eliezer von Beaugency auf die Bed. des Wortes: Die ersten beiden denken auf etwas auf „der Spitze des Daches“ und auch Eliezer von Beaugency kommentiert: „alles, was aus dem Gebäude hervorsteht, nennt man kaptor“. Denken sie an den kaleh-oreb, die „Raben-Scheuche“ auf dem Tempeldach? S. m.Mid iv 6. Dann hätten sie Zef 2,14 als bittere Ironie aufgefasst: Die Vögel nisten auf der Rabenscheuche. Ähnlich heute noch Gese 1981, S. 83 ohne Anhänger: „[...] Offensichtlich handelt es sich um die Spitze des Tempels, sozusagen um das Akroterion, den oberen Teil der Tempelfassade.“ Textkritisch relevant ist das aber nicht.
(5) Am schwierigsten einzuordnen sind Sym und Theod. Beide haben epi ton kiborion. kiborion bezeichnet den Blütenkelch, die Trinkschale und den Baldachin über einen Altar, die alle wegen der ähnlichen Form als „Schale“ bezeichnet werden. (a) Entweder haben sie wie Syr und Tg an die Menora gedacht, da diese nicht nur mit Äpfeln verziert war, sondern da bei dieser die Aufsätze der Leuchter wie Blütenkelche gestaltet waren, und daher mit kiborion ebenso die Menora gemeint wie Tg und Syr. Wahrscheinlich ist das aber nicht. (b) BHQ verzeichnet sie als Stützen von MT, aber das ist in dieser Kürze sicher nicht richtig. Offenbar hat der BHQ-Herausgeber Gelston mit z.B. Rudolph und Koch angenommen, dass erstens Säulenkapitelle mit kaptorim verziert waren (das könnte sein: Nach 1 Kön 7,18; 2 Chr 4,13; Jer 52,21 waren sie mit „Granatäpfeln“ verziert und JosAnt III 144-146 übersetzt auch die kaptorim auf der Menora nicht mit „Äpfel“, sondern mit „Granatäpfel“), dass zweitens Säulen blütenkelchförmige Kapitelle gehabt hätten (das ist richtig, s. 1 Kön 7,22 und s. zu Hld 2,1) und dass drittens Sym und Theod daher kaptor als synekdochischen Ausdruck für Säulenkapitelle interpretiert und deshalb mit dem Ausdruck kiborion („Schale, Blütenkelch“) anzeigen wollten, dass ein solches Säulenkapitell gemeint sei. Aber das ist doch extrem hypothetisch; falls sich andere Erklärungen für die Üs. von Sym und Theod finden lassen, sind sicher diese vorzuziehen. Und die lassen sich finden: (c) Rießler, Sellin 1922 und Nowack wollen kprt, die Vorlage der LXX, nicht als kaporet („Gnadenthron“) vokalisieren, sondern als keporot („Schalen“). Gemeint sein sollen damit die Opferschalen, die auf dem Altar stehen (pace Budde stehen diese wirklich manchmal auf dem Altar, z.B. bei der Wasser- und Weinlibation beim Erntefest). Diese keporot hätten sie dann beide aus irgendeinem Grund singularisch übersetzt. Warum sie mit Singular übersetzt haben sollten, wäre aber schwer erklärlich, und zusätzlich wird diese Auffassung dadurch erschwert, dass kepor („Schale“) nur als Mask. belegt ist, nicht als Fem., so dass der erwartbare Plural keporim statt keporot wäre. Es gibt zwar im Heb. nicht wenige Wörter, die sowohl Mask. als auch Fem. sein können; dafür, dass kepor dazu gehört, fehlt aber jedes Indiz. Dennoch ist diese Annahme immerhin noch weniger hypothetisch als (a) und (b). (d) Am wahrscheinlichsten aber ist, dass Sym und Theod eine dritte Vorlage bezeugen, nämlich nicht kpt(w)r oder kprt, sondern kp(w)r für das singularische kepor („Schale“).
Zfsg. Textkritik: Sicher haben wir daher die beiden Textvarianten kpt(w)r („Apfel?“: MT, Mur88, wahrscheinlich Syr + Tg, vermutlich VUL und evt. 4QXIIg) und kp(w)rt (LXX, wahrscheinlich Aq), und Sym und Theod stützen entweder LXX oder bezeugen eine dritte Variante kp(w)r. Wägt man diese zwei / drei Varianten ab, ist das fast ausschließlich für ursprünglich gehaltene kpt(w)r am unwahrscheinlichsten der ursprüngliche Text. Am einfachsten lässt sich nämlich eine Verschreibung von kp(w)rt oder kp(w)r zu kpt(w)r erklären – dies wäre nämlich geschehen erstens unter Einfluss von V. 7, wo kptwr als Ortsname verwendet wird, und zweitens unter Einfluss von Zef 2,14, wo kaptorim neben dem sap („Türschwelle“) genannt werden. Auch eine Verschreibung von kpt(w)r und kp(w)r zu kprt allerdings ließe sich erklären: Die Rede vom „Altar“ hätte den Schreiber an den Tempel denken lassen und mit diesem Bild im Kopf hätte er dann das Wort als kprt verlesen, da der kaporet sich ebenfalls im Tempel befindet. Diese Frage ist schwierig; mir (S.W.) scheint aber, dass die Text-Bezüge, die zum Verschreiben von kprt zu kptr verführen hätten können, sicher stärker sind als die, die zum Verschreiben von kptr zu kprt verführen hätten können. Leichter ist immerhin die Frage kp(w)r vs. kp(w)rt: Wägt man diese beiden gegeneinander ab, ist klar kp(w)rt die ursprünglichere Variante, da ein Wort mit t die Verschreibung zu kpt(w)r besser erklärt als eins ohne, und da jedenfalls sehr unwahrscheinlich ist, dass aus einem ursprünglichen kpwr zwei weitere Textvarianten entstanden sein sollten, die beide unabhängig voneinander an unterschiedlichen Stellen im Wort ein t lasen. Das stärkste Argument für die Ursprünglichkeit von kprt statt kptr ist aber nicht diese doch schwierige und hypothetische Rekonstruktion der Geschichte der unterschiedlichen Varianten, sondern v.a. die Tatsache, dass ein Text mit ursprünglichem kprt wesentlich runder und stärker wäre als einer mit ursprünglichem kptr; s. o. und zu V. 6. (zu v.1)
dSchwellen - Meist bestehen Türschwellen in der alten Levante aus nur einem massiven Steinblock, der in die Erde eingelassen wird, aber noch deutlich über das Boden-Niveau hinausragt (u.a. wohl, um so zu verhindert, dass Laub etc. in ein Gebäude geweht wird, da tagsüber Türen im Alten Israel häufig durchgehend offen standen). Die Türschwellen sind daher der stabilste Punkt eines Gebäudes überhaupt. Als Schwellenort, der Außen mit Innen verband, waren sie außerdem bedeutsam; in Mesopotamien etwa wurden daher darunter häufiger Figürchen vergraben, denen man sehr wahrscheinlich schützende Wirkung zuschrieb (zu diesem und weiteren „Schwellen-Phänomenen“ vgl. anfanghaft z.B. Schwelle (RdA)). Nicht von ungefähr lässt sich Gott daher auch nicht im Stiftszelt, sondern im Eingang desselben nieder (s. Ex 29,42; Num 16,19; 20,6; dazu gut z.B. Tür / Türpfosten (AT) (WiBiLex)). Dieser Ort der Verbindung von Welt und heiligem Bereich soll nun also erschüttert werden. (Zurück zu v.1)
eAbschneiden - semitisches Idiom für „Töten“ i.A. (s. zu Ijob 4,21); gut daher ZÜR: „Schneide ihnen allen den Lebensfaden ab!“. „Zertrümmern“ (so viele Üss., die wieder an die Säulenkapitelle denken) heißt das Wort nicht.
Gleichzeitig Satzteilhyperbaton: „Abschneiden“ harmoniert noch besser mit dem Schwert aus der nächsten Zeile; das „Töten“ aus dieser Zeile ließe sich noch glatter mit dem Gift verbinden.
tFN: Die Form ist abnorm: beṣa`am. Am nähsten ist der Imperativ, der aber beṣa`em lautete (wie Num 11,28: kela`em). Überraschend selten wird die Vokalisierung hiernach korrigiert (z.B. von Weiser, Amsler, Horst 1960, S. 196). HKL I S. 296f.; GKC §61g; BL §51a' versuchen jeweils unterschiedliche Erklärungen, die am Phänomen der Nesiga ansetzen: Bei Imp wäre erwartbar *beṣa`ém beró`š. Wenn wie hier zwei benachbarte Vollsilben (-`ém + ro`š) betont würden, geschieht es bisweilen, dass beim voranstehenden Wort die Betonung von der letzten auf die vorletzte Silbe rückt („Nesiga“). Das ist nach den Akzenten auch geschehen; betont ist nicht *-`em / -`am, sondern -ṣa-. Warum nach einer Enttonung von -`em dieses zu -`am werden sollte, lässt sich damit aber auch nicht erklären; dieser Ansatz ist wenig hilfreich. Hinzu kommt ohnehin die Schwierigkeit, dass bei beṣa`am die Paschta-Phrase endet; in diesem Kontext wäre Nesiga gar nicht zu erwarten (dass dagegen Nesiga trotz Schwa-Silbe eintritt, ist nicht ungewöhnlich, s. Gen 1,11; 15,7; Hab 3,11 u.ö.; vgl. z.B. Yeivin 1980, S. 238; Rappaport 1984, S. 147f.). So zwar richtig Margolis 1902, aber das ist ja auch nicht hilfreich: Offensichtlich liegt hier Nesiga ja trotzdem vor, warum auch immer. Der alternative Erklärungsansatz von Margolis führt auch nicht weiter; nach diesem Ansatz wäre stattdessen stets -am statt -em zu erwarten und dann stattdessen Num 11,28 unerklärlich. Vielleicht soll nur das Wort mit seinen nun beiden as lautlich an `aḥaritam („ihren Rest“), dem ersten Wort der folgenden Zeile, angenähert werden, so dass außerdem gerade -am („sie (alle)) und -am („ihren (Rest)) gleich lautete? Zu ähnlichen Lautspielereien s. zu Am 5,25.
Für eine Textverderbnis gibt es keine Indizien in der Textgeschichte. VUL und Syr vokalisieren zwar ubiṣa`am („ihren unredlichen Gewinn“; so auch Koch 1976b, S. 57: „ihr unheilsträchtiger Gewinn [komme] auf das Haupt von ihnen allen“), was aber die selben Konsonanten voraussetzt und auch nicht weiterhilft bei der Frage, warum MT so merkwürdig vokalisiert hat. Verbreitet ist noch die Textkorrektur zu beṣa`am zu `abaṣea´` („ich werde {sie} abschneiden“; so z.B. Maag, Wolff, Soggin, Reimer 1992, S. 204), so dass wieder Gott Subjekt und die Säulenkapitelle Objekt sein können (aber dazu s.o.) oder zu ubaṣu`im („so dass endet“, so z.B. Rudolph, Jeremias), was eine weitere Textänderung erforderlich macht (s. nächste FN). (Zurück zu v.1)
fGift nach Horst 1960, S. 196; Cathcart 1994. S. Vv. 3.4: Dem Gift entspricht die Wasserschlange (die nach Plinius, Hist Nat 19,4 stets hochgiftig ist), dem Schwert das Schwert. Auch von der Satzstruktur her sollte man erwarten, dass ro`š (hier: „Gift“) eine ähnliche syntaktische Funktion hat wie ḥereb („Schwert“): „(A) Schneide sie ab (B) be-ro`š (C) sie alle; (C') Ihren Rest (B') ba-ḥereb (A') werde ich abschlachten.“ Garretts Einwand, mit „Gift“ könne man nicht „abschneiden“, greift nicht; „abschneiden“ ist wie gesagt ein Idiom. Umgekehrt wird man gegen seine Üs. einwenden müssen, dass man Anfang der Eisenzeit selbst mit einem Schwert doch wohl keine steinernen oder metallenen Kapitelle „abschneiden“ konnte. Denn Garrett denkt wie die meisten wieder an Säulenkapitelle, die „am oberen Ende“ abgeschnitten oder „auf den Kopf aller“ hinunter-geschnitten werden sollen, um diese „alle“ zu töten, dazu s. aber o.
Textkritik: Die zweite Alternative basiert auf einer weiteren Text-„Korrektur“: „so dass endet alles im Beben“ ändert nicht nur die Vokale von beṣa`am in baṣu`im, sondern außerdem Konsonanten und Vokale von ro`š („Kopf“) in ra´aš („Beben“ so z.B. BHK, BHS, Rudolph, Soggin, Jeremias; Fohrer 1974, S. 49). Eine Verschreibung von ` zu ´ kann aber erst nach der Abfassungszeit der LXX geschehen sein, da beide Gutturale vorher in der Aussprache noch deutlich unterschieden wurden; LXX stützt aber MT. (Zurück zu v.1)
gScheol - Das israelitische Pendant der Unterwelt / des Totenreichs. Zur Abfassungszeit des Amosbuches war diese Aussage noch nicht selbstverständlich; die Vorstellung, dass Gott auch Kompetenzen in Sachen Unterwelt hatte, begann sich erst im 8. Jhd. zu entwickeln; s. näher Jenseitsvorstellungen (AT) (WiBiLex). (Zurück zu v.2)
hSpannende Zeile: Offenbar ist die Vorstellung vorausgesetzt, dass Gott zwar sehr wohl im Himmel agieren kann, dass er aber primär auf Erden wohnt, so dass ein Fluchtversuch in den Himmel nicht ganz sinnlos wäre. Auch das passt zeitlich; von JHWH als Himmelsgott ist in Texten vor dem 8. Jhd. noch kaum / noch gar nicht (?) die Rede.
tFN: Ob V. 2 ein Bikolon oder zwei Bikola sind, ist nicht ganz klar. Entweder werden die Zeilen untypischerweise immer länger: V. 2 stünde zwei Mal das kurze Metrum 3:2, 3ab wäre ein etwas längerer Doppeldreier und 3cd wäre im langen Metrum 6:4 formuliert, um so das überraschende Finale in 5ab (4:4) vorzubereiten, oder 4ab und 4cd sind jeweils eine Zeile, die zusammen ein Bikolon bilden, haben dabei eine andere Zeilenstruktur als die folgenden Doppelzeilen und alle Zeilen in Vv. 2-4 haben derart zwischen vier und sechs Hebungen. Die meisten analysieren wie oben; kolometrisch näher liegt aber die zweite Variante: „Wenn sie sich zum Schol durchgrüben, würde meine Hand sie von dort holen / wenn sie zum Himmel aufstiegen, würde ich sie von dort hinunterbringen.“ (Zurück zu v.2)
inicht zum Guten - was man nach „ich werde meine Augen auf sie richten“ eigentlich erwarten würde, s. Gen 44,21; Jer 24,6; 39,12.
Etwas verblüffende Doppelzeile, und kurioserweise fast nie kommentiert: Nach der Ankündigung des Todes scheint die Droh-Kette nicht mehr steigerbar, und in der Tat wirkt „ich werde mein Auge zum Bösen auf sie richten“ nach 4b antiklimaktisch. Hitzig denkt, dieser Satz solle „die bisherigen Einzelangaben V. 2-4 ab[runden](S. 148); ähnlich übersetzt Rudolph mit „Kurz: Ich werde mein Auge...“. Aber falls ein derart „epexegetische Weqatal“ wirklich existiert, kommt es nur vor in vergangenheitlichen Kontexten, nicht wie hier in Drohansagen (s. IBHS §32.1e). Offenbar soll also wirklich dies die schlimmste Drohung sein: Nicht, dass sie getötet werden werden, sondern, dass sie bei Gott in Ungnade gefallen sind. (Zurück zu v.4)
jschmilzt (schwankt) - das heb. mug kann beides bedeuten. Zu „schmelzen, überfluten“ s. noch Ps 65,10; Am 9,13 (!); Nah 1,5; 2,6; auch nach verwandten Wörtern bezeichnet es klar etwas, das mit Flüssigem geschieht (s. Ges18, S. 640: aram. mwg „zerfließen lassen“, arab. māğa „wogen, branden, erregt sein“). Noch häufiger bezeichnet es in der Bibel aber etwas, das mit Menschen geschieht, wenn sie sich fürchten; s. Ex 15,15; Jos 2,9; 1 Sam 14,16; Ps 107,26; Jes 14,31; Jer 49,23; Ez 21,20. Damit entspricht das Wort genau heb. masas, das ebenfalls erstens „zerfließen, schmelzen“ und zweitens häufig „vor Angst vergehen“ bedeutet. „Schmelzen“ als Ausdruck für Furcht ist also im Heb. ein geläufiges Bild und die zweite Gruppe von Versen darf nicht als Indiz dafür genommen werden, dass mug auch „Zittern“ bedeuten kann (vgl. sehr richtig Schröder 1829, S. 397f). So aber die meisten Kommentatoren, die glauben, das Verb müsse hier das Selbe bedeuten wie ragaz in Am 8,8 und deshalb von einem Erdbeben sprechen. Daher z.B. Hammershaimb, Rudolph, Soggin, Stuart, Paul, Jeremias, Kessler: „so dass sie wankt“. Zum Bild s. aber dort. Dass von einer Erdschmelze die Rede ist, ist hier noch wesentlich offensichtlicher als dort, da eben erstens mug verwendet wird und da zweitens das Bild in V. 13 in sein Positiv verkehrt wird: Dort verflüssigen sich die Berge vom Übermaß an Wein, der nach der reichen Ernte ihre Hänge hinabfließt. „Schmelzen“ daher richtiger Robinson, Sweeney, Garrett (und merkwürdigerweise Carroll, der in Am 8,8 noch mit „wanken“ übersetzte); auch Crenshaw 1964, S. 74; Messner / Lang 2001, S. 95; Hayes 2008, S. 143. (Zurück zu v.5)
kTextkritik: Die Alternativübersetzung nach Mur88. Sicher eine Assimilation an den Sg. von Am 8,8; die anderen Vrs. stützen MT. (Zurück zu v.5)
lTextkritik: Die Konsonanten des Wortes sind im Heb. in drei Varianten überliefert: Als m´lwtjw z.B. im Qere von CL, als m´lwtw z.B. im Ketiv von CL, als m´ltw in einigen jüngeren MSS (s. Kennicott, de Rossi, Ginsburg; wieder zu knapp sind BHQ und CTAT). Qere steht für den Pl. ma´alotajw („seine Treppen), wofür auch Ketiv nur Scriptio defectiva wäre (richtig CTAT III, S. 693), die anderen MSS dagegen für ma´alato („seine Treppe“). 4QXIIg und Syr haben oder übersetzen den Pl. von CL, auch LXX und VUL aber übersetzen mit einem Sg.-Wort. Das könnte die Sg.-Variante stützen, könnte aber ebenso gut eine Übersetzung des Pl. sein. Idiomatisch wäre der Pl., s. 1 Kön 10,20; Neh 12,37; Ez 40,6.22ff.. Zum Sg. vgl. aber auch 2 Chr 9,4. Auf die Bed. trägt sich das zwar nicht aus; interessant wäre aber, dass der Sg. hier dann ähnlich zu erklären wäre wie der die Pl.-Sg.-Abfolge in Am 5,25: Der Verfasser hätte ursprünglich den weniger idiomatischen Sg. gewählt, um damit ma´alato („seine Treppe“) lautlich an das agudato („sein Band“) anzugleichen. Noch weiter wären darin LXX und Syr gegangen, die `agudato („sein Band“) in der nächsten Zeile auffassten als `agadato („sein Versprechen“), was dort aber sicher nicht gemeint war.
Wichtig ist diese Differenz aber v.a. wegen dem Folgenden: Sym (ta huperoa, „Palast“) und Tg (teqop „Festung“) setzen nicht m´l(w)tw voraus, sondern ´ljtw („sein Obergemach“) wie bes. in Ps 104,3.13; Jer 22,14. Auch dies wird unbegreiflicherweise in BHQ nicht einmal erwähnt, obwohl noch BHK und BHS dies für den ursprünglichen Text hielten. So z.B. noch Wolff, Mays, Rudolph, Soggin, Stuart, Paul, Jeremias; einige davon allerdings, indem sie wie viele ältere Kommentatoren und wie bereits ibn Kaspi ganz ohne Indiz denken, ma´alah („Treppe“) könne auch synonym mit ´alijah („Obergemach“) verwendet werden. Daher z.B. BB: „das Obergeschoss“, EÜ + HER05: „seine Hallen“, LUT: „seinen Saal“, SLT: „seine Obergemächer“. Nicht mehr aber Garrett, Eidevall, Carroll, Kessler, daher TUR + ZÜR: „seine Stufen“. Am besten lassen sich diese Varianten so erklären, dass ursprünglich das m´lwtw des Ketiv war. m- wurde wegen dem -m des vorangehenden šamajim haplographiert (oder war ursprünglich shared consonant), weshalb dann Sym und Tg das ´lwtw mit ´ljtw verlasen (vgl. עלותו mit עליתו; w und j werden sehr häufig miteinander verschrieben), den Sg. der ´alijot in Ps 104,3.13; Jer 22,14. Qere hätte wie gehabt den angezielten Plural m´lwtjw nur plene geschrieben, die jüngeren Handschriften wegen dem fehlenden -j- stattdessen zum Sg. ohne -w- korrigiert. (Zurück zu v.6)
mBand (Firmament?) - schwieriges Wort. Heb. `agudah, von `agad („binden“), sonst für ein fesselndes „Band“ (Jes 58,6); ein „Bündel“ Ysop (Ex 12,22) oder einen militärischen „Verbund“ von Männern (2 Sam 2,25). Schon für die Alten war es schwierig. Tg nimmt es in der letztgenannten Bed. („Versammlung“), was hier sehr fern liegt. Aq und VUL übersetzen streng wörtlich „Bündel(chen)“; wohl, weil ihnen der Sinn des Wortes in diesem Kontext unklar war. LXX und Syr irren sich auch noch im Wort („sein Versprechen“, nicht von `agad, sondern von nagad, s. vorige FN).
Die meisten Exegeten (z.B. Rudolph, Paul, Carroll) schließen aus dem Kontext – nämlich aus der Tatsache, dass das Wort parallel mit den „Stufen im Himmel“ oder den „Obergemächern“ Gottes ist und die `agudah „gegründet“ wird – darauf, dass das Wort hier für das „Firmament“ steht, das nach dem Weltbild z.B. von Gen 1,6-8 die Wasser oberhalb der Erde davon zurückhält, diese zu überfluten (wohl daher Mays und Stuart: „reservoir“, also „Wasser-Speicher“). Daher z.B. EÜ, ZÜR: „Sein Gewölbe“. LUT („Sein Palast über der Erde“) nach LUT 45 („seine Hütte auf der Erde“) hat offenbar dieses „Gewölbe“ nicht auf das Firmament bezogen, sondern auf irgendein Gewölbe des Hauses JHWHs. Aber eine Hütte hätte kein Gewölbe, für einen Palast würde man auch nicht pars pro toto vom Gewölbe sprechen und wenn ´al `ereṣüber der Erde“ bedeutete, wäre überdies unverständlich, warum vom „gründen“ die Rede ist. Wie endlich das „Firmament“, das „Palastgewölbe“ und erst recht „die Hütte“ mit dem heb. Wort `agudah zusammenhängen soll, ist auch ganz unklar. Andersen / Freedman, Sweeney und Garrett glauben alternativ, irgendein „Fundament“ würde hier so bezeichnet, aber das ist rein aus dem Wort „gründen“ zusammengereimt und passt ebenso wenig zum Wort `agudah.
Besser daher Koch 1974, S. 526f.; Hartenstein 2001, S. 161-164; Messner / Lang 2001; Kessler: In sumerischen und akkadischen Texten ist oft die Rede von einem „Band der Länder“ / „Band der Erde“ / „Band von Himmel und Erde“ / „Band des Himmels“ (vgl. dazu bes. Burrows 1935; z.B. auch Röllig 1975; Janowski 2001; mehrere Textstellen zusammengetragen hat z.B. auch Bodi 1991, S. 226-229). Bezeichnet werden damit Hauptstädte (z.B. Babylon: „Band des Himmels, Band der Länder“, Aschmol 1924-849 apud Bodi 1991, S. 228), Tempel (z.B. der in Lagasch, der in Larsa und der in Nippur, jeweils: „Band des Himmels und der Erde“) und Götter (Enlil, Ninib und wohl auch Utu, die es insofern sind, als sie dieses „Band von Himmel und Erde“ in ihren Händen halten und bewahren). Die Vorstellung dahinter ist jeweils die, dass ein(e Stadt mit ihrem) hoch aufragenden Tempel axis mundi ist, „Weltenachse“, also gleichzeitig der höchste Punkt der Welt und Mittelpunkt der Welt, so dass er in den Himmel hineinragt und derart beide Ebenen, die sich an dieser Achse überlagern, „stabilisiert“, und dass die Völker in allen umliegenden Gegenden um ihn versammelt und auf ihn bezogen sind. In der Bibel findet sich diese Idee deutlich nur noch an zwei anderen Stellen: (1) In Gen 11, wo die Menschen in V. 4 „eine Stadt und einen Turm mit der Spitze bis in den Himmel [=> Band von Himmel und Erde] bauen wollen, damit sie nicht zerstreut werden über die ganze Erde [=> Band der Länder].“ Und (2) in Gen 28, wo die „Jakobsleiter“ in Bethel sicher eine Fehlübersetzung ist: Fast sicher ist der sullam in Gen 28,11-13, auf dem Engel in den Himmel hinauf- und zur Erde hinuntersteigen und auf dessen oberem Ende Gott steht, keine „Leiter“, sondern eine „Treppe“ – nach diesem Text ist also Bethel axis mundi also der Ort, der Himmel und Erde verbindet. Ähnlich deutlich dann offenbar erst wieder in Bahir, ed. Margaliot 102: „Es gibt eine einzige Säule, die von der Erde in den Himmel reicht; ihr Name ist zaddiq. Sie ist benannt nach den zaddiqim [=nach den Gerechten]. ... Sie trägt die ganze Welt, wie es heißt: ‚Zaddiq‘ ist das Fundament der Welt (Spr 10,25).(apud Green 1977, S. 333). Klar verwandt ist aber die biblische, rabbinische und muslimische Vorstellung der beiden irdischen Wohnstätten Gottes – Bethel oder Jerusalem – als umbilicus mundi, als „Nabel der Welt“. Zu Bethel vgl. die rabbinischen Erzählungen, nach denen Jakobs Mazzebe in Bethel aus Gen 28,22 dieser „Nabel“ ist (PRE 35, Midrasch Tehillim 91,5, bes. Jalkut Genesis 120: „Jakob nahm [nach seinem Traum von der Himmelsleiter] den Stein, den er als Kopfunterlage genommen hatte. Was tat Gott? Mit seinem rechten Fuße versenkte er den Stein in die Tiefe des Tehom und machte ihn zur Stütze der Welt, wie wenn man eine Stütze zu einem Bogengewölbe machen würde; deshalb wird er šetijjah [=Grund(-Stein), Fundament(-Stein)] genannt. Dort ist der Nabel der Welt und von dort aus wurde die ganze Erde ausgebreitet und auf ihm wurde der Tempel gegründet.(Üs. nach Feuchtwang 1911, S. 32)); zu Jerusalem oder genauer dem Stein, auf dem im Jerusalemer Tempel die Bundeslade geruht hatte und der nach mehreren Überlieferungen identisch ist mit Jakobs `eben šetijjah, bereits Ez 38,12; z.B. auch b.Jom 54b; Midrasch Tanchuma Buber, Kedoshim 10; weitere Stellen bei Vilnay 1973, S. 5-16. Zu Gottes „Gründung“ von Jerusalem s. Ps 78,69; 87,1f.; Jes 14,32; 28,16.
Ist wirklich an diese Vorstellung gedacht, ist nicht unbedeutend, dass der Tempel in Sippar nicht „Band von Himmel und Erde“ hieß, sondern „Stufenhaus des lauteren Himmels“, wie ähnlich der in Kazallu „Haus, das Leiter hinauf zum Berg ist“ hieß und wie ja auch im Falle von „Jakobs Himmelstreppe“ dieses „Band von Himmel und Erde“ die Form einer Treppe hatte – die „Treppe im Himmel“ und das „Band auf der Erde“ werden danach nämlich das selbe meinen.
Das ist nun wiederum wichtig für das Verständnis von V. 1: Gerade das Fundament dieses „Bands von Himmel und Erde“ ist es ja, das der Angesprochene in V. 1 nach der Anweisung Gottes schlagen soll. Ähnlich ja der Effekt: Die Schwellen zum Heiligtum sollen beben. Dass der „Schöpfer des Bands des Himmels, der seine Treppe auf der Erde gründet“, dem Angesprochenen befiehlt, dass „der Gnadenthron geschlagen werden“ soll, „so dass die Schwellen beben“, passt also sehr gut zusammen: Die Verbindung von Himmel und Erde, die Gott geschaffen hat, soll erschüttert werden – JHWH kappt die Verbindung zu seinem auserwählten Volk. V. 1 hängt dann auch locker zusammen mit V. 2: Nach diesem Schlag wäre es gerade nicht mehr möglich, in den Himmel und in die Unterwelt zu flüchten.
Ähnlich verwandt ist auch die Vorstellung vom „Weltenbaum“, einer alten mythischen Vorstellung, die der alte Orient z.B. selbst mit den noridschen Völkern gemein hatte (s. Yggdrasil (Wikipedia) zu den nordischen Vorstellungen, Weltenbaum (WiBiLex) zu den altorientalischen) und die daher offenbar zu den Ur-Mythen gehört. Nach dieser Vorstellung hat das „Band von Himmel und Erde“ die Form eines Baumes, dessen Wurzeln bis zur Unterwelt reichen und dessen Wipfel in den Himmel ragt. Vgl. in der Bibel am deutlichsten Ez 31,2-9; Dan 4,7f.. Diesen Weltenbaum versinnbildlichen auch die beiden Säulen vor dem Jerusalemer Tempel mit den Granatäpfeln an ihren Kapitellen und die Menora mit ihren Apfel- und Blütenverzierungen; auch dann, wenn in V. 1 nicht kaporet („Gnadenthron“), sondern kaptor („Apfel“ synekdochisch für „Säulenkapitell“ oder die „Menora“) zu lesen wäre, würde wahrscheinlich auch damit auf die selbe Vorstellung angespielt.
Auslegungsgeschichte: Der Vers ist nicht ganz unwichtig für die kultischen Vorgaben im Judentum. Dort nämlich braucht es noch heute nach den meisten Auffassungen zehn Menschen, damit eine Versammlung groß genug ist, um eine „ordentliche“ Gottesdienst-Gemeinde zu sein. Weil `agudah auch „Verbund, Menschenversammlung“ heißen kann, wird aber in m.Avot iii 6 u.a. aus diesem Vers abgeleitet, dass auch weniger Menschen genügen (vgl. auch die Üs. im Tg: „Seine Versammlung /seine Synagoge“. Hieronymus deutet ähnlich das „Band auf der Erde“ als die Religion, mit der man sich an Gott „bindet“ [re-ligare], doch dies ist wohl eher Zufall): „Rabbi Halafta aus Kefar Hanania sagte: Wenn zehn Menschen zusammensitzen und die Bibel studieren, ist Gott in ihrer Mitte, wie es [in Ps 82,1] heißt: ‚Gott steht in der Versammlung [´edah] Gottes.‘ [weil eine ordentliche `edah eben zehn Menschen braucht]. Woher wissen wir, dass das selbe auch für fünf Menschen gilt? Weil es [hier] heißt: ‚Er hat seine Versammlung auf der Erde gegründet.‘ Woher wissen wir, dass das selbe auch für drei Menschen gilt? Weil es [in Ps 82,1] heißt: ‚Gott richtet in der Mitte der Richter [die offenbar häufiger zu dritt richteten].‘ Woher wissen wir, dass das selbe für zwei gilt? Weil es [in Mal 3,16] heißt: ‚Da diskutierten miteinander, die Gott fürchteten – der eine mit dem anderen.‘ Und woher wissen wir, dass das selbe auch nur für einen Menschen gilt? Weil es [in Ex 20,21] heißt: ‚Wo immer mein Name genannt wird, werde ich zu dir kommen und dich segnen.‘“ Bartenura in seinem Kommentar zur Stelle erklärt die unerwartete „fünf“: „Woher wissen wir, dass das selbe auch für drei Menschen gilt? Weil es [hier] heißt: ‚Er hat seinen Verbund auf der Erde gegründet.‘ [...] Denn man halte sich vor Augen: [Minimal] drei machen ein ‚Bund‘. Das sehen wir auch hieran: Auch beim ‚Bündel Ysop‘ machen [schon] drei einen Bund, denn [ab] drei Zweigen [nennt man dies] ein ‚Bündel‘. In manchen Büchern [...steht hier allerdings ‚fünf‘. Das kommt daher,] dass Menschen Dinge in ihrer Hand zusammenbündeln, und eine solche hat fünf Finger [...].“ Wie Bartenura leitet denn auch Avot d'Rabbi Nathan viii 4 aus dieser Stelle stattdessen und etwas logischer die Minimalzahl „Drei“ ab.
Zum Schluss noch ein schöner rabbinischer Midrasch, der sich in NumR 18 u.ö. findet. Auch dort wird `agudah als „Bund“ verstanden und dann ein Gleichnis erzählt: „[Am 9,6] ist hiermit vergleichbar: Ein Palast wurde auf einer Flotte von Booten errichtet. Solange alle Boote verbündet bleiben, wird der Palast bestehen. Wann wird Gottes Thron errichtet? Wenn Israel ein Bund wird. Darum heißt es auch [in Dtn 33,5]: ‚Er wurde König [als nämlich die Stämme Israels und ihre Oberhäupter zusammenkamen].‘“ Daher Sifre Debarim 96: „Zertrennt euch nicht, formt keine Bündnisse, sondern ihr alle sollt sein ein Bund. Denn so heißt es in [Am 9,6].“ – JHWHs Königtum wird dann aufgerichtet, wenn das Volk Gottes einig ist. Sonst nicht. (Zurück zu v.6)
nKuschiten - Wortspiel: Zu erwarten wäre „Kinder Kuschs“. Mit „Kinder der Kuschiten“ wird umso mehr hervorgehoben, dass die Kuschiten hier mit den „Kindern Israels“ parallelisiert werden.
Meist ziemlich richtig übersetzt als „Äthiopier“ oder „Nubier“: Gruppe von Stämmen, die v.a. in Südägypten lebten (aber s. gleich). „Kusch“ wird daher d.ö. synonym mit dem südlichen „Ende der Erde“ verwendet (s. bes. Est 1,1; 8,9, wahrscheinlich auch Zef 3,10. Homer bezeichnet die Äthiopier daher als eschatoi andron, „die letzten Menschen [hinsichtlich ihres Siedlungsortes]“. Vgl. zu diesem Aspekt bes. Goldenberg 2009, S. 23-25). Heute am verbreitetsten ist daher die Deutung, gesagt werde hier, die Israeliten seien für Gott nicht „zentraler“ als dieses Fernste aller Völker (z.B. Rudolph, Paul, Sweeney, Eidevall, Carroll).
Die Kuschiten sind außerdem zum Einen die Farbigsten der im Alten Israel bekannten People of Colour (vgl. Jer 13,23). Zum Anderen ist in Jer 38,7 von einem Kuschiten am Königshof die Rede, den man noch heute gelegentlich für einen „Sklaven“ hält, der nach dem Zusammenhang aber viel wahrscheinlicher sogar einen ziemlich hohen Rang am Hofe hatte. 2 Sam 18,21f. spricht von einem Kuschiten in der israelitischen Armee, den man nach Jer 38,7 ärgerlicherweise ebenfalls nicht selten und recht unreflektiert für einen Sklaven hält, wofür auch dort fast nichts spricht. Diese drei Stellen haben zu vielen unschönen, darüber hinaus aber auch noch unwahrscheinlichen Deutungen geführt. Sie müssen hier leider erwähnt werden, da derartige Auslegungen auch heute noch nicht ganz passé sind. Früher verbreiteter war nämlich die Deutung unserer Stelle, gesagt werden solle hier, dass Israel in Gottes Augen nicht besser sei als dieses „minderwertige“ Volk – entweder wegen der Hautfarbe (z.B. Keil 1866, S. 232: „... wegen der schwarzen Farbe ihrer Haut, die als Bild der geistigen Schwärze gedacht wird, vgl. Jer 13,23.“) oder wegen ihres sozialen Status (z.B. Wellhausen 1893, S. 94: „... er nennt sie nur als verachtetes schwarzes Sklavenvolk, das dennoch dem Jahve grade so viel wert sei als die Israeliten.“). Nicht wesentlich besser z.B. selbst noch Jeremias 2013, S. 131: „Die Einwohner von Kusch, das geographisch das heutige Äthiopien und den südlichen Sudan abdeckt, waren aus der Sicht Palästians die südlichsten, fernsten und gleichzeitig aufgrund der Hautfarbe fremdartigsten Menschen, mit denen man in Berührung kam (vgl. Jes 18,1f.). Luthers Übersetzung ‚Seid ihr mir nicht wie die Mohren...?‘ trifft also genau das Gemeinte [...].“ Dagegen vgl. unbedingt z.B. Anderson 1995; Goldenberg 2009, S. 23-25: Aus ägyptischen Wandmalereien ist ersichtlich, dass mindestens die Ägypter ein Volk aus verschiedensten Ethnien und auch mit us. Hautfarben waren. Das gilt sehr wahrscheinlich auch für die Israeliten; der Prophet Zefanja ben Kuschi z.B. war fast sicher ein israelitischer Kuschit, auch Mose hatte eine kuschitische Ehefrau (s. Num 12,1). Dass die Kuschiten wegen ihres „häufigen Sklavenstandes“ erwähnt würden, liegt erst recht völlig fern; zur Abfassungszeit des Amosbuches waren die südägyptischen Kuschiten gerade dabei, auch den Rest Ägyptens zu erobern und waren damit eine mächtige, mit Israel verbündete und Israel überlegene Großmacht in der direkten Nachbarschaft (s. Kuschitenzeit (WiBiLex)).
Dass hier auf die Hautfarbe oder auf den Rang von Kuschiten in der israelitischen Gesellschaft abgehoben würde, ist also ganz unwahrscheinlich. Dass von ihnen als dem entferntesten bekannten Volk die Rede ist, muss sicher mitgehört werden (s. die Anmerkungen), ist nach dem Zusammenhang aber auch nicht der wichtigste Grund, warum von ihnen die Rede ist. Das ist stattdessen wahrscheinlich dieser: Die Kuschiten waren nicht nur eine Großmacht südlich von Israel, sondern lebten außerdem als Nomaden v.a. im nordarabischen Gebiet, zum Teil aber auch in der Negevwüste im Gebiet Israels / Edoms (s. 2 Chr 14,7-14; 21,16; Hab 3,7; wahrscheinlich auch Jes 18,1f.. Die kuschitische Ehefrau des Mose gehört wohl ebenfalls zu diesen Kuschiten und kann daher mal als Midianiterin, mal als Kenitin und mal als Kuschitin bezeichnet werden; vgl. ähnlich z.B. Gerhards 2005, S. 169f.. Zum Gebiet als israelitisch-edomitisches Gebiet s. zu Am 1,11), wie auch die Philister nicht nur eine Großmacht nördlich von Israel waren (s. zu Am 6,2), sondern außerdem im Gebiet der Pentapolis im Südwesten Israels siedelten und wie auch die Aramäer nicht nur eine Großmacht nordöstlich von Israel waren, sondern an verschiedensten Orten im Gebiet Israels wohnten (vgl. z.B. Maeir 2017). Gemeinsam ist also allen drei hier genannten Völkern, dass sie hauptsächlich andernorts zu verorten sind, aber auch im gelobten Land (so bes. Haak 1995, S. 249; teilweise auch Hayes 1988, S. 219). S. dann weiter in den Anmerkungen. (Zurück zu v.7)
otFN: gehört ihr nicht wie die Kuschiten zu mir - so z.B. Neher, Kessler, Hirsch 1900, S. 199; Vogels 1972, S. 223; Steins 2010, weil die Präp. l- nur diese Bed. haben könne (Kessler). Aber das ist nicht wahr, vgl. ähnlich Ex 19,6; Lev 20,26; Ps 31,3; 71,3; 139,22; am nähsten Jes 1,13, vgl. „(A) Wie die Kuschiten (B) [seid] ihr (C) für mich“ mit „Räucherwerk – (A) ein Gräuel (B) [ist] dies (C) für mich.“. (Zurück zu v.7)
pKaptor ist wahrscheinlich Kreta; schon in ihrem Ursprung wären die Philister also ein seefahrendes Inselvolk gewesen. Die Lage von Kir ist unbekannt, s. zu Am 1,5. (Zurück zu v.7)
qsündiges Königreich + Haus Jakob + keinesfalls ausrotten - Bei einem tautologischen Infinitiv wie „ausrottend ausrotten“ steht für gewöhnlich die Negation „nicht“ zwischen dem infiniten und dem finiten Verb; vor dem Infinitiv wie hier nur noch Gen 3,4; Ps 49,8. GKC §113n nimmt an, dies solle im Us. zur üblichen Konstruktion nicht „etwas gar nicht tun“, sondern „etwas nicht gänzlich tun“ bedeuten. Gen 3,4 hieße dann nicht „ihr werdet keinesfalls sterben“, sondern „ihr werdet nicht gänzlich sterben...“, und mitzuhören wäre: „...sondern nur keine Chance mehr auf Unsterblichkeit haben, weil ihr aus der Nähe des Baums des Lebens verbannt werden werdet.“ Unsere Stelle hieße entsprechend „Ich werde nicht gänzlich ausrotten, [sondern einen Rest übrig lassen]“. So auch die meisten Kommentare und fast alle Üss. Anders aber Alter, BigS, TUR; Mays, Jeremias, Carroll, Kessler: „Ich werde keinesfalls ausrotten“. So zu Gen 3,4 auch JM §123o. Das ist wahrscheinlich richtig: Spätestens in Ps 49,8 wäre eine Bed. „etwas nicht gänzlich tun“ kaum erklärlich: „Man kann seinen eigenen Bruder nicht gänzlich erlösen [aber ein bisschen zu seiner Erlösung beitragen kann man schon].“?
Das sündige Königreich und das Haus Jakobs sind demnach offensichtlich nicht identisch. Nach V. 7 folgt also gleich der nächste „Hammer“: Nicht nur wird Israel in toto nicht besonders von Gott bevorzugt, sondern das Gros der Israeliten gehört als Gemeinschaft von Sündern (V. 10) gar nicht erst zum „Haus Jakob“ dazu. Dieses wird zwar keinesfalls ausgerottet werden. Aber die meisten Israeliten wird das nicht retten: Sie haben sich aus dieser gottgefälligen Familie selbst ausgeschlossen.
Oft versucht man alternativ, den Unterschied „sündiges Königreich“ vs. „Haus Jakobs“ territorial oder sozial einzugrenzen, z.B. Israel vs. Juda (viele Rabbinen, Cripps, Mays) oder die Oberschicht vs. das Volk (z.B. Paul, Carroll, Kessler), aber wo die Linie zu ziehen ist, sagen die Verse ja mehrfach explizit selbst: Zwischen den „Sündern“ vs. den „Nicht-Sündern“. Effektiv gehört bei Amos zuvorderst natürlich gerade die Oberschicht zu diesen Sündern dazu, anders als andernorts wird sie hier aber nicht eigens genannt. (Zurück zu v.8)
rgebieten wie in Am 6,11, wieder – wie auch sonst stets –, ohne zu verraten, wen JHWH mit diesem Befehl zum ausführenden Gebot dieses seines Befehls macht. (Zurück zu v.9)
sVv. 9-10 sind wahrscheinlich so zu verstehen: Die Exilierung Israels wird verglichen mit dem Sieben von Sand zum Bauen oder von Getreide nach der Ernte. Was durch die Maschen des Siebs rieselt, ist aber nicht das Gute, sondern das Schlechte: Es wird „unter alle Völker gesiebt“ werden, also exiliert werden. Von diesen „ausgesiebten“ Israeliten heißt es in V. 10 dann auch noch, dass sie „mit dem Schwert getötet werden werden“ – wie in V. 4, wo diejenigen, die gerade exiliert werden, mit dem Schwert getötet werden werden. Zurück bleiben im Sieb die „Steinchen“, die wenigen Guten in Israel, die als Rest des Hauses Jakob „keinesfalls ausgerottet werden“ werden. Früher hat man ṣeror („Steinchen“) daher meist mit „Getreide“ übersetzt (so noch Andersen / Freedman; Smith; auch H-R, MEN, NL, SLT, TAF; noch LUT 45 + 12 vs. 84 + 17; ZÜR 31 vs. 07), aber für diese Bed. gibt es sonst kein Indiz. Den Sinn trifft eine solche Üs. aber dennoch gut und ist vielleicht in solchem Maße einfacher verständlich, dass man in der LF doch so übersetzen sollte. Sinngemäß gut dann z.B. Moldenhawer: „Denn es sollen zwar die Israeliten unter [die] Völker[] gerüttelt werden, wie man das Korn im Sieb rüttelt; das gute Getreyde aber soll nicht auf die Erde fallen; nur die frechen Sünder unter meinem Volk sollen mit dem Schwerdte getödtet werden.“
Die beiden Verse sind aber ziemlich umstritten. Es ist schon gar nicht klar, ob beim Sieben überhaupt Gutes von Schlechtem getrennt wird: In Lk 22,31 ist das „Sieben“ schlechthin ein Drohbild, mit dem allen gedroht wird, die „im Sieb sind“. So oder ähnlich hier z.B. Weiser, Mays, Nägele 1995, S. 180. Ähnlich auch Garrett: Das „Sieben“ sei hier kein Bild für eine Aussonderung, sondern wie Körner in einem Sieb „umherwandern“, soll gesagt werden, dass die Israeliten zur dauerhaften Wanderschaft verdammt werden. Entsprechend übersetzt dann schon Michaelis: „Die Israeliten sollen unter allen Völkern herumgetrieben werden, wie Frucht in einem Siebe geschüttelt wird.“
Die meisten gehen aber davon aus, dass hier von einem Trennvorgang die Rede ist, was man bei der Rede vom „Sieben“ intuitiv ja durchaus denken würde. Umstritten ist dann aber vor allem, ob – wie auch hier gedeutet wird – das, was durchs Sieb fällt, das Schlechte und das im Sieb Verbleibende das Gute ist (so z.B. schon Kimchi, ibn Ezra, auch Harper, Carroll, Kessler) oder umgekehrt (die meisten, da so auch Sir 27,4f.; sinngemäß auch Ez 20,38. So z.B. Wolff, Rudolph, Soggin, Paul, Jeremias, Eidevall). Diejenigen, die Letzteres denken, gehen dann noch weiter davon aus, dass der Tod durchs Schwert in V. 10 eine Strafe für eine andere Personengruppe ist als das Ausgesiebt-Werden unter die Völker: Getötet werden müssten dann die „Steinchen“, wonach das Exiliert-Werden das bessere Geschick wäre. Theoretisch möglich außerdem noch (so Rosenmüller): Israel wird gesiebt werden. Ausgesiebt wird die Spreu, die ins Exil geht. Im Sieb bleiben zunächst die guten Getreidekörner, die hier nicht erwähnt werden, und Steinchen, und diesen Steinchen verheißt dann V. 10 den Tod durchs Schwert. Nichts davon harmoniert aber gut mit V. 4; besser daher wie oben. (zu v.9 / zu v.10)
tdu lässt nicht herankommen um uns = prägnante Formulierung für „es kommt nicht an uns heran und umzingelt uns dann“.
Durch die unnötige Doppelverbformel wird der Spielraum bei der Formulierung biblischer Gedichte bis aufs Äußerste ausgereizt: Längstens hat eine Zeile in der biblischen Poesie 17 Silben; Am 9,10c hat 16 Silben. Offenbar soll diese überlange Zeile noch zusätzlich die Behäbigkeit der Sünder bei ihrer Reue unterstrichen werden.
tFN: Die beiden Verben könnten jeweils analysiert werden als 2. Pers. Mask. Sg. Hif. mit Gott als Subjekt oder als 3. Pers. Fem. Sg. Hif. mit „dem Bösen“ als Subjekt. Auf den ersten Blick sollte man meinen, dass nur die erste Option wirklich möglich ist: Wäre das Böse Subjekt, wäre kein Hifil zu erwarten. Nicht wenige ändern daher die Vokalisierung des ersten Worts taggiš zum Qal tiggaš und des zweiten Wortes we-taqdim zum Nifal u-teqadem (z.B. Harper, Mays, Stuart), um „das Böse“ besser Subjekt der Verben sein lassen zu können. Nötig wäre das nicht; auch diese beiden Wörter könnten intransitive Hifils sein. S. zu V. 13. (Zurück zu v.10)
uNicht: „zur selben Zeit“ (LUT). Jener Tag ist hier wie häufig ein Ausdruck für den Gerichtstag JHWHs. Nun aber wird anders als vorher von den positiven Folgen dieses Gerichtstags gesprochen, nämlich für jene wenige Guten, die nach diesem Gericht Gottes übrig bleiben werden.
tFN: „An diesem Tag“ ist vielleicht Anakrusis: Die meisten Handschriften haben hier zwar den Akzent Rebia, belegt ist aber auch Zaqef. Der Bed.-unterschied wäre nur minimal („An jenem Tag – da werde ich...“). Hat der Schreiber der Zaqef-Handschriften 11a.b und 11c.d als zwei Bikola aufgefasst und daher Zaqef gewählt, um den Rest von 11a enger mit 11b zusammenzuschließen? So auch Hayes und wohl auch Garrett und Paul. Auch mit Zaqef ist diese Kolometrie wegen dem folgenden Athnach aber unmöglich. Ebenso unmöglich ist wegen Tebir die verbreitetste Kolometrie, die aus 11a ein Bikolon macht: „An jenem Tag richte ich auf [Tebir] / die verfallene Hütte Davids“ – 11a muss stropheneinleitendes Monokolon sein. (Zurück zu v.11)
vHütte Davids - sehr unklarer Ausdruck. Eine sukkah („Hütte“) ist ein improvisiertes Geflecht aus Zweigen und Blättern, das man v.a. an Feldern und in Obstgärten außerhalb von Städten errichtete, um sich vor dem Wetter zu schützen (s. Ijob 27,18; Jes 1,8) und um unter diese gelagert die Felder und Gärten zu bewachen. Ursprünglich wohl aus diesem Grund ist das Errichten von sukkot außerdem ein Brauch, der im Zhg. mit der kultischen Feier der Weinernte praktiziert wird (zu diesem Erntefest, später auch Sukkot genannt, s. Lev 23,39; Dtn 16,13-15; Ri 9,27; 21,19 und vgl. z.B. Sukkot (Fest) (WiBiLex)). Sieht man davon ab, wie genau „Hütte Davids“ zu verstehen ist, legen sich v.a. zwei Deutungen nur von „Hütte“ nahe: Entweder ist „Hütte“ nur mit V. 12 zusammenzulesen und abgehoben wird mit dem Wort auf den aktuell armseligen Zustand dessen, was hier metaphorisch als „Hütte“ bezeichnet wird und was nun wieder errichtet und zum „gemauerten Steinhaus“ ausgebaut werden soll. Oder die „Hütte“ ist mit Vv. 13-15 zusammenzulesen und das, was hier als „Hütte“ bezeichnet wird, wird deshalb als Hütte bezeichnet, um im Bild zu bleiben: Die Zukunft Israels wird ein fortwährendes Erntefest sein. Weil V. 12 sehr wahrscheinlich jünger ist als Vv. 11.13-15, liegt als ursprüngliche Bed. Letzteres näher; nachdem nun aber auch V. 12 im Text steht, kann man beides hören.
Die „Hütte Davids“ wird danach ursprünglich die Herrschaft des Davids-Clans im Nordreich Israel gemeint haben, der am Gerichtstag Gottes wieder in Israel inthronisiert werden soll „wie in den Tagen der Vorzeit“ (s.u. unter (4)). V. 12 hätte den Ausdruck dann aber um-interpretiert zum „davidischen Großreich“ aus Israel + Juda, das auch über die umliegenden Nationen herrschte (s.u. unter (3)).
Genauer: Richtig zunächst Seybold 1972, S. 61: Der singuläre Ausdruck „Hütte Davids“ ist sicher gebildet nach dem Muster der Ausdrücke „Haus Davids“ (oft), „Stadt Davids“ (oft in 2 Sam und den Königs- und Chronik-Büchern) und „Zelt Davids“ (Jes 16,5). Das macht die Frage danach, was hier als „Hütte Davids“ bezeichnet wird, aber nicht einfacher.
(1) Am einfachsten ist der Ausdruck „Stadt Davids“: Gemeint ist damit im Alten Testament meist Jerusalem oder in jüngeren Texten auch ein älterer Stadtteil im Zentrum Jerusalems. Vgl. dann v.a. Jes 1,8, wo sicher Jerusalem als „Hütte“ bezeichnet wird. Bes. Pomykala 2004 und z.B. Eidevall glauben daher, auch hier sei von Jerusalem die Rede. Aber eine Zerstörung Jerusalems war doch in den Kapitel zuvor gar kein Thema, und richtig Glenny 2013, S. 158f: Wie soll das mit V. 12 (oder mit Vv. 13-15) zusammenstimmen?
(2) „Zelt Davids“ in Jes 16,5 ist genauso unklar wie „Hütte Davids“. Am nächsten liegt die Bed. „Tempel“, da David für die Bundeslade ein prächtiges Zelt errichtet hatte (s. z.B. 1 Chr 15,1), weshalb auch noch der Tempel selbst in 1 Chr 9,23 metaphorisch als „Zelt-Haus“ bezeichnet wird. So verstehen unseren Ausdruck bes. Nägele 1995 und z.B. auch Radine 2010, S. 203; Goswell 2011, S. 252f. Aber wenn in Jes 16,5 der Tempel gemeint wäre, müsste der Herrscher in diesem Vers, der offenbar identisch sein soll mit dem, der „den Thron Davids“ besteigen wird (Jes 9,7), diesen seinen Thron im Tempel stehen haben. Vergleichbare Vorstellungen finden sich erst mehrere Jahrhunderte später zunächst in Sach 6,9-15, wo ein Messias verheißen wird, der vom Tempel aus regieren wird, und noch einmal wesentlich später in der zwischentestamentlichen Literatur, wo der Messias von einem himmlischen Thron aus sein Volk richten wird. Jes 16,5 ist also eine sehr unsichere Basis für die Deutung unseres Verses. Von 1 Chr 9,23; 15,1 u.ö. aus könnte man „Hütte“ vielleicht wirklich als Variante der Metapher „Zelt“ für den Tempel verstehen, aber dass der Tempel als „Gebäude Davids(statt: „Salomos“) bezeichnet würde, müsste sich ganz auf den unsicheren Vers Jes 16,5 stützen. Gegen (1) und (2) spricht außerdem, dass dann die drei unterschiedlichen Personalpronomen in den nächsten drei Zeilen unerklärt bleiben müssten.
(3) „Haus Davids“ schließlich ist seit dem Erscheinen der erhellenden Dissertation von Leonard-Fleckman 2016 viel komplizierter geworden (s.u.). Ist damit nicht wirklich ein Gebäude gemeint, ist das „Haus Davids“ in jüngeren Texten v.a. ein Ausdruck für die Dynastie Davids. Ist Am 9,11f. entsprechend diesen jüngeren Texten zu verstehen, müsste die Tatsache, dass es „verfallen“ ist, meinen, dass es zur Abfassungszeit unseres Verses nur noch in Juda und nicht mehr in Israel herrschte. Dass es „aufgerichtet“ werden soll, hieße dann also, dass das „vereinte Königreich“ Davids oder sogar das „davidische Großreich“, das auch die umliegenden Nationen beherrschte, wiederhergestellt werden solle. So die meisten, für „Dynastie“ z.B. Garrett, Jeremias, Carroll, Kessler; für „davidisches Reich“ z.B. Mays, Hayes, Paul, Sweeney; gut auch Hasel 1974, S. 211; Seybold 1972, S. 61-63.
(4) Diese Frage lässt sich nicht gut trennen von der redaktionskritischen Frage nach dem Alter von Vv. 11.12. Vv. 11-15 wurden spätestens seit Wellhausen regelmäßig insgesamt für später als der Rest des Amosbuches gehalten, weil hier Heil statt Unheil verheißen wird (so heute z.B. noch Rottzoll 1996; Hadjiev 2009). Aber dass zumindest Teile von Vv. 11-15 ursprünglich gewesen sein dürften, ist wahrscheinlicher; vgl. gut z.B. Hasel 1991, S. 13-17 mit Verweis auf viele weitere Exegeten, die dieser Ansicht sind; so danach z.B. auch Paul, Garrett, Carroll. V. 12 allerdings ist sicher jünger als das Gros des Amosbuches; die Vorstellung von einem israelitischen Großreich, das auch viele andere umliegende Nationen beherrschte, gehört nicht ins 8. Jhd. Wegen dem unterschiedlichen Stil von Vv. 11.12 ist vermutlich außerdem Vv. 11f. nicht einheitlich (so viele, z.B. Maag, Wolff; Kellermann 1969, S. 173; Weimar 1981, S. 75; Terblanche 1997, S. 314; Rottzoll 1996, S. 279), und da weiters erstens V. 12 von V. 11 abhängt, zweitens V. 11 allein kaum Abschluss des Amosbuches gewesen sein kann und drittens der Grund für eine Einfügung nur von V. 11 vor Vv. 13-15 sich nur schwer erklären ließe, ist das wahrscheinlichste Szenario das, dass ursprünglich das Amosbuch abschloss mit Vv. 11.13-15 und später V. 12 hinzugefügt wurde, um damit V. 11 umzuinterpretieren.
Ist V. 11 also immerhin „relativ“ alt, muss man neben die Deutung (3) nun Leonard-Fleckman 2016 legen. Dass die Davids-Tradition nicht der historischen Realität entspricht, ist klar; ein „davidisches Großreich“, wie es in der Bibel erscheint, gab es nie. Während die meisten aber davon ausgehen, dass die Davidslinie historisch gesehen ein Herrschergeschlecht war, das ins Südreich zu verorten ist, glaubt LF, dass in den ältesten Traditionen, die entweder älter als das Amosbuch sind oder in etwa die selbe Zeit zu datieren wären wie das Gros des Amosbuches, „Haus Davids“ kein Ausdruck für eine „judäische davidische Dynastie“ war, sondern für den Clan Davids, der als herrschende Sippe v.a. ins Nordreich zu verorten wäre (vgl. ansatzweise auch schon Leonard-Fleckman 2015). Hat sie damit Recht – und mir (S.W.) scheint, das ist der Fall –, und ist V. 11 älter als V. 12, darf man bei „Hütte=Haus Davids“ nicht an ein davidisches Großreich denken (was ohnehin klar ist), tatsächlich aber auch nicht einmal an die Vorstellung eines vereinten Königreichs aus Israel + Juda. Gemeint wäre erst einmal nur: Das Nordreich wird auf eine bestimmte Weise wiederhergestellt werden. Und wie es wiederhergestellt werden soll, das sagen dann Vv. 13-15. (Zurück zu v.11)
wIn V. 11b-d stehen drei unterschiedliche Personalpronomen. Am besten so zu erklären: „deren“ (fem. pl.) bezieht sich auf die mehreren Angehörigen des „Clans Davids“ / der „Dynastie Davids“ (s. vorige FN), die gemeinsam die „Hütte Davids“ (fem. sg.) bilden. seine bezieht sich auf David, sie (fem. sg.) auf die Hütte selbst (so oder ähnlich z.B. Nogalski 1993b, S. 417; Jeremias, Kessler). Ist das richtig – und eine bessere erklärung für das Pluralpronomen in 11b gibt es bisher nicht –, folgt daraus eben für 11a, dass „Hütte Davids“ ein Kollektiv bezeichnen muss (wie einen Clan oder eine Dynastie) und eher nicht eine Stadt oder einen Tempel bezeichnen wird.
Textkritik: LXX übersetzt alle Pronomen gleich. Die meisten wollen nach LXX auch den heb. Text „korrigieren“, so dass stets Fem. Sg. stünde (so auch noch BHK, BHS, Hammershaimb, Rudolph, Eidevall). Aber LXX kann nicht guten Gewissens als Textzeuge für einen anderslautenden heb. Text genommen werden: Auch VUL, Tg und Syr setzen klar MT voraus, der auch durch Mur88 gestützt wird, haben diesen aber auf verschiedene Weisen vereinfacht. Sehr wahrscheinlich ist auch der Wortlaut von LXX nur die simpelste Vereinfachungsstrategie für den schwierigen MT (richtig BHQ, S. 88*). (zu v.11)
xbauen, d.h. „wiedererbauen“. Zum Wiederaufbau von Ruinen s. zu Ijob 3,14. (Zurück zu v.11 / zu v.14)
yin Besitz nehmen ist der selbe Ausdruck, der in Dtn und Jos auch häufiger für die Inbesitznahme des gelobten Landes verwendet wird. Das gelobte Land wird also expandieren. (Zurück zu v.12)
ztFN: entweder (1) „den Rest von Edom und von allen Völkern“ oder (2) „den Rest von Edom und außerdem alle Völker“. (1) z.B. NL: „Und Israel wird besitzen, was von Edum und all den Völkern, die ich zu meinem Eigentum berufen habe, übrig ist“; (2) z.B. GN: „Die Leute von Israel werden dann den Überrest von Edom in Besitz nehmen und ebenso alle Nachbarländer, über denen einst [?] mein Name ausgerufen wurde.“ Für (1) wird ins Feld geführt, dass nur „Rest“ durch den Objektmarker `et eingeleitet ist, so dass „Rest“ die beiden heb. Genitive „Edoms“ und „aller Völker“ zu regieren scheint. So z.B. Wolff, Carroll, Kessler. Aber ganz richtig Rudolph: Die selbe Asymmetrie von `et vs. nicht-`et fand sich direkt im Vers zuvor; das ist ein sehr schwaches Indiz. Für (2) wird ins Feld geführt, dass man dann stattdessen auch vor „alle Völker“ ein „Rest“ erwarten würde (z.B. Nägele 1995, S. 170; so auch Rudolph, Paul, Eidevall), aber das ist dann nicht wahr, wenn Edom und die anderen Fremdvölker nicht als zwei Teilmengen verstanden werden, sondern insgesamt als „nicht-israelitische Masse“, von der insgesamt nur noch ein Rest übrig ist. Dieses Indiz ist also ebenso schwach. Die Akzente sind auch nicht aussagekräftig: Bei Wortfolgen, in denen auf eine Akzentgruppe im St. cstr. zwei koordinierte Akzentgruppen folgen, die beide klar von der ersten regiert werden, sitzt der trennende Akzent regelmäßig ungewöhnlicherweise wie hier nicht auf der ersten, sondern auf der zweiten Akzentgruppe, wie das auch der Fall wäre, wenn die koordinierte dritte Akzentgruppe nicht von der ersten regiert würde. Bspp: Gen 2,4: „Geschichte von-Himmel | und-von-Erde“; Gen 19,28: „Oberfläche von-Sodom | und-von-Gomorra“; Gen 49,25: „Segnungen von-Brüsten | und-von-Mutterleib“ (vgl. Spanier 1927, S. 37). Beide Auflösungen sind also gleichermaßen möglich. (Zurück zu v.12)
aawelche bezieht sich nach den Akzenten nicht nur auf die Völker, sondern auch auf Edom. Zum mutmaßlichen Grund, warum Edom hier eigens genannt wird, s. zu Am 1,11. (Zurück zu v.12)
abüber die ausgerufen ist mein Name - was sonst nur für Israel gilt: Israel ist „das Volk Gottes“, insofern ist Israel das Volk, über das Gottes Name gerufen ist (vgl. bes. Timmer 2019; s. Dtn 28,9f.; 1 Kön 8,43; 2 Chr 7,14; Jes 43,6f.; 63,19; Jer 7,10; 14,9; Dan 9,18f.; auch Jer 15,16. Man sieht übrigens schon daran, wo diese Parallelen stehen, dass die Phrase und die entsprechende Vorstellung sehr wahrscheinlich jünger sind als das Amosbuch). Trotzdem die Fremdvölker hier also derart positiv Gott zugeordnet werden wie an kaum einem anderen Ort Im AT, lässt sich „in Besitz nehmen“ kaum anders als militärisch verstehen (gegen Timmer); Objekt des „in-Besitz-Nehmens“ sind ja nicht die Gegenden, sondern die Völker selbst einerseits und gerade der Rest Edoms, also die am Leben gebliebene Bevölkerung. Vgl. dann bes. nah 2 Sam 12,28: Die Völker werden demnach von Israel unterworfen und Israel einverleibt werden – was für sie aber gut sein soll: Durch die Vermittlung Israels würden sie so zu Kolonien der Gnade Gottes.
Eine sehr schöne alternative Auslegung steht in t.Jad ii 8; b.Ber 27b-28a; Midrasch Ein Yaakov 28a: Als ein Ammoniter darum bittet, Jude werden zu dürfen, wird ihm dies zunächst gemäß Dtn 23,4 verwehrt. Doch Rabbi Joschua setzt sich für ihn ein: „Hat nicht Sennacherib, der König Assyriens, vor langer Zeit alle Völker miteinander vermischt?“ – und auf dieser Basis wird dem Ammoniter „sogleich doch erlaubt, vollgültiger Jude werden zu dürfen“. „Sie werden die die Völker in Besitz nehmen“ wäre nach dieser Auslegung geradezu ein Ausdruck für ein jüdisches Weltbürgertum: Durch die assyrische Gefangenschaft wären alle Völker von Israel durchsäuert worden wie Brotteig, so dass nun alle Völker rechtmäßig als Juden angesehen werden können. S. dazu noch Jes 56,6-8. Sehr ähnlich wird der Vers auch in Apg 15,14-17 verstanden, wo er freilich in der Version der LXX zitiert wird, die hier mehrere Wörter falsch deutet. (Zurück zu v.12)
acMindestens V. 12 ist sicher jünger als das Gros des Amosbuches: Die Vorstellung von einem Großreich „in der Vorzeit“, in dem Israel die umliegenden Nationen beherrscht hätte, ist deutlich jünger als die Abfassungszeit des Amosbuches. S. noch zu 11a.
tFN: V. 12 muss nicht im Us. zu V. 11 als Prosa aufgefasst werden, wie viele denken, die V. 12 für sekundär halten: Dafür sprechen weder die Akzente noch die Silbenzahlen, und mit dem Rückbezug sowohl durch `ašer („über“) als auch durch -hem („welche“) sind 12ab kohäsiv genug, um gut Poesie sein zu können. 12c wäre strophenschließendes Monokolon, was auch ganz gewöhnlich in der heb. Poesie ist. Dennnoch passen Vv. 11.12 in solchem Maße kolometrisch nicht zusammen, dass die beiden Verse sehr wahrscheinlich nicht einheitlich sind, wonach nur V. 12 offensichtlich eine spätere Ergänzung wäre. Auch dazu s. zu 11a. Ursprünglich wären also Vv. 11.13-15 ein Abschnitt gewesen; nach der Einfügung von V. 12 muss man aber Vv. 11-12.13-15 als zwei Abschnitte mit je eigener Gottesspruch-Formel ansehen. (Zurück zu v.12)
adTage kommen - Selbe Formulierung wie in Am 4,2; 8,11. Fast ebenso zu analysieren: Klangspiel: jamim ba`im, „Tage kommen“. Kommen ist Partizip, nicht Yiqtol, was verwendet würde, wenn hier etwas über die Tage vorausgesagt würde. Gottes Entscheid steht bereits so fest, das schon damit die Tage bereits jetzt am Kommen sind. Exakt gleich Jer 30,3; Ez 30,9; Sach 11,6. Daher auch die doppelte Hervorhebung des Ausspruchs mit „siehe“ und der folgenden eingeschobenen Gottesspruch-Formel. (Zurück zu v.13)
aeDer Schnitter hat also so viel zu ernten, dass er selbst zur Zeit, da eigentlich gepflügt werden würde, noch nicht fertig ist mit seiner Ernte (so schon Raschi). Alternativ wie LUT: „...dass man zugleich ackern und ernten, zugleich keltern und säen wird“; ähnlich BB + GN: „...da werden die Schnitter schon zur Ernte antreten, kaum dass der Pflüger seine Arbeit beendet hat, und an die Weinlese schließt sich sogleich die nächste Aussaat“. Die Klimazone Israels hätte sich also derart gewandelt, dass man z.B. nicht nur zur Erntezeit ernten und zur Zeit der Aussaat säen können wird. So auch schon b.BB 16a. Das ist aber erstens ein schwächeres Bild und passt zweitens nur schwer zum Verb. Gut HfA: „Dann mähen die Arbeiter noch das Getreide ab, wenn der Bauer schon kommt, um den Acker wieder zu pflügen. Man tritt die Trauben noch in der Kelter, obwohl die Zeit der Aussaat schon wieder begonnen hat.“ (Zurück zu v.13)
afDer Weintraubentreter - d.h. der Kelterer; Traubensaft wurde im Alten Israel und noch in der jüngsten Vergangenheit gewonnen, indem die Trauben in einer Kelter mit den Füßen zerstampft werden. Auch diese werden selbst dann noch nicht mit dem Keltern fertig sein, wenn bereits die Pflanz-Zeit wieder angebrochen ist. (Zurück zu v.13)
agSamen-Pflanzer (Samen-Strecker?, [für-]Samen-Zieher?) - Der „Pflanzer / Strecker / Zieher“ ist heb. der mošek. mašak („ziehen, strecken“) ist ein häufiges Wort, wird aber nur hier in dieser Bed. verwendet. Erschlossen hat man sich als Bed.: (1) Der „Zieher“ von Rillen in den Boden, in die Traubensamen fallen gelassen werden, (2) der „Strecker“ seines Arms beim Ausstreuen der Traubensamen, (3) der „Herauszieher“ von Samen aus einem Beutel für Saatgut, (4) das Verb sei abzuleiten vom Nomen mešek („Beutel“), der mošek ist also wie bei (3) der „mit einem [Saatgut]-Beutel Umgehende“. Befragt man Winzer, sind (1) und (2) unmöglich: Traubensamen gehen nicht auf, wenn man sie einfach in Rillen fallen lässt und dann mit Erde bedeckt oder wenn man sie gar „den Arm streckend“ auf den Boden streut. Ohnehin wachsen Reben besonders gut, wenn man ihnen jeweils Stützpfähle gibt; ob mit oder ohne Stützpfahl müssen aber entweder Traubensamen entweder einzeln ordentlich in die Erde gedrückt werden (wie heute v.a. beim Weinbau in Amerika) oder es werden gleich Reb-Setzlinge in den Boden gepflanzt oder ältere Rebstöcke mit ihnen veredelt (wie heute v.a. beim Weinbau in Europa, was übrigens der Grund für den besseren Geschmack europäischer Weine ist). Beides wurde im Alten Israel praktiziert; zum Pflanzen von Samen s. Midrasch Tanḥuma 58,15: „Woher bekam [Noah den Wein]? – Von für die Arche gesammelten Samen. [Die] nahm er und säte“, zum Pflanzen von Setzlingen Midrasch BerR 34,3: „[Noah] nahm sich Triebe (zemorot) und Setzlinge (neṭi´ot) und [auch] Feigen-Reiser (jiḥurim) und Hopfen-Pflänzlinge (gerofijot) [mit in die Arche].(Für BerR ist Noah also übrigens nicht nur Wein-, sondern auch Biertrinker. Und darüber hinaus entweder auch noch Feigenwein-Trinker, oder die Feigen werden hier nur genannt, weil Feigenbäume üblicherweise in Weingärten gepflanzt wurden, nicht auf Streuobstwiesen. S. Lk 13,6; auch Hld 2,13). Möglich sind also Deutung (3) und (4); beides setzt die „amerikanische“ Weise des Weinbaus voraus. (Zurück zu v.13)
ahtFN: triefen (triefen lassen) - entweder sind die Weinbauern Subjekt des Verbs, die die Berge „von Wein triefen lassen“, oder die Berge selbst, die den Most ebenso „hervortriefen lassen“, wie Amos in Am 7,16 seine Predigt „hervortriefen lässt“, oder dies ist nach Am 2,8.13.15; 4,3.7; 8,3 ; 9,10 (2x) und vielleicht Am 5,3 der letzte „intransitive Hifil“ im Amosbuch; dann „tröffen die Berge vor Most“. Hier wäre dies bes. deutlich; in der fast exakten Parallele Joel 4,18 steht das Verb stattdessen im Qal. Insgesamt sind es also ganze neun / zehn Verben, bei denen sich die Annahme eines solchen intransitiven Hifils nahe legt – das sind in diesem kurzen Buch so viele, dass wir es hier wirklich mit einer Stileigentümlichkeit des Amos zu tun haben dürften. (Zurück zu v.13)
aiAlle Hügel zerfließen, verflüssigen sich also geradezu. Hier aber nicht infolge eines Erdbebens, sondern infolge des Übermaßes an Wein, der auf ihnen gekeltert wird. B-R („sie lockern sich nieder“) wohl wie Rudolph und Jeremias, die „sie schmelzen“ als Bild für „sie weichen auf“ verstehen: Most fließt in solchen Mengen die Hügel herab, dass – ja, was eigentlich? Dass durch den Most die Steine auf den Hügeln zur fruchtbaren Erde werden? Das ist klar abzulehnen. NeÜ („sie wogen“) nach Paul, erwogen auch von Kessler: „sie zerfließen“ soll ein Bild dafür sein, die ganzen Hügel bewachsen sind von wogenden Getreideähren und daher aus der Ferne betrachtet geradezu flüssig zu sein scheinen. Ähnlich schon LXX: „sie sind dicht bewachsen“, VUL + Tg: „sie werden bebaut“; nach diesen dann wohl auch LUT 45 und immer noch LUT 17: „... und alle Hügel werden fruchtbar sein“. (Zurück zu v.13)
ajAnders als in Am 5,11. Der Vers ist aber noch reicher: „ihnen“ bezieht sich nicht auf die Weinberge und Gärten (so z.B. Rudolph: „deren Wein“ + „deren Früchte“, BB + LUT: „Wein davon“ + „Früchte daraus“), denn die Gärten sind fem., „ihre“ in „ihre Früchte“ dagegen mask. „ihnen“ bezieht sich demnach wie auch die drei „ihnen“ in 15a-c, die im Heb. alle am Zeilenende stehen, stattdessen auf die Bauern (in einigen MSS wurde das Suffix -hem, „ihre“, in 14d daher korrigiert zum fem. -hen, was aber sicher sekundär ist). Gut dann Weippert 1985, S. 20: Betont wird hier auch: „Sie werden ihren Wein selbst trinken und ihre Früchte selbst essen“: „Auf dem Hintergrund der Sozialkritik im Amosbuch könnte man geneigt sein, dies als Aufhebung der Ausbeutung aufzufassen: Nicht mehr Getreidesteuern [...] oder betrügerisch mit Getreide [...], Korn [...] und selbst dem Kornabfall [...] spekulierende Händler (8-4-7) würden demnach den Ertrag aus der Bauernarbeit schmälern. [...H]ier geht es um den gesegneten Bauernschweiß, der endlich bekommt, was ihm zusteht, nämlich den Ertrag aus seiner Arbeit.“ Gut dann NL: „Sie werden ihre eigenen Feldfrüchte essen und ihren eigenen Wein trinken.“ (Zurück zu v.14)