2 Sam 22, Ps 18 und die Textkritik des Alten Testaments

Aus Die Offene Bibel

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In 2 Sam 22 und Ps 18 findet sich zwei Mal das selbe (mit 51 Versen recht lange) Gedicht. Beide Versionen unterscheiden sich sehr deutlich, nämlich nach einer Berechnung von Clines 2012, S. 213 bei mehr als jedem vierten Wort. Weil damit die Textkritik der beiden Kapitel sehr komplex ist und sie sich wie kein anderes Kapitel in der Bibel für eine Einführung in die Textkritik der hebräischen Bibel eignen, soll auf dieser Seite beides dargeboten werden: In Abschnitt 1 wird kürzestmöglich in die Textkritik eingeführt, um diese dann in Abschnitt 2 anhand dieser beiden Kapitel vor- und durchzuführen.

Einführung: Textkritik des Alten Testaments[Bearbeiten]

Die Offene Bibel übersetzt die im Hebräischen erhaltenen Bücher aus dem sogenannten „Kodex Leningradensis“, der – neben dem „Kodex Aleppo“ – ältesten Handschrift, die den gesamten jüdischen Textkanon überliefert. Ersterer stammt aus dem Jahr 1009 n. Chr., letzterer aus dem Jahr 925 n. Chr. Beide Handschriften sind damit teilweise weit über 1000 Jahre jünger als die Texte, die sie überliefern. Neben diesen beiden Handschriften gibt es eine große Zahl weiterer hebräischer und aramäischer Handschriften älteren Datums, in denen ebenfalls Teile dieser Texte überliefert sind; außerdem existiert eine Reihe von sehr alten Übersetzungen, die zwischen dem 3. Jh. v. Chr. und dem 5. Jh. n. Chr. entstanden sind.
Sehr häufig differieren diese „Textzeugen“. Sehr grob lassen sich solche Differenzen auf drei Weisen erklären:

  1. Vor der schriftlichen Fixierung der biblischen Texte wurden diese lange Zeit mündlich tradiert. Im Verlauf dieser Tradierung konnten unterschiedliche Varianten entstanden sein, die dann in unterschiedlichen Verschriftlichungen Eingang gefunden haben.
  2. In den (viel häufigeren) Fällen, in denen man davon ausgehen kann, dass die unterschiedlichen Varianten einer Textstelle auf einem einheitlichen „Urtext“ basieren, können diese Varianten durch Lese- und Schreibfehler entstanden sein und sich dann im Verlauf der Textgeschichte verselbstständigt haben.
    Ein Beispiel: Nehmen wir an, ein Tiroler Autor habe „Ich fahre nach Bozen“ schreiben wollen, aus Versehen aber „Ich fahre nach Bouzen“ (Variante a) geschrieben. Nehmen wir weiter an, ein Schreiber habe dies korrigiert nach „Ich fahre nach Bozen“ (Variante b), ein zweiter Schreiber dagegen nach „Bautzen“ (Variante c). Nehmen wir schließlich an, ein italienischer Übersetzer habe den Text mit Variante b vorliegen gehabt und daher „Bolzano“ übersetzt, ein französischer Übersetzer dagegen den Text mit Variante c als „Budisse“ übertragen. Vergliche nun jemand die fünf Texte, fänden sich die drei Varianten (a) „Bouzen“, (b) „Bozen“ + „Bolzano“, (c) „Bautzen“ + „Budisse“. Dies ist die Situation, mit der man sich am häufigsten bei der Textkritik des AT konfrontiert sieht.
  3. Der Text könnte bewusst geändert worden sein. Ein besonders deutliches Beispiel dafür ist der Dekalog im „Samaritanischen Pentateuch“, s.u. Eine ganze Reihe subtilerer bewusster Textänderungen sieht man in 2 Sam 22/Ps 18 z.B. in V. 18.

Die Aufgabe der Textkritik ist es, die Varianten einer Textstelle zu sammeln und zu erklären, wie sie zustande kamen, um so idealiter beurteilen zu können, ob man von ihnen auf eine gemeinsame Vorlage schließen kann, die dann der früheste erreichbare Wortlaut des biblischen Textes ist. Beim obigen Beispiel zu (2) etwa könnte ein Textkritiker aus den ihm vorliegenden Varianten folgern, dass sich die drei Varianten am leichtesten so erklären lassen, dass Variante b und Variante c aus Variante a entstanden sind („Bozen“ <= „Bouzen“ => „Bautzen“), und aus der Tatsache, dass die Zeile von einem Tiroler stammt, folgern, dass er statt dem sinnlosen „Bouzen“ vermutlich wirklich „Bozen“ hatte schreibe wollen.

Grundlage der Arbeit eines Textkritikers ist daher der Umgang mit den unterschiedlichen „Textzeugen“ der hebräischen Bibel: Schritt 1 der Textkritik ist das Sammeln Textvarianten aus diesen Textzeugen, die im nächsten Abschnitt knapp beschrieben werden. Dem Zweck, dass nicht jeder Textkritiker dies von Neuem und selbst tun muss, sollen die kritischen Editionen des hebräischen Texts dienen (s. gleich), die viele dieser Varianten bereits an einem Ort gesammelt und teilweise bewertet haben (aber s. dazu noch mal Abschnitt 1.1.3). Schritt 2 ist die Bewertung dieser Varianten, also die Abwägung, wie es z.B. zum Gegeneinander von Varianten wie „Bozen“ vs. „Bautzen“ gekommen sein kann und was danach vermutlich der ursprüngliche Wortlaut gewesen ist (s. dazu den Abschnitt 1.2).

Die Textzeugen des Alten Testaments[Bearbeiten]

Hebräische und aramäische Textzeugen[Bearbeiten]

Masoretischer Text[Bearbeiten]

Wie gesagt ist vor der schriftlichen Fixierung der biblischen Texte eine längere Phase der mündlichen Tradierung derselben anzusetzen (s. auch unten). Wann genau die Phase der mündlichen von der der schriftlichen Tradierung abgelöst wurde, ist unsicher; die ersten erhaltenen schriftlichen Belege sind Kleinst-ausschnitte aus dem Buch Numeri aus dem frühen 6. Jh. v. Chr. Sicher ist aber, dass etwa ab dem 3. Jh. v. Chr. diese Verschriftlichungen schon zu Schriftsammlungen zusammengefasst wurden, die man bereits zu dieser Zeit grob aufteilte in die drei Gruppen „Torah“, „Propheten“ und „Schriften“ (s. Sir 38,34-39,1; 2 Makk 2,13-15). Sicher ist außerdem, dass in dieser Anfangszeit der schriftlichen Fixierung diese Verschriftlichungen noch recht divergent waren, sich dann zu mehreren Tradierungs-„familien“ verselbstständigten, ab dem 1. Jh. v. Chr. und dann besonders stark im 1. Jh. n. Chr. aber diese Tradierungsfamilien selbst in nicht-hebräischen Texten vereinheitlicht wurden zu einer Standard-Version.
Man kann es sich mit dem obigen Beispiel so vorstellen, dass Varianten a-c immer weiter vervielfältigt wurden, bis Variante a in einer Personengruppe A und Variante b in den beiden Personengruppen B und Z zirkulierten. Variante c war nicht sehr beliebt, aber bei den Personengruppen A und Z bekannt, so dass diese beiden Personengruppen (nicht aber Personengruppe B) sie gelegentlich statt „ihrer“ Variante in eine neue Abschrift des Satzes übernahmen. Spätestens im 1. Jh. n. Chr. wäre aber Variante a dabei, Hegemonie zu erlangen (nicht: „hatte Variante a Hegemonie erlangt“; wie man ja schon an Vulgata, Peschitta und den rabbinischen Texten sieht (s.u.), dauerte dieser Prozess mehrere Jahrhunderte), weshalb ohnehin Personengruppe A, aber auch die Mehrheit aus den Personengruppen B und Z in jüngeren Versionen ihrer Schriften zunehmend die Varianten b und c zu a korrigieren würden.
Würde einige hundert Jahre später ein Forscher viele Abschriften unseres Beispielsatzes in die Hände bekommen, könnte er also feststellen, dass sich (1) in älteren Texten von Gruppe A besonders häufig „Bouzen“ und gelegentlich „Bautzen“ findet, (2) für Gruppe B nur „Bozen“ und (3) für Gruppe Z ebenfalls besonders häufig „Bozen“, gelegentich aber auch „Bautzen“, (4) und dass ab einem bestimmten Zeitpunkt von allen Personengruppen immer häufiger „Bouzen“ geschrieben worden wäre. Personengruppen A, B und Z in diesem Beispiel wären in der Fachsprache „Täger-“ oder „Tradierungskreise“, die Dokumente , auf denen sich die Abschrift unseres Satzes findet, „Handschriften“ oder „Manuskripte“ (kurz „MSS“ oder „mss“), die „Varianten“, die sich in ihnen finden, „Lesarten“ und jeweils die Gruppen von Manuskripten, auf denen sich je die Varianten a, b oder c finden, „Texttypen“.
Der sog. „masoretische Text“ ist einer dieser Texttypen und als solcher weder der wichtigste noch der richtigste. Um die Zeitenwende aber war es dieser Texttyp, der sich gegenüber vielen anderen Texttypen durchzusetzen begann; ab dem 1. Jhd. n. Chr. wurde als der hebräische Text der Bibel überwiegend und auch in Übersetzungen desselben immer häufiger dieser Texttyp tradiert.

Im Verlauf der Tradierung wurden einige Änderungen an den Texten vorgenommen, die wieder Grund für Divergenzen zwischen Manuskripten dieser Textfamilie sein konnten. Ursprünglich war das hebräische eine phonetische Konsonantenschrift. D.h.: (1) Ausschließlich die Konsonanten der hebräischen Wörter wurden aufgeschrieben, die Vokale musste sich ein Leser hinzudenken. (2) Anders als heute gab es zu dieser Zeit keine Lexika oder standardisierte Schreibweisen; geschrieben wurde, wie die Konsonanten des Wortes sich ungefähr anhörten (s. dazu u. unter „Gründe für Unterschiede zwischen Textzeugen...“).
Um das Ergänzen der Vokale beim Lesen zu erleichtern, erfand man schon recht früh das System der „Matres lectionis“: Die vier Konsonanten Aleph, He, Waw und Jod wurden zusätzlich zu den „eigentlichen“ Konsonanten in den Text eingefügt, um nicht als tatsächliche Konsonanten zu dienen, sondern um zu markieren, dass hier ein bestimmter Vokal zu lesen sei. Diese Einfügung erfolgte aber nicht immer konsequent; einer der häufigsten Unterschiede zwischen Manuskripten des masoretischen Textes sind Unterschiede beim Einsatz oder Wegfall von Matres lectionis. Wird eine solche Mater lectionis gesetzt, spricht man von „Scriptio plena“, wird sie nicht gesetzt, von „Scriptio defectiva“. Erst ab dem 6. / 7. Jh. n. Chr. erfand man eindeutigere Systeme zur wirklichen „Vokalisierung“ hebräischer Texte. Das in den biblischen Texten zum Einsatz kommende „tiberische Punktationssystem“ wurde gar erst ab dem 7./8. Jh. verwendet, das älteste vollständig erhaltene Bibel-Manuskript, in dem dieses zum Einsatz kommt, stammt aus dem 10. Jh. Etwa zeitgleich wurde der Text außerdem angereichert um „Akzente“, eine Art System zur Notation der Prosodie der Texte – also zur Anzeige, welches Wort wo betont wurde und welche Worte als eng zusammengehörig als „Phrase“ gesprochen wurden. Erst durch diese Akzente wurde auch eine Gliederung des Bibeltexte in Verse schriftlich festgehalten.
Streng genommen nennt man nur Handschriften, die alle diese Merkmale aufweisen, „masoretische Texte“. Hebräische Handschriften älteren Datums dagegen werden allgemein bezeichnet als „vormasoretische Texte“, hebräische Handschriften älteren Datums, die zur selben Textfamilie gehören wie der masoretische Text, „protomasoretische Texte“.
Die Aufteilung der biblischen Texte in Kapitel schließlich wurde erst im 13. Jh. von Kardinal Hugo in die Vulgata (s.u.) eingeführt und von dort im 15. Jh. in den masoretischen Text übertragen.

Von diesem im Laufe der Zeit immer wieder abgeschriebenen und überarbeiteten Text sind die oben genannten Codices „Aleppo“ und „Leningradensis“ zwei Handschriften von vielen und wieder nicht die richtigsten Handschriften (aber s. gleich), aber insofern die wichtigsten, als sie die ältesten sind, die den gesamten Text der hebräischen Bibel enthalten /enthielten. Neben diesen beiden Codices sind einige ältere, aber nur fragmentarische und viele ebenfalls vollständige, aber jüngere Manuskripte erhalten. Weil es auch zwischen Codex Aleppo und Codex Leningradensis und auch zwischen diesen beiden und den anderen Manuskripten viele Unterschiede gibt, veröffentlichte Benjamin Kennicott 1776-80 sein zweibändiges „Vetus Testamentum Hebraicum, cum Variis Lectionibus“ (Band 1, Band 2) und Giovanni Bernardo De Rossi 1784-88 sein fünfbändiges Nachfolgewerk „Variae Lectiones Veteris Testamenti“, in denen jeweils mehrere hundert Handschriften und Bibelausgaben miteinander verglichen wurden (Links zu Band 1, Band 2, Band 3, Band 4, Band 5). Ein vergleichbares Werk, in dem zwar wesentlich weniger Handschriften (75) ausgewertet, dafür aber anders als bei Kennicott und De Rossi auch Unterschiede in der Akzentuierung notiert wurden, veröffentlichte danach nur noch David Christian Ginsburg; bis heute ist man also auf diese „Kollationen“ angewiesen.

Betont werden muss an dieser Stelle noch einmal, dass es sich beim masoretischen Text wirklich um einen Text-Typ handelt. Die masoretischen Texte, die uns ab dem 10. Jahrhundert erhalten sind, gehören alle zu diesem Texttyp, gliedern sich aber wieder in mehrere Textfamilien diesen Texttyps. Ein Beispiel: Sheppard hat Anfang des 20. Jhd.s die Psalmen-Varianten aus 23 englischen Handschriften kollationiert und drei MT-Gruppen identifiziert: Eine „orthodoxe“, zu denen z.B. Codex Aleppo und Codex Leningradensis gehören, eine „heterodoxe“, die er offenbar mit der ben-Naftali-Tradition identifizieren will, und eine „irreguläre“, die „probably preserves some of the oldest accentual traditions“ (Sheppard 1932, S. 267; z.B. Ginsburg 7 (Add. 21161), 13 (Harley 5711), 17 (Add. 15250), 22 (Harley 1528), 34 (Add. 15252), 36 (King's 1), 37 (Harley 5774), 64 (Harley 5715)).
Sehr grob kann man die Texte nach ihrer Herkunft einteilen in die orientalischen, byzantinischen, jemenitischen, italienischen, sefardischen (=v.a. spanischen) und aschkenasischen (=einerseits deutschen, andererseits französischen + englischen) Handschriften. Diese Handschriften werden erst seit Kurzem gründlicher auch nach Herkunft erforscht; klar ist mittlerweile aber, dass die berühmten Codices Cairo, Aleppo und Leningradensis zunächst einmal nur eine Text-Familie sind und dass es z.B. unter italienischen und aschkenasischen Handschriften, an der gerade am intensivsten geforscht wird, auch eine oder mehrere mit dieser „ben Ascher-Tradition“ nur entfernter verwandte Familie(n) gibt, die zwar nicht in ebenso alten Handschriften belegt ist/sind, bei denen aber z.B. Raschi zeigt, dass sie mindestens so alt sein muss/müssen wie die ben Ascher-Tradition. Ähnliches ergäbe sich aus Sheppards Liste: Sechs seiner oben aufgezählten Handschriften sind sefardische Handschriften aus dem 14. Jhd., die danach also ebenfalls zu einer eigenen Familie gehörten.
Es ist wahr, wenn Goshen-Gottstein schreibt, dass die Chancen, in mittelalterlichen Manuskripten auf vor-masoretische Lesarten zu stoßen, wegen der Geschichte des masoretischen Textes denkbar gering ist. Dass die Hebrew University Bible sich aber aus diesem Grund neben der Auswertung der Handschriften aus der Cairo Genisa mit ganzen vier (!) sämtlich aschkenasischen Handschriften begnügt und dass die BHQ aus dem selben Grund gleich ganz darauf verzichten zu können glaubt, mittelalterliche Handschriften außerhalb der ben Ascher-Tradition zu sichten, lässt sich schwerlich rechtfertigen: Der Vergleich von MT-Handschriften dient nicht der Rekonstruktion von vor-masoretischen Lesarten, sondern der Identifikation inner-masoretischer Differenzen, die dann gegeneinander abgewogen werden müssen. Und hier ist es bei der ben Ascher-Tradition nicht wahrscheinlicher als bei den anderen Textfamilien, dass sie ursprünglichere Varianten des masoretischen Texttyps bewahrt. Recht eigentlich ist es sogar unwahrscheinlicher, da ben Ascher ja explizit ein Programm und eine Systematik formuliert, nach dem und nach der seiner Meinung nach der masoretische Text zu vereinheitlichen sei. Eine Arbeit mit den drei genannten Kollationen ist in der Textkritik also nicht verzichtbar, ist aber insofern noch komplizierter geworden, als heute klar ist, dass für eine sinnvolle Auswertung dieser Kollationen eigentlich auch eine MT-Textkritik betrieben werden müsste. Dafür fehlt bisher aber noch das nötige handschriftenkundliche Handwerkszeug für den Textkritiker.

Der Codex Leningradensis ist die Textbasis der kritischen Edition der „Biblia Hebraica Stuttgartensia“, von der gerade die Neuauflage „Biblia Hebraica Quinta“ in Arbeit ist und an der sich die Offene Bibel orientiert. Der Codex Aleppo dagegen ist die Textbasis der HUB. Ein drittes Editionsprojekt ist die „Oxford Hebrew Bible“, die sich nicht an einem bestimmten Manuskript orientiert, sondern versucht, aus den verschiedenen Textzeugen den am wahrscheinlichsten ursprünglichen Text zu rekonstruieren. Bisher ist erst ein Band erschienen.

Exkurs: Die masoretischen Akzente und die Textkritik[Bearbeiten]

Die masoretischen Akzente werden bisher noch fast gar nicht für textkritische Fragen fruchtbar gemacht. Wahrscheinlich ist das ein Fehler. Eingangs drei klar sekundäres Beispiele für die textkritische Relevanz von Akzenten. Das erste ist sehr einfach: In Hos 2,18 haben z.B. die Codices Reuchlianus 3 und Erfurtensis 3 die umögliche Akzentfolge Merka – Merka – Tifcha: ולֽא־תקרא֥י ל֥י ע֖וד בעלֽי׃ (unmöglich ist die Akzentuierung deshalb, weil dort, wo Tifcha zwei Servi hat, die Akzentfolge stattdessen Darga – Doppel-Merka – Tifcha wäre).

Hos 2,18b im Codex Reuchlianus 3
Hos 2,18b im Codex Erfurtensis 3

Ein Vergleich mit anderen Handschriften zeigt schnell, dass diese Akzentfolge natürlich sekundär ist und warum und wie sie entstanden ist. In den meisten Handschriften nämlich trägt li kein Merka, sondern ist ein drittes Wort in der Maqqef-Akzenteinheit (ein vor Tifcha extrem seltenes Phänomen): ולֽא־תקראי־ל֥י ע֖וד בעלֽי׃. Z.B. im Codex Sassoon 1053:

Hos 2,18b im Codex Sassoon 1053

Außerdem aber ist in manchen aschkenasischen Handschriften die Akzentfolge Merka – Tebir – Tifcha belegt: ולֽא־תקרא֥י ל֛י ע֖וד בעלֽי׃:

Hos 2,18 im Codex Add. 9398
Hos 2,18b im Codex Or 2091

Obwohl Reuchlianus 3 und Erfurtensis 3 älter sind als diese aschkenasische Akzenttradition, ist die in diesen beiden Mss bezeugte Tradition fast sicher so so entstanden, dass ein Schreiber die ungewöhliche Dreier-Maqqef-Reihung aufgelöst hat zu Maqqef – Merka – Tebir, und ein weiterer Schreiber hat dann den Tebir-Punkt übersehen. Vergleicht man dann das Alter der Handschriften und wägt ולֽא־תקראי־ל֥י ע֖וד בעלֽי׃ gegen ולֽא־תקרא֥י ל֛י ע֖וד בעלֽי׃ ab, ist die ursprüngliche Akzentuierung klar die erstere. Die zweite, dann sekundäre, wird direkt Add. 9398 und Or 2091 und indirekt von Reuchlianus 3 und Erfurtensis 3 bezeugt. Dass sie gerade von diesen beiden (recht alten) Textzeugen und gerade indirekt bezeugt wird, zeigt aber gleichzeitig, wie alt die Tebir-Variante sein muss: Spätestens stammt diese Akzenttradition aus dem 11. Jhd., ist also so alt wie einige der ältesten erhaltenen Handschriften.
Hier geht es nur um die Setzung oder Nicht-Setzung eines Maqqefs; die Akzente können aber auch Zeugnis geben von größeren Text-Differenzen. Ein zweites Beispiel, wieder mit der unmöglichen Akzentfolge Merka – Merka: Auch in Hos 1,3b findet sich diese unmögliche Akzentuierungfolge ות֖הר ות֥לד ל֥ו בֽן׃. So z.B. in Add. MS 15252, der „Duke of Sussex Bible“ (an der man übrigens auch schön sieht, wie häufig sich Metheg und Merka graphisch gar nicht auseinanderhalten lassen):

Hos 1,3b im Codex Add. MS 15252

Merka unter lo machte allenfalls dann Sinn, wenn watteled und lo wie im Codex Leningradensis mit Maqqef verbunden wäre; Maqqef fehlt aber in Add. MS 15252 wie in vielen europäischen Handschriften. Auch mit Maqqef aber wäre watteled-lo ein „langes“ Wort, wonach dann Tifcha zur End-Dehnung unter lo statt unter wattahar stünde, nicht Merka. Wie diese Akzentuierung zustande gekommen ist, lässt sich aber am Codex Reuchlianus 3 erkennen:

Hos 1,3 im Codex Reuchlianus

Offenbar gab es in wenigen Handschriften auch eine klar sekundäre Textvariante, in der lo fehlte: ות֖הר ות֥לד בֽן׃. So z.B. auch in der Jenaer Handschrift El. f. 6:

Hos 1,3 im Codex El. f. 6

In beiden Handschriften hat eine zweite Hand dieses -lo am Rand des Textes ergänzt. watteled ohne -lo wäre kein „langes“ Wort, weshalb Enddehung ausbliebe und Tifcha dann in der Tat auf wattahar stünde (Tifcha, nicht Zaqef gadol wie in El. f. 6! Auch diese Akzentuierung ist unmöglich und sicher ebenfalls durch den Ausfall des -lo zu erklären). Die überraschende Akzentuierungstradition in Add. MS 15252 lässt sich dann also am besten so erklären, dass die Akzentuierung als Akzentuierung der kürzeren Textvariante entstanden ist und dann nach Einfügung des lo nicht noch einmal nachträglich korrigiert wurde. Die Text-Variante ohne -lo wäre dann also in Add. MS 15252 nicht bezeugt; die Akzente in dieser MS aber bezeugen sie dennoch, da sie dieser Textvariante entsprechen, nicht dem Text im MS selbst. Wäre nun fraglich, ob die Textvariante ohne -lo ursprünglich sei, würde sie als tatsächliche Text-Variante nur bezeugt durch den Text des Codex Reuchlianus und des Codex El. f. 6, wäre aber indirekt auch bezeugt durch die Akzente in Add. MS 15252.
Ein letztes Beispiel: In Jes 2 enden drei Verse auf einen ein wenig variierten Refrain:

  • V. 10: מפני֙ פ֣חד יהו֔ה ומהד֖ר גאונֽו׃
  • V. 19.21: מפנ֞י פ֤חד יהוה֙ ומהד֣ר גאונ֔ו בקומ֖ו לער֥ץ האֽרץ׃

Eine kleine Gruppe von Handschriften akzentuiert entweder V. 19 oder V. 21 aber anders:

Jes 2,19.21 in Urb. ebr. 2, Hamburg Cod. hebr. 9 und im Codex Reuchlianus 3

Die Erklärung ist sicher die: Die Vorlage des Punktators von Urb. ebr. 2 hatte in V. 21 den selben kürzeren Text wie in V. 10; entsprechend die Vorlage der Punktatoren von Cod. hebr. 9 und Reuchlianus 3 in V. 19. Die drei Handschriften repräsentieren dabei drei unterschiedliche Optionen eines Punktators, mit solchen Problemen umzugehen: Der von Urb. ebr. 2 lässt den Text ganz unpunktiert, der von Reuchlianus 3 versieht ihn mit Sonderzeichen, der von Cod. hebr. 9 ergänzt eigene Akzente, obwohl diese wieder nicht den Regeln des hebräischen Akzentsystems entsprechen. In Urb. ebr. 2 kann man auch von der (fehlenden) Vokalisierung herkommend auf diese defiziente Vorlage schließen; in Cod. hebr. 9 und Reuchlianus 9 dagegen zeugen nur die Akzente von einer solchen Vorlage.

Entsprechende Fälle gibt es auch für nicht derart offensichtlich sekundäre, ältere Textvarianten. Dies wohl deshalb: Für gewöhnlich geht man davon aus, dass die Akzente erst im 6./7. Jh. n. Chr. entstanden, weil sie erst in Handschriften ab dieser Zeit belegt sind. Tatsächlich aber bilden sie eine prosodische Realität ab, die sich zumindest in einer relativen Chronologie zeitlich recht genau einordnen lässt: Wahrscheinlicher sind mindestens die trennenden Akzente – genauer: die prosodische Realitäten, die mithilfe der Akzente festgehalten werden sollen – um das 1. Jh. v. Chr. entstanden und haben sich in den folgenden Jahrhunderten stabilisiert.
Denn (man sei gewarnt, dieser Abschnitt wird sehr technisch): Es gibt einige Akzentkonstellationen, die abhängig sind von der Länge der akzentuierten Wörter, konkreter u.a. davon, ob Vokale zu Schwa reduziert wurden oder nicht: Viele Akzente stehen nur dann an einer bestimmten Stelle, wenn das mit ihnen akzentuierte Wort oder das folgende Wort mindestens zwei Vollsilben vor der Haupttonsilbe hat. Genauer bei den trennenden Akzenten: Enddehnung mit Rebia mugrasch, mit Dechi / Tifcha oder mit Rebia qaton / Ṣinnor vor Silluq, Athnach und Ole wejored kann nur eintreten, wenn das Silluq- / das Athnach- / das Ole wejored-Wort und/oder das Rebia mugrasch- / Dechi- / Tifcha- / Rebia qaton- / Ṣinnor-Wort mindestens zwei Vollsilben vor der Haupttonsilbe hat, und ähnlich kann Enddehnung mit Paschta oder Zarqa vor Zaqef oder Segolta nur eintreten, wenn das Zaqef- oder Segolta-Wort lang ist. Und auf der anderen Seite die relevante Regel für verbindende Akzente: Vor Tebir steht der verbindende Akzent Merka, wenn keine oder eine Silbe (nicht: Vollsilbe) zwischen Merka und Tebir liegt; liegen dagegen zwei oder mehr Silben zwischen beiden Akzenten, steht stattdessen Darga. Nun ist es aber so, dass nach den internen Regeln des masoretischen Akzentsystems bei trennenden Akzenten andere Regeln gelten als bei verbindenden Akzenten: Trennende Akzente setzen eine sprachgeschichtliche Situation voraus, in der später reduzierte Silben im Vor-vorton bereits reduziert waren, später ausgefallene Silben im Vorton aber noch nicht ausgefallen sind. Konjunktive Akzente dagegen setzen eine Situation voraus, in denen auch die Silbe im Vorton bereits ausgefallen war (vgl. Dotan 1987, S. 359 und Park 2019). Daraus lässt sich die relative Chronologie [Reduktion der Vor-vortonsilbe] - [Entstehung / Stabilisierung der trennenden Akzentuierung] – [Ausfall der Vortonsilbe] ableiten.
Diese relative Chronologie kann man noch erweitern und teilweise relativ genau datieren: Der Ausfall der Vortonsilbe muss der Spirantisierung der Begadkefat-Laute vorangegangen sein: Im späteren Hebräisch werden Begadkefat-Laute am Silbenbeginn und am Wortende dann spirantisiert, wenn ihnen ein Vokal vorangeht. Beim Sonderfall des „Schwa medium“ werden sie allerdings auch dort spirantisiert, wo ihnen ursprünglich ein Vokal voranging, dieser dann aber ausgefallen ist und ihnen daher nach diesem Vokal-Ausfall eine Konsonant voranging. Die Reduktion der Vor-vortonsilbe lässt sich erst anfanghaft aus den späten LXX-Übersetzungen des Esra/Neh-Buches aus dem 1. Jh. v. Chr. ablesen, aber deutlich aus den Hexapla-Transkriptionen aus dem 3. Jh. n. Chr. Und die Spirantisierung der Begadkefat-Laute dürfte zwischen das 1. Jh. n. Chr. und das 3. Jh. n. Chr. fallen: Mit ihnen wird man einige Verschreiber von b mit w in Qumranschriften (Bspp. bei Reymond 2014, S. 70f.) und verhältnismäßig weit mehr Verschreibungen von d mit l, b mit t und b mit m in der Hexapla erklären müssen (Bspp. bei Huang 2015, S. 95). Danach scheint man die Entstehung / Stabilisierung der trennenden Akzente also zwischen das 1. Jh. v. und das 1. Jh. n. Chr. datieren müssen.
Das stimmt damit zusammen, dass nach b.Ned 37a und 37b schon Rabbi Jochanan und Rabbi Arika im 2.-3. Jh. n. Chr. und nach b.Ber 62a sogar schon Rabbi Akiba (1. Jh. n. Chr.) von der „Einteilung durch die Akzente“ sprechen. Es stimmt auch damit zusammen, dass nach dem „Lied vom Weinstock“ von Mose ben Ascher die Akzente auf die „Ältesten zu Bathyra“, nach dem Kolophon desselben im Codex Cairensis auf die „Gemeinde der Propheten“ und nach seinem Sohn Aaron ben Ascher in Diqduqe haTeamim auf die „Männer, die in einem Halbkreis saßen“ zurückgeht: Alle drei Ausdrücke meinen sehr wahrscheinlich die Vorsitzenden des Sanhedrin zur Zeit Herodes des Großen (1. Jh. v. Chr.; vgl. zu diesen Quellen z.B. Mitchell 2012, S. 363; Wheeler 1989 u.a.).
Dieser Zeitraum harmoniert außerdem gut damit, dass man aus sprachgeschichtlichen und textkritischen Gründen ableiten kann, dass auch die Lesetradition der Samaritaner um das 2./1. Jhd. v. Chr. entstanden ist (vgl. z.B. Schorch 2015, S. 30.34). Auch in samaritanischen Handschriften nämlich gibt es Interpunktionszeichen (zu diesen vgl. am besten GSH 76-80), die (unabhängig davon, welche Bedeutung die einzelnen Lesezeichen haben) fast stets nur den „starken Trennern“ Silluq, Athnach, Segolta, Zaqef und Rebia entsprechen, während die schwächeren Trenner und die konjunktiven Akzente keine Entsprechung haben (vgl die Ausgaben von Schorch). Zudem gibt es auch in den samaritanischen Handschriften ein Kolophon über die Lesezeichen, dessen längere Variante ebenfalls auf den Sanhedrin verweist: „Wir erbten von unseren reinen Vätern – möge ihnen (Gottes) Wohlwollen (zuteil werden) – was sie erbten von den siebzig Ältesten, nämlich die zehn Lesezeichen ...“ (Burkhard 2021, S. 2).
Insgesamt sprechen also vier Gründe für ein deutlich höheres Alter der trennenden Akzente, als in der Textkritik meist zu lesen ist: (1) Das Zeugnis der Masoreten und der Samaritaner, die ihre Entstehung ins 1. Jhd. v. Chr. datieren, (2) die Tatsache, dass in der Tat schon Rabbinen ab dem 1. Jhd. n. Chr. eine „Einteilung durch die Akzente“ kannten, (3) einige Sonderregeln des masoretischen Akzentsystems, die sich nur in einer bestimmten Phase der hebräischen Sprachgeschichte gut erklären lassen, die ebenfalls zwischen dem 1. Jhd. v. und dem 1. Jhd. n. Chr. zu liegen scheint, (4) und die Übereinstimmung dieses Phänomens mit dem verwandten der samaritanischen Lesezeichen.

Mit diesem höheren Alter lassen sich dann auch Stellen erklären, in denen der masoretische Text anders akzentuiert ist als erwartet, in denen diese Akzentuierung aber mit in anderen Textzeugen belegten alten Varianten zusammenstimmt. Drei Beispiele (das zweite und dritte bei Trompelt 2009, der m.W. als erster und bisher einziger auf diesen Sachverhalt hingewiesen hat):

(1) Ri 1,15: ויתן־ל֣ה כל֗ב א֤ת גל֣ת על֔ית Und es gab ihr Kaleb die oberen Quellen.

Nach der Akzentuierung stehen vor Zaqef zwei verbindende Akzente, dann folgt direkt Rebia. Nach den internen Regeln des Akzentsystems ist das gar nicht möglich; vor Zaqef müsste Paschta stehen. Price listet diesen Vers in seiner Akzentkonkordanz denn auch als Rebia – Paschta – Zaqef-Folge; entweder hat er stillschweigend Machpak zu Paschta emendiert oder dies ist ein Versehen. Die Akzentuierung stimmt aber zusammen mit LXX, die nach klb noch klbh („nach ihrem Begehren“) bezeugt. Dies wäre dann im Heb. mit Paschta akzentuiert worden. Zum Text-Zeugen LXX gesellen sich also die Akzente als weiterer Zeuge für einen anderen Wortlaut hinzu.

(2) Jes 10,1: ה֥וי החקק֖ים הקקי־א֑ון ומכתב֥ים עמ֖ל כתֽבו׃

Nach dem Parallelismus und auch rein vom Sinn her wäre zu erwarten: Wehe den Bestimmenden böser Bestimmungen, / den Schreibenden, die Unrecht schreiben! Nach den Akzenten müsste man die Syntax aber deuten als Wehe den Bestimmenden böser Bestimmungen, / den Unrecht Schreibenden, die schreiben!. ibn Saruq zitiert den zweiten Versteil jedoch in der Form ומכתבי עמל כתבו weil / dafür, dass sie ungerechte Schriebe schreiben!. Diese Variante findet sich auch in einem MS von Kennicott; auch Saadja und Tg setzen sie voraus. Wieder stimmt die Akzentuierung mit diesen Varianten zusammen, nicht mit dem MT, denn bei ומכתבי עמל erklärte es sich durch die Constructus-Verbindung, dass die beiden Wörter eine Konjunktivphrase bilden.

(3) Jes 29,13: י֤ען כ֤י נגשׁ֙ הע֣ם הז֔ה בפ֤יו ובספתיו֙ כבד֔וני weil dieses Volk sich naht, mit seinem Mund und mit seinen Lippen mich ehrt,

so jedenfalls nach den Akzenten – nicht, wie mehrheitlich übersetzt wird: weil dieses Volk sich mit seinem Mund naht, mit seinen Lippen mich ehrt: בפ֤יו gehört nach der Akzentuierung klar zum zweiten Satz. Damit wäre der erste Satz aber merkwürdig unvollständig, weshalb i.d.R. eben gegen die Akzentuierung übersetzt wird. Mehrere ma. Handschriften haben aber nicht נגשׁ mit dem Buchstaben Schin, sondern נגשׂ mit dem Buchstaben Sin; auch Tg setzt diese Punktierung voraus und auch Raschi, ibn Ezra und David Kimchi präferierten diese Lesart: Weil sich dieses Volk erhöht. Wieder stimmt die Akzentuierung besser mit dieser Variante zusammen, nicht mit dem MT. Man beachte auch, dass im zweiten und dritten Fall jeweils auch mittelalterliche Handschriften die alternative Lesart stützen; eine Tatsache, die dem Textkritiker entgeht, wenn er sich auf die Minimal-Kollationen der BHQ beschränkt (so richtig auch Golinets 2016, S. 79-81).

Der masoretische Text im Judentum und in den evangelischen Kirchen[Bearbeiten]
=Im Judentum=[Bearbeiten]

Klar ist, dass in der jüdischen Gruppierung, die sich später (anders als z.B. die Essener oder die Samaritaner, s.u.) als „Mainstream-Judentum“ durchsetzen sollte, um die Zeitenwende der proto-masoretische Text als der „korrekte“ Text angesehen wurde. Was genau das hieß, war aber noch lange nicht klar. Am wichtigsten: Für die Karäer etwa hatte Gott dem Mose die Torah mit Vokalzeichen und Akzenten offenbart, für die Masoreten dagegen gehörten nur die Konsonanten der Torah zur „heiligen Schrift“ (vgl. z.B. Barthélemy 2012, S. 245-247). Auch bei diesen etablierten sich aber im Mittelalter einige Codices dank des Rangs ihrer Schreiber zu normativen Codices. Zwei davon waren die der im 10. Jhd. wirkenden Masoreten ben Naphtali und ben Ascher, an denen man sich wegen der Korrektheit ihrer Handschriften besonders gern orientierte. Als im 12. Jh. auch noch Maimonides den Codex des ben Ascher mit der Bemerkung adelte, er habe sich an dessen Codex orientiert, „weil er viele Jahre in Jerusalem aufbewahrt wurde, damit Schriftrollen anhand dieses Codex auf Richtigkeit hin kontrolliert werden könnten“ und „jeder sich an diesem Codex orientiert, weil er von ben Ascher korrigiert wurde, der viele Jahre damit zugebracht hatte, ihn genau niederzuschreiben, und [auch danach noch] viele Male nachkontrolliert hatte“ (Tefillin, Mezuzah und Sefer Torah viii 4; vgl. ebd., S. 242f.) wurde nach und nach dieser Codex in den Rang des Muster-Codex schlechthin erhoben und erhielt den Ehrentitel „Krone von Aleppo“. Das heißt allerdings nicht, dass er damit sakrosankt wurde: Auch noch Masoreten des 13.-15. Jhd.s, die klar in dieser Schreibtradition standen, wichen bewusst und explizit von dieser Tradition ab, wenn ihnen Varianten aus noch älteren Muster-Codices bekannt waren. Von diesen älteren Muster-Codices wissen wir nur noch aus den masoretischen Schreibernotizen; bekannt sind evt. der Codex Mugah (was aber auch nur „Muster-Codex“ heißen könnte. War er darüber hinaus wirklich die Bezeichnung eines bestimmten Codex, soll er Grundlage für die beiden Handschriften Schøyen MS 5070 und BSB Cod.hebr. 392 gewesen sein), sicher der Codex Hilleli (der die Vorlage von MS L44a und von MS B119 gewesen sein soll), der Codex Sinai (von dem Ginsburg glaubt, er sei die Vorlage von Ar Or 16 gewesen), der Codex Zambuki und der Codex Ezra, außerdem der Jerusalem-Codex (auf die letzten beiden soll Trinity W.A.W. Heb. 13 zurückgehen, s. Ginsburg, Introduction S. 747), der Babylon-Codex und der Jericho-Codex. Noch im 15. Jhd. war der Codex Aleppo also „nur“ ein besonders verlässlicher Codex der jüngeren Vergangenheit; im Zweifelsfall vorzuziehen waren aber ältere Textzeugen.
Und dennoch stieg der Codex Aleppo weiter und weiter im Ansehen – bis dahin, dass die 2001 erschienene Druckfassung davon (die „Krone von Jerusalem“) noch im selben Jahr von der Universität Jerusalem und vom Knesset als der offizielle Bibeltext des Judentums anerkannt wurde. Vereinfachend könnte man heute also sagen: Für die meisten Angehörigen des heutigen „Mainstream-Judentums“ sind der von Gott geoffenbarte Text die Konsonanten des Codex Aleppo, und die Vokale und Akzente in demselben Codex sind zwar nicht von Gott als heilige Schrift geoffenbart (weshalb noch heute bei synagogalen Bibellesungen unvokalisierte Texte verwendet werden), sind aber die korrekte Vokalisierung und Akzentuierung derselben. Im orthodoxen Judentum ist darüber die Position verbreitet, dass jegliche Art von Textkritik häretisch sei; spätestens hier ist der Codex Aleppo nun also wirklich sakrosankt. In liberaleren Ausprägungen des Judentums dagegen wird Textkritik in der selben Weise durchgeführt wie in der liberalen christlichen Exegese.

=In den evangelischen Kirchen=[Bearbeiten]

Der Stellenwert des masoretischen Textes in den evangelischen Kirchen lässt sich am besten historisch erklären (vgl. dazu bes. gut Hendel 2016): Als Anfang des 16. Jh.s die Reformation von Wittenberg und Zürich aus ihren Lauf aufnahm, wurde das erste Mal auch deutschprachigen Christen das Hebräische wieder zugänglich. Der erste deutsche christliche Hebraist der Moderne war Johannes Reuchlin; seine hebräische Grammatik „De Rudimentis Hebraicis“ erschien 1506. Elf Jahre später schlug Luther seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Kirche. Der Beginn der Reformation fiel also zusammen mit der Zeit, da man das erste Mal wieder Zugang zu den Quellen der Bibel hatte. Sie fiel auch zusammen mit dem ersten Mal seit Langem, dass man überhaupt erkennen konnte, dass es große Unterschiede zwischen dem hebräischen Bibeltext und den allgemein verbreiteten lateinischen Bibelübersetzungen gab (s.u.). Der erste christliche Textkritiker der Moderne etwa, der italienische Bischof Agostino Steuco, stellte daher in seinem Werk „Veteris Testamenti ad veritatem Hebraicam recognitio“ („Das Alte Testament, wiederhergestellt zu seinem wahren hebräischen [Wortlaut]“) die These auf, die gebräuchlichen griechischen und lateinischen Übersetzungen seien höchst fehlerhaft; der wahre Wortlaut sei nur den ursprünglichen, hebräischen Quellen des masoretischen Texts zu entnehmen, in dem anders als in diesen durchgehend der richtige Wortlaut erhalten sei. Luther und Calvin, beide Theologieprofessoren, die sich zunehmend auf die Bibelwissenschaften spezialisierten, sprangen auf diesen Zug auf. Luther etwa schreibt in seiner Flugschrift „An die Radherrn aller stedte deutsches lands“:

So wichtig uns das Evangelium ist, so sehr müssen wir uns denn auch um die Sprachen bemühen. Denn Gott hat seine Schrift nicht umsonst einzig in zwei Sprachen schreiben lassen: Das Alte Testament auf Hebräisch und das neue auf Griechisch. Wer Gott also nicht verachtet, sondern sein Wort als das Wichtigste vor allem anderen erwählt hat, muss auch diese Sprache vor allem anderen ehren. [...] Daher heißt auch die hebräische Sprache „heilig“. Und der heilige Paulus nennt [ähnlich das Neue Testament] in Römer 1 „die heilige Schrift“ [...], also wird man wohl auch die griechische Sprache heilig nennen können, insofern dieselbe statt allen anderen erwählt wurde, dass das Neue Testament in ihr verfasst würde. Erst aus dieser ist [diese Heiligkeit] wie aus einem Brunnen durch das Übersetzen auch in andere Sprachen geflossen und hat auch sie geheiligt. (WA 15, S. 37; meine Modernisierung),

und in Calvins Polemik gegen das Trienter Konzil heißt es noch ganz wie bei Steuco:

Die heiligen Offenbarungen Gottes wurden von Mose und den Propheten auf Hebräisch weitergegeben und von den Aposteln auf Griechisch. Damit keiner Ecke der Welt der Zugang zu solch großem Schatz verwehrt bleibe, wurde weiterhin die Gabe der Übersetzung / Interpretation hinzugeschenkt. Dann trug sich's zu [...], dass von den unterschiedlichen Übersetzungen / Interpretationen eine [nämlich die Vulgata] bei den Ungebildeten sich festsetzte [...]. Jene dagegen, die Fremdsprachen beherrschen, sehen klar, dass diese Version wimmelt von unzähligen Fehlern und weisen dies mit deutlichster Evidenz auch nach. Und auf der anderen Seite verfechten die Konzilsväter, dass – obwohl die anderen derart die reine Labung direkt aus der Quelle schöpfen und der „sicher wahren“ [Vulgata] Fehlerhaftigkeit nachweisen können – diesen kein Gehör geschenkt werden dürfe. Kein Mensch, der bei klarem Verstand ist, würde es doch wagen, der Kirche Gottes ein Gut vorzuenthalten! (Acta synodi Tradentiae. Cum Antidoto. S. 98).

Geoffenbart wurde das Alte Testament also auf Hebräisch, und deshalb ist der hebräische Bibeltext zum einen der heiligste, zum anderen ohnehin wahrer und richtiger als der lateinische. Es dauerte nicht lange, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass auch der hebräische Bibeltext nicht fehlerfrei überliefert war; in konservativeren Spielformen des Christentums hielt sich aber dennoch im Mindesten der Glaube daran, dass der von Gott inspirierte und heilige Text nur der Hebräische sein könne. Im Westminster Bekenntnis von 1646, das für manche Konfessionen immer noch Gültigkeit hat, heißt es in Artikel 1.8 daher:

Das Alte Testament auf Hebräisch (das von alters her die Muttersprache des Volkes Gottes war) und das Neue Testament auf Griechisch (das zur Zeit der Niederschrift den Völkern am allgemeinsten bekannt war) sind unmittelbar von Gott inspiriert und durch seine besondere Fürsorge und Vorsehung zu allen Zeiten rein bewahrt worden, und sind deshalb authentisch, so daß sich die Kirche in allen Religionsstreitigkeiten letztlich auf sie zu berufen hat.,

und noch in der evangelikalen Chicago-Erklärung zur biblischen Irrtumslosigkeit von 1978 kann geschrieben werden:

Since God has nowhere promised an inerrant transmission of Scripture, it is necessary to affirm that only the authographic text of the original documents [also z.B. der Original-Wortlaut, in dem der Pentateuch dem Mose wörtlich geoffenbart wurde] was inspired and to maintain the need of textual criticism as a means of detecting any slips that may have crept into the text in the course of its transmission. The verdict of this science, however, is that the Hebrew and Greek text appear to be amazingly well preserved, so that we are amply justified in affirming, with the Westminster Confession, a singular providence of God in this matter and in declaring that the authority of Scripture is in no way jeopardized by the fact that the copies we possess are not entirely error-free.

Auch heute ist in diesen Spielformen evangelischen Christentums also auf jeden Fall der hebräische Wortlaut des „Urtexts“ der inspirierte und heilige Wortlaut, und dieser hebräische Text ist so, wie er uns tradiert wurde, mindestens „relativ“ fehlerfrei, wenn manchmal auch gemäßigte Textkritik als zulässig und sogar geboten gewertet wird – dies ist die konservativste offizielle Einordnung des masoretischen Text. Und als Faustregel kann gelten: Je liberaler eine evangelische Konfession ist, desto weniger ist der hebräische Text des Ersten Testaments Ausgangs- und Orientierungspunkt zur Rekonstruktion des frühestmöglich erreichbaren Wortlauts der heiligen Schrift und desto offener ist man für eine Textkritik des Alten Testaments. Nur ein Beispiel des deutschen „Mainstream-Protestantismus“: Im 1998 erschienenen „Wörterbuch für Mitarbeitende in Verkündigung und Gottesdienst“ des amd heißt es zu „Textkritik“:

Die Textkritik (Sichtung, Scheidung), deren Aufgabe es ist, auf der Grundlage von Textzeugen (Handschriften) den vermutlich authentischen Text festzustellen (einen wirklichen Urtext der ganzen Bibel hat es nie gegeben, da die einzelnen Schriften zunächst für sich entstanden, überliefert und abgeschrieben wurden).
Eine wichtige Hilfe sind dabei neben anderen Handschriften der Codex Vaticanus (Vollbibel mit Lücken aus dem 4. Jh.), der Codex Sinaiticus (nt.licher Teil einer Vollbibel; ebenfalls 4. Jh.) sowie die 1947 in den Höhlen von Qumran am Toten Meer gefundenen Schriftrollen (Teile des AT, u.a. zwei Jesaja-Rollen).

wohl eher aus Versehen, aber doch vielsagend, wird hier sogar überhaupt kein Manuskript des MT als „wichtige Hilfe zur Feststellung des authentischen Texts“ explizit erwähnt.

Qumran-Handschriften[Bearbeiten]

Relativ neue Quellen: 1947 fanden Beduinen bei Qumran in einer Höhle einige Schriftrollen. Im Laufe der nächsten Jahre wurden bis 1956 teils von den selben Beduinen, teils von Archäologen ingesamt zehn weitere Höhlen mit „Qumran-Schriftrollen“ gefunden. Nach diesen Höhlen werden nach dem von uns bevorzugten System die Qumran-Schriftrollen bezeichnet: 1QJesa z.B. ist die erste (a) Jesaja-Schriftrolle (Jes) aus der ersten (1) Qumran-Höhle (Q); 4QSamb die zweite (b) Samuel-Schriftrolle (Sam) aus der vierten (4) Qumran-Höhle (Q) usw. Nach einem zweiten verbreiteten System werden die meisten Rollen stattdessen durchnummeriert; 1Q6 nach diesem System wäre im ersten also z.B. 1QRi, 6Q4 wäre 6QKön usw.
Die von den Beduinen gefundenen Rollen gelangten auf unterschiedlichen Wegen in die Hände von Wissenschaftlern; manche Textfragmente wurden aber über den Schwarzmarkt verkauft und sind heute in den Händen unterschiedlicher Sammler – bis heute tauchen daher immer wieder neue Qumran-Fragmente auf.

Die Qumran-Schriftrollen wurden zwischen dem 3./2. Jhd. v. Chr. bis zum 1./2. Jhd. n. Chr. von Schreibern der „Qumran-Essener“ niedergeschrieben, einer jüdischen Gruppierung mit einer eigenen Theologie, einem eigenen Kalender usw. Teilweise sind dies Kopien biblischer Schriften auf hebräisch, aramäisch und griechisch, teilweise auch Schriften, die für die Theologie der Essener bedeutsam waren. Die biblischen Schriften sind dabei nicht einheitlich: Weil sie aus unterschiedlichen Jahrhunderten stammen, bezeugen v.a. die früheren öfters noch andere Textfamilien als den protomasoretischen Text; jüngere Rollen dagegen gehen häufiger mit dem protomasoretischen Text konform. Auffällig ist auch, dass v.a. die nicht-protomasoretischen Rollen oft noch anderen orthographischen Normen folgen als die protomasoretischen Texte.
Textkritisch kann man die Wichtigkeit der Qumran-Rollen gar nicht hoch genug einschätzen: Sie gehören zu den mit großem Abstand ältesten hebräischen Textzeugen für die biblischen Texte, die es überhaupt gibt; der Fund der Qumran-Schriften ist daher einer der Hauptgründe, warum textkritische Urteile aus der Zeit vor 1947 sehr häufig als überholt betrachtet werden müssen.

Die maßgebliche Edition der Qumran-Schriften ist die Schriftreihe DJD (=Discoveries in the Judaean Desert). Hilfreich ist auch Ulrichs „The Biblical Qumran Scrolls“ von 2010 und die gerade erscheinende Schriftreihe „Biblia Qumranica“, die aber ebenso wie die Editionen und Übersetzungen von Lohse (1972ff.), Beyer (1984), Maier (1995f.), Martínez / Tigchelaar (1997f. / 1999), Steudel (2001) und Parry / Tov (2004) i.d.R. den Deutungen aus DJD folgen. Der erste Band der DJD erschien allerdings 1955, also zu einer Zeit, als man bei der Fotografie der Qumran-Rollen noch nicht die selben Möglichkeiten hatte wie heute. Eine neuere Edition ist mit „The Dead Sea Scrolls“ gerade erst am Entstehen; biblische Texte wurden in dieser Edition noch gar nicht veröffentlicht. Ein Blick in die Rollen selbst kann daher nie schaden. Die beiden aktuell besten Seiten dafür sind die Leon Levy Dead Sea Scrolls Digital Library; noch hilfreicher, aber aktuell erst noch im Entstehen sind die Scripta Qumranica Electronica. Die große Jesaja-Rolle lässt sich auch schön betrachten auf der Seite der Digital Dead Sea Scrolls.

Weitere wichtige heb. und aram. Textzeugen[Bearbeiten]
Weitere Dead Sea Scrolls[Bearbeiten]

Nach den Ausgrabungen bei Qumran wurden die Ausgrabungen in Israel im Gebiet des Toten Meeres noch weiter intensiviert. In diesem Zuge wurden eine ganze Reihe weiterer Schriftrollen und Textfragmente gefunden; nie aber in solcher Zahl und selten so gut erhalten wie die Qumran-Rollen. Kürzlich etwa wurde der Text einer 1970 bei Ein Gedi gefundenen Rolle veröffentlicht, die sich erst heute dank neuer Techniken entziffern ließ (vgl. Segal u.a. (2016): An Early Leviticus Scroll from En-Gedi: Preliminary Publication). Die wichtigsten Fundorte:

Naḥal Ḥever

1960 fand Yigael Yadin bei Ausgrabungen in Höhlen bei Naḥal Ḥever weitere alte Schriftrollen. Die Schriftrollen aus Naḥal Ḥever – ähnlich abgekürzt wie die Qumranrollen; 5/6HevPs z.B. ist die Psalmenrolle (Ps) aus der fünften und sechsten (5/6) Höhle von Naḥal Ḥever (Hev) – sind etwas jünger als die Qumranrollen und bezeugen daher durchgehend einen protomasoretischen Text. Das gilt selbst für die griechischen Texte: Besonders bekannt ist die griechische Zwölfprophetenrolle (8HevXIIgr) aus dem 1. Jhd. n. Chr. Diese bezeugt einen Wortlaut der Septuaginta, in dem selbst die Septuaginta nachträglich stärker an den Wortlaut des protomasoretischen Texts angeglichen wurde (s.u. zur „Kaige-Rezension“).
Die maßgebliche Edition der Naḥal Ḥever-Rollen ist ebenfalls die Reihe DJD; auch diese lassen sich online betrachten in der Leon Levy Library: hier 8HevXIIgr, hier 5/6HevNum und 5/6HevPs.

Masada

Nur drei Jahre später (1963) stieß Yadin bei einer weiteren Ausgrabung in Masada auf eine weitere Reihe von Schriftrollen, darunter sieben mit biblischen Texten. Besonders spannend: MasSir, neben wenigen Qumran-Fragmenten einer der ältesten Belege für den hebräischen Text des vollständig nur im Griechischen, Lateinischen und Syrischen überlieferten Sirachbuches. Die anderen biblischen Fragmente sind protomasoretische Texte und daher textkritisch etwas weniger bedeutsam als die Qumran-Schriften.
Die maßgebliche Edition dieser Schriftrollen ist Masada VI (Talmon, Shemaryahu / Yigael Yadin (1999): Masada VI: Yigael Yadin Excavations 1963-1965: Final Reports: Hebrew Fragments from Masada. Jerusalem.); auch diese lassen sich online betrachten in der Leon Levy Library.

Murabba´at

Noch während in Qumran Ausgrabungen durchgeführt wurden, stießen ab 1951 Beduinen in der Nähe auf weitere Höhlen, die ebenfalls u.a. biblische Textfragmente enthielten. Weitere Ausgrabungen förderten weitere Höhlen und Fragmente zutage. Die biblischen Textfragmente entstanden Anfang des 2. Jh.s n. Chr. und bezeugen daher i.d.R. einen protomasoretischen Text. Besonders wichtig: Die vergleichsweise gut erhaltene Zwölfpropheten-Rolle (MurXII / Mur88).
Die maßgebliche Edition der Murabba´at-Rollen ist ebenfalls die Reihe DJD; auch diese lassen sich online betrachten in der Leon Levy Library.

Andere[Bearbeiten]

Samaritanischer Pentateuch

Im 5./4. Jhd. v. Chr. bildete sich im Raum der Stadt Samaria eine jüdische Gruppierung heraus, die ähnlich wie die Essener eine eigene Theologie hatten (s. näher Samaritaner (WiBiLex)). Zu dieser eigenen Theologie gehörte auch eine eigene Variante des Pentateuch, den allein die Samaritaner anders als die meisten jüdischen Gruppierungen und im Unterschied zu den Sammlungen der Prophetenbücher und der „Schriften“ als heilige Schrift ansahen. Dieser „samaritanische Pentaeuch“ bezeugt zum Teil eine nicht-masoretische Textfamilie des Pentateuch, zum Teil wurde diese Textfamilie aber noch zusätzlich überarbeitet. Wichtig etwa: Den Dekalog bietet der samaritanische Pentateuch in einer alternativen Fassung, in der das zehnte Gebot besagt, auf dem Garizim – dem heiligen Berg der Samaritaner – müsse ein Altar errichtet werden. Vgl. näher z.B. Schorch (2012): Der Pentateuch der Samaritaner.
Eine erste Edition des SamP ist die von August von Gall (1918), die heute aber nur noch bedingt verwendbar ist. Abraham Tal hat 1994 mit „The Samaritan Pentateuch“ nur eine der SamP-Handschriften nach modernen Editionskriterien ediert. Eine neue kritische Edition erscheint aktuell unter der Herausgeberschaft von Stefan Schorch; bisher erschienen sind Band 1 (Genesis) und Band 3 (Leviticus).

Cairoer Genisa

Eine „Genisa“ / „Geniza“ ist ein Depot, in dem nicht mehr brauchbare Schriften, in denen der Gottesname „JHWH“ geschrieben steht, „beerdigt“ werden. Eine dieser Genisot ist die der Ben-Esra-Synagoge in Cairo: In dieser wurden 1890 rund 200.000 Schriften entdeckt, darunter z.B. Fragmente aus fünf verschiedenen Abschriften der hebräischen Version des Sirachbuches aus dem 9.-12. Jhd. n. Chr (die übrigens auch die Biblia Hebraica transcripta online zugänglich gemacht hat. Vgl. dazu aber noch die Anmerkungen zur Verszählung). Heute sind diese Schriften v.a. im Besitz verschiedener Bibliotheken; im Rahmen des Friedberg Genizah Projects werden aktuell aber nach und nach alle Texte digital zugänglich gemacht. Viele der Fragmente aus der Cairoer Genisa sind nicht wichtiger als die große Zahl anderer mittelalterlicher Abschriften des Bibeltextes. Anders als diese sind sie aber bisher nur selten textkritisch ausgewertet worden. Gary Rendsburg etwa tut dies aktuell mit den Samuel-Fragmenten (vgl. Rendsburg 2018: The Book of Samuel in the Cairo Genizah. An Interim and Introductory Report); auch im Rahmen des HUBP werden die Cairoer Genisa-Fragmente gesondert verzeichnet. Das ist auch wichtig: Neben den weniger relevanten Fragmenten gehören auch große Schätze zu den Texten aus der Cairoer Genisa; u.a. z.B. hebräische Texte, die nach einer anderen Schreiber-tradition vokalisiert und akzentuiert wurden als die meisten uns bekannten masoretischen Handschriften.

Alte Übersetzungen[Bearbeiten]

Septuaginta[Bearbeiten]

Kurz: „LXX“. Als ab dem 3. Jh. v. Chr. das Bedürfnis nach einer griechischen Übersetzung des Alten Testaments stieg, wurden bis zur Mitte des 2. Jh. v. Chr. diese Bücher des AT ins Griechische übertragen, allerdings aus einer anderen Textfamilie als dem Masoretischen Text. Zusammen mit anderen griechischen jüdischen Schriften wurden diese später zu einem Gesamtwerk zusammengefasst. Noch während diese Übersetzungen entstanden, begannen andere damit, bereits bestehende LXX-Übersetzungen zu überarbeiten, was zu unterschiedlichen „Rezensionen“ führte. Die Textgeschichte der Septuaginta ist daher ähnlich komplex wie die des Masoretischen Textes und der „ursprüngliche Text“ der „Septuaginta“ ist nicht mehr direkt greifbar, sondern muss aus den verschiedenen Rezensionen rekonstruiert werden.
Als besonders wichtige und wirkmächtige Rezensionen unterscheidet man heute v.a.:

Hexaplarische Rezension (LXXH): Eine Neubearbeitung einer älteren LXX-Ausgabe in Orientierung an einem proto-masoretischen Text durch Origines (2-3. Jh. n. Chr.) für seine „Hexapla“ (s.u.). Origines Neubearbeitung wurde später der Hexapla entnommen und geriet als selbstständiges Werk in Umlauf. Von diesem ist nicht mehr viel erhalten, fast vollständig erhalten ist aber die sehr wörtliche Übersetzung durch Paul von Tella (7. Jh.) ins Syrische (Die „Syro-Hexapla“, SyH).
Für 2 Sam allerdings ist von der hexaplarischen und auch von Paul von Tellas Üs. fast nichts erhalten. Für den Psalter gilt ähnliches; nur sehr weniges ist vom urspr. gr. Text erhalten und hier lässt sich ausnahmsweise auch Paul von Tellas Üs. nicht verwenden, da dieser den Psalter aus einer lukianischen LXX übersetzte. Er kann aber grob aus dem Psalmentext der Vulgata rekonstruiert werden, da Hieronymus diesen anders als den Rest der atl. Schriften und sein „Psalterium iuxta hebraeos“ nicht aus dem Hebräischen übersetzte, sondern aus Origines Hexapla-LXX.

Lukianische Rezension (LXXL): Die Neubearbeitung der sog. „antiochenischen“ LXX-Textfamilie durch den Syrer Lukian. Besonders wichtig ist diese antiochenische Textfamilie, weil sie anders als die hexaplarische Rezension und die Kaige-Gruppe (s. gleich) nicht nachträglich an den MT angepasst wurde und daher vermutlich einen ursprünglicheren LXX-Wortlaut überliefert als diese, was sich auch daran zeigt, dass sie in ihrem Wortlaut oft mit den Schriften des Josephus, der Vetus Latina, sahidischen Übersetzungen, mit einzelnen biblischen Schriften aus Qumran oder (wenig bekannt:) mit dem lateinischen Liber Antiquitatum Biblicarum zusammenstimmt. Lukian soll seine griechische Rezension nach dem Zeugnis mehrerer Kirchenväter dann doch mit dem MT abgeglichen haben; steht daher z.B. LXXL mit MT gegen VL und Sah[idische Üss.], kann die antiochenische Rezension auch reiner in VL und Sah bezeugt sein. Im Falle von 2 Sam 22 und Ps 18 etwa stehen ab V. 17 des öfteren LXXL und 4QSama gegen MT und LXXK.

Die Kaige-Rezension (LXXK): Eine Gruppe von Nachbearbeitungen des antiochenischen Texts, um ihn besser mit dem proto-masoretischen Text (also einem hebräischen Text einer anderen Textfamilie als die Vorlage von LXXL!) zusammenstimmen zu lassen. Zu dieser Gruppe gehört neben einigen LXX-MSS auch die Üs. von Theodotion; ein Vorläufer ist das berühmte Dodekapropheton von Naḥal Ḥever (8ḤevXIIgr). Nach Kim 2009b, S. 1 gehören hierzu z.B. bei 2 Sam 22 alle Handschriften, die nicht zur lukianischen Textfamilie zu rechnen sind. Kreuzer 2012 hat außerdem noch feingliedriger und wahrscheinlich richtig vor Kurzem neben LXXK eine „semi-Kaige-Rezension“ ausgemacht: Z.B. in der Handschrift LXXB (s. gleich) sollen alle Passagen, in denen sich nicht die klaren Merkmale von LXXK feststellen lassen, einen weniger konsequenten Vorläufer dieser Kaige-Rezension bezeugen.

LXXB, S, A, M, N: „LXXB“, „LXXA“ usw. sind nicht wie LXXH, K, L Siglen für Textfamilien, sondern für besonders wichtige Handschriften: LXXB ist der Codex Vaticanus aus dem 4. Jhd. n. Chr., LXXA der (noch nicht digitalisierte) Codex Alexandrinus aus dem 5. Jhd. und LXXM, N sind die mit LXXA nah verwandten Codices Coislianus (M, 7. Jhd.) und Basiliano-Vaticanus + Venetus (N, 8./9. Jhd.). LXXS schließlich ist der Codex Sinaiticus, der ebenfalls aus dem 4. Jhd. stammt, dessen AT-Text aber nur noch fragmentarisch erhalten ist. Für jede dieser Handschriften existieren außerdem noch eine Reihe jüngerer Handschriften, die entweder als Tochter-Handschriften direkt aus diesen abgeschrieben wurden oder die indirekt mit ihnen verwandt sind.
Die Septuaginta-Textkritik wird durch die Existenz dieser Handschriften gleichzeitig erleichtert und verkompliziert: Einerseits sind es sehr alte Handschriften, andererseits aber Misch-Handschriften, in denen erstens verschiedene biblische Bücher oder gar nur einzelne Abschnitte verschiedenen Textfamilien zuzuordnen sind (in LXXB z.B. bezeugt das Jesaja-Buch einen hexaplarischen Text, die anderen Bücher nicht) und in denen zweitens in den jeweiligen Büchern auch Varianten aus anderen LXX-Textfamilien eingedrungen sind (Bei LXXA, M, N etwa glaubt man heute überwiegend, dass sie oder nicht erhaltene Vorläufer aus LXXH-, LXXK-, LXXL- und anderen LXX-Textfamilien gleichzeitig abgeschrieben wurden). Kritische LXX-Editionen listen LXX-Varianten nicht nach Textfamilie auf, sondern nach Handschriften; bevor LXX-Varianten für eine Textkritik des Ersten Testaments fruchtbar gemacht werden können, muss also eigentlich zunächst noch abgewogen werden, ob z.B. eine Textvariante in LXXA Zeuge für eine Variante einer Textfamilie wie LXXK oder LXXL ist oder z.B. auch nur ein Schreibfehler eines Schreibers von LXXA. Auch bei gründlicherer AT-Textkritik geschieht dies allerdings eher selten.

Die Erkenntnis über das Gegeneinander von antiochenischem Text / lukianischer Rezension einerseits und Nachbearbeitungen des Septuagintatextes durch Aq, Theod und teilweise Sym (s.u.), LXXH und LXXK, um ihn mehr an MT anzugleichen, andererseits verdanken wir Barthélemys „Les devanciers d'Aquila“ von 1963. Noch 1943 konnte dagegen z.B. Ziegler in seiner Edition des Dodekaprophetons schreiben, die „lukianische Rezension“ sei eine Nachbearbeitung der LXXH, die diese einerseits ebenfalls noch mehr dem MT angleichen wollte, andererseits die LXXH stilistisch verbessern wollte. Auch in der Frage, wie die unterschiedlichen LXX-Rezensionen textkritisch einzuordnen sind, müssen mindestens vor den 60er Jahren erschienene textkritische Forschungen daher mittlerweile als teilweise überholt gelten.
Die beiden maßgeblichen Editionen sind die „große Cambridge-Edition“ von Brooke und McLean und die Göttinger Septuaginta. Beide sind (noch) nicht vollständig: Das Cambridger Editions-Projekt, das einen korrigierten Text des Codex Vaticanus nebst ausführlichem Variantenapparat bietet, wurde nach der Edition des Pentateuch und der Geschichtsbücher abgebrochen, in der Göttinger Septuaginta, die eklektisch direkt den rekonstruierten ursprünglichen Septuaginta-Text wiedergeben will, fehlt z.B. noch der Ri-Band. Die Cambridge-Bände erschienen darüber hinaus sämtlich vor 1963. Das selbe gilt für viele der Göttinger Bände, die auch danach größtenteils unverändert neu aufgelegt wurden. Hinzuweisen ist außerdem noch auf CATSS, eine Sammlung von „Computer Assisted Toos for Septuagint/Scriptural Study“: U.a. werden dort für das Greek Textual Variants Module die Bände der Cambridge und/oder der Göttingen Edition ausgewertet, sogar noch ergänzt, und dies online frei zugänglich gemacht. Das Modul ist allerdings aktuell noch im Entstehen und scheint aktuell zu schlummern.

Die Septuaginta in den Kirchen des Ostens: In den meisten Kirchen des Ostens ist heute nicht der masoretische Text, sondern die Septuaginta der von Gott inspirierte heilige Text der Bibel. Was genau das heißt, unterscheidet sich von Kirche zu Kirche. In der russisch-orthodoxen Kirche ist z.B. der Text des Codex Alexandrinus der heilige Text, in der griechisch-orthodoxen Kirche der Codex Vaticanus, wieder andere Kirchen haben die Septuaginta teils aus diesen, teils aus anderen Codices in moderne Sprachen übersetzen lassen. Besonders kurios ist die Lage in der rumänisch-orthodoxen Kirche: Die erste synodale Bibel von 1914 wurde aus der Septuaginta übersetzt, die zweite Synodale Bibel von 1936 aus dem Masoretischen Text, in der neuen Bibel von 2001 ist man wieder zur Septuaginta zurückgekehrt. Die Stellung der Septuaginta in den Kirchen des Ostens ist also so divers, dass dies hier den Rahmen sprengen würde; vgl. stattdessen weiterführend z.B. Mihăilă (2018): The Septuagint and the Masoretic Text in the Orthodox Church(es).

Aquila, Theodotion, Symmachus[Bearbeiten]

Nicht nur von den verschiedenen Septuaginta-Übersetzern und -Bearbeitern wurde der hebräische und aramäische Bibeltext ins Griechische übersetzt, sondern auch von weiteren griechisch-sprachigen Juden und Christen. Drei davon sind Aquila, Symmachus und Theodotion, die deshalb besonders wichtig sind, weil Origines sie zusammen mit dem hebräischen Text, seiner Umschrift des Wortlauts desselben ins Griechische, seiner eigenen Bearbeitung der LXX und gelegentlich weiteren griechischen Übersetzungen (v.a. der „Quinta“, der „Sexta“, der „Septima“ und dem „Hebräer“, gelegentlich auch zusammengefasst als hoi alloi, „die anderen“) in seine „Hexapla“ aufnahm, weshalb viele ihrer Varianten sich heute noch den Randbemerkungen von LXX-Manuskripten, der Syro-Hexapla und den Schriften der christlichen Kirchenväter entnehmen lassen. Zudem sind wenige Fragmente alter Abschriften erhalten; hier z.B. ein Hexapla-Fragment aus der Cairoer Genisa.
Die wichtigste Edition der Hexapla-Fragmente ist immer noch die von Field (1875) (Band 1, Band 2). Noch etwas mehr Hexapla-Zeugnisse sind aufgenommen in die beiden großen Septuaginta-Editionen aus Cambridge und Göttingen, werden dort aber naturgemäß weniger ausführlich diskutiert als bei Field. Das Hexapla Institute arbeitet aktuell an einer neuen Edition; bisher erschienen sind aber erst einige vorbereitende Promotionen (s. die Homepage des Projekts) und ein erster Band zu Ijob 22-42 (die vorbereitende Promotion zu dieser Edition ist hier online zugänglich).

Aquila (Aq)

Aquila von Sinope war nach Hieronymus ein Schüler von Rabbi Akiba. Anfang des 2. Jh.s fertigte er eine eigene Übersetzung an, die sich entsprechend dem Geist der Zeit sklavisch am Wortlaut der von ihm benutzten protomasoretischen hebräischen Schriften orientierte – bis dahin etwa, dass er stets den hebräischen Akkusativ-Marker `et mit dem griechischen syn („mit“) übersetzte. Gerade diese Übersetzungsmethodik aber macht es möglich, dass aus der Übersetzung von Aquila besonders gut der Wortlaut des ihm vorliegenden hebräischen Texts erschlossen werden kann. Entsprechend war es natürlich auch diese Übersetzung, die Origines direkt neben den hebräischen Text setzte, weil sie ihn seiner Meinung nach besonders treu übertrug.

Theodotion (Theod)

Geistig verwandt mit der Übersetzung von Aquila ist die Septuaginta-Rezension von Theodotion. Dieser schuf Ende des 2. Jh.s nicht ebenfalls eine eigene Übersetzung, sondern machte sich wie die Bearbeiter der Kaige-Gruppe (s.o.) ebenfalls daran, einen Septuaginta-Text aus dieser Kaige-Gruppe sogar noch mehr in Einklang mit einem protomasoretischen Text zu bringen.

Symmachus (Sym)

Ebenfalls ein Kind seiner Zeit war der (vermutlich) ebionitische Christ Symmachus, aber auf andere Weise: Wohl gerade wegen der Verbreitung verschiedener griechischer Übersetzungen, die mehr „Hebriechisch“ als Griechisch waren, veröffentlichte er Ende des 2. Jh.s eine eigene Übersetzung aus einem protomasoretischen Text, die in schönerem Griechisch formuliert sein sollte. Wahrscheinlich ist dies der Grund, warum in den oben genannten Quellen weniger Varianten von Symmachus als von Aquila und Theodotion überliefert sind: Die Übersetzung von Symmachus war „zu griechisch“, um sich gut zur Herstellung des „treusten“ griechischen Wortlauts verwenden zu lassen. Unterscheidet sich Symmachus von anderen griechischen Übersetzungen, sind diese Unterschiede daher auch nicht immer textkritisch bedeutsam.

Vetus Latina[Bearbeiten]

Ab dem 2. Jh. n. Chr. wurden die griechischen Texte des Zweiten Testaments und die griechischen (!) Texte des Ersten Testaments i.d.R. nach Texten antiochenischer / lukianischer Rezension von Christen ins Lateinische übersetzt. Für das Erste Testament ist die Vetus Latina also kein Textzeuge für einen hebräischen Text, sondern für relativ frühe Versionen der Septuaginta und daher wichtig v.a. für die LXX-Textkritik, nicht direkt für die AT-Textkritik.
Da man früher davon ausging, dass die erhaltenen lateinischen Texte Reste einer einzigen lateinischen Übersetzung seien, fasste man sie zusammen unter der Bezeichnung „Vetus Latina“ oder „Itala“; tatsächlich wird es sich aber um verschiedenste Teil-Übersetzungen gehandelt haben. Erhalten sind nur wenige fragmentarische Manuskripte; der größere Teil von Vetus-Latina-Textzeugnissen muss aus den Schriften lateinisch-sprachiger Kirchenvätern entnommen werden.
Die einzige vollständige Edition ist immer noch die von Sabatier (1743) (Band 1 und Band 2). Noch mehr Textzeugnisse finden sich auch in den großen LXX-Editionen aus Cambridge und Göttingen. Das Vetus Latina-Institut arbeitet aktuell an einer Neuedition (s. die Homepage des Projekts); viele Bände sind aber noch nicht erschienen, andere Bände dagegen sogar schon wieder vergriffen.

Vulgata[Bearbeiten]

Ende des vierten Jahrhunderts beauftragte Papst Damasus den Kirchenvater Hieronymus zunächst mit einer Revision der lateinischen Evangelien-Übersetzungen. Diese und die Übersetzungen der restlichen Schriften des Zweiten Testaments sind also nicht komplette Neuübersetzungen, sondern Neubearbeitungen bereits existierender lateinischer Übersetzungen. Ab 384 n. Chr. begann Hieronymus außerdem damit, auch das Erste Testament zu übersetzen – zunächst aus der Septuaginta, später auch aus protomasoretischen hebräischen Texten. Von den Psalmen existieren daher zwei unterschiedliche Übersetzungen des Hieronymus: Der Vulgata-Psalter und das „Psalterium iuxta Hebraeos“.
Im Verlauf der Textüberlieferung gerieten immer wieder Textvarianten aus Vetus Latina-Übersetzungen in die Vulgata und umgekehrt. Wie die LXX-Textkritik ist daher auch die VUL-Textkritik eine eigene Teildisziplin der Textkritik des Alten Testaments. Die maßgebliche kritische Textedition ist die „Stuttgarter Vulgata“, die 2007 in ihrer bisher letzten, fünften Auflage erschien; eine zweite, weniger gebräuchliche kritische Ausgabe ist die sogenannte „benediktische Vulgata“ (1926-1995).

Die Vulgata in der römisch-katholischen Kirche[Bearbeiten]

Die Geschichte der Rolle der Vulgata in der römisch-katholischen Kirche ist so merkwürdig, dass sie allein schon deshalb erzählenswert ist. Weil neben Hieronymus Übersetzungen noch weitere lateinische Übersetzungen im Umlauf waren, gerieten immer wieder Wörter, Phrasen und Sätze aus diesen anderen Versionen in die Vulgata und umgekehrt, so dass etwa Hugo von St. Viktor schon im 12. Jhd. feststellen konnte: „Alle [Versionen] sind derart korrupt, dass heute unbekannt ist, welche [Übersetzung überhaupt] auf wen zurückgeht.“ (De scripturis et scriptoribus sacris 18A). Und obwohl man sich darüber im Klaren war, verschärfte sich dies bis zum Ende des 15. Jhd. nur noch mehr und wurde zusätzlich forciert dadurch, dass auch in diesen Jahrhunderten immer weitere neue lateinische Übersetzungen geschaffen wurden, die ebenfalls die anderen lateinischen Versionen korrumpieren konnten. Sehr verbreitet waren am Ende daher z.B. Positionen wie die, dass Hieronymus offenbar mehrere verschiedene Übersetzungen geschaffen haben müsse, oder – wichtig für das Folgende – die, dass offenbar eine andere Version als die des Hieronymus die in der Kirche gebräuchliche Version war (vgl. zu dieser Phase der Vulgata-Geschichte bes. Linde 2012).

Im 16. Jhd. war im Zuge des protestantischen und teilweise auch katholischen Bibelhumanismus (s.o. zu den ev. Kirchen) die Vulgata (und recht eigentlich: alle lateinischen Bibeln) daher endgültig in den Ruf einer besonders fehlerhaften und nicht verlässlichen Bibel geraten. Für römisch-katholische Theolog:innen war das ein Problem, da es doch gleichzeitig diese lateinischen Übersetzungen waren, die schon den lateinischsprachigen Kirchenvätern als Basis für ihre dogmatischen Überlegungen gedient hatten und noch ihnen dienten (vgl. hierzu z.B. die entsprechenden Abschnitte in Jedins Konzilsgeschichte). Vor diesem Hintergrund ist das „Vulgata-Dekret“ des Trienter Konzils zu verstehen: Unter der Maßgabe, dass irgendwann „bekannt werde, welche von allen lateinischen Ausgaben, die von den heiligen Büchern im Umlauf sind, für authentisch zu halten ist“, beschließt das Konzil, „dass dieselbe alte und allgemeine Bibeledition (haec ipsa vetus et vulgata editio), die durch den langen Gebrauch so vieler Jahrhunderte in der Kirche anerkannt ist [gemeint ist also nicht die Vulgata des Hieronymus, sondern das Gesamt der unterschiedlichen lateinischen Bibeltexte, die die Kirchenväter und die neueren römisch-katholischen Theolog:innen verwendet( hatt)en] bei öffentlichen Lesungen, Disputationen, Predigten und Auslegungen für authentisch gehalten werden soll (pro authentica habeatur) und dass niemand wagen oder sich unterstehen soll, diese unter irgendeinem Vorwand zu verwerfen.“ (DH 1506). Gesagt wird hier also nicht, wie diese Passage z.B. schon Calvin verstand und wie sie noch heute nicht selten verstanden wird, dass die Vulgata die heilige Schrift der römisch-katholischen Kirche ist, sondern hauptsächlich wird festgehalten, dass auch die lateinischen Texte, die hier mit dem Begriff „Vugata“ bezeichnet werden, dogmatisch verlässlich sind – Unterschiede in den Versionen hin oder her. Vgl. ähnlich schon Pius XII:

„Wenn das Trienter Konzil wollte, dass die Vulgata diejenige lateinische Übersetzung sei, ‚die alle als authentisch gebrauchen‘, so gilt diese Bestimmung, wie jedermann weiß, nur für die lateinische Kirche, und zwar für den offiziellen Gebrauch der Heiligen Schrift; die Autorität und Bedeutung der Urtexte mindert sie, das steht außer Zweifel, in keiner Weise. Es handelte sich damals ja nicht um die Urtexte, sondern um die in jener Zeit umlaufenden lateinischen Übersetzungen; unter diesen, so ordnete das Konzil mit Recht an, sollte sie den Vorzug besitzen, die ‚durch viele Jahrhunderte langen Gebrauch in der Kirche selbst bewährt ist‘. Diese überragende Autorität der Vulgata, ihre sogenannte Authentizität, ist also vom Konzil nicht in erster Linie aus kritischen Gründen behauptet worden, sondern wegen der rechtmäßigen, vielen Jahrhunderte dauernden Verwendung in den Kirchen. Diese Verwendung beweist, [dass sie], wie die Kirche sie verstanden hat und versteht, in Glaubens- und Sittenfragen frei ist von jedem Irrtum, so dass sie, wie die Kirche selbst bezeugt, in Disputationen, Vorlesungen und Predigten sicher und ohne Gefahr eines Irrtums verwendet werden kann. Diese Authentizität ist also nicht in erster Linie eine kritische, sondern vielmehr eine juridische zu nennen.“ (Divino afflante spiritu)

In den auf das Trienter Konzil folgenden Jahren jedenfalls wurde aus diesen Gründen von einer Kommission, die man heute „die Sixtiner“ nennt, die erste „offizielle“ kritische Vulgata-Edition erarbeitet. Weil deren textkritische Entscheidungen Papst Sixtus nicht zusagten – weniger wegen persönlichen Vorlieben als deshalb, weil diese Entscheidungen auch Auswirkungen gehabt hätten auf Stellen, die von Kirchenvätern anders zitiert worden waren –, griff er vor Veröffentlichung derselben selbst in den Text ein und stellte zusammen mit einigen Vertrauten z.B. einige sekundäre Textzusätze, die die Sixtiner eigentlich streichen wollten, eigenmächtig wieder her. Die Vulgata-Ausgabe, die so zustande kam, ist es, die man heute als die „Sixtinische Vulgata“ bezeichnet, und weil Sixtus anlässlich ihrer Veröffentlichung „aus sicherem Wissen“ – also mit tridentinischem Unfehlbarkeitsanspruch, und deshalb „aus der Fülle der Apostolischen [päpstlichen] Gewalt ... [und] Autorität, die vom Herrn [selbst ihm] übergeben [sei]“ – die päpstliche Bulle „Aeternus ille“ promulgiert hatte, nach der diese Ausgabe den authentischen Wortlaut des Hieronymus enthalte und daher als vera, legitima, authentica, et indubitata, in omnibus publicis, privatisque disputationibus, lectionibus, praedicationibus, et explanationibus recipiendam, et tenendam esse („in allen öffentlichen und privaten Disputationen, Lesungen, Predigten und Auslegungen als wahr, legitim, authentisch, und unbezweifelbar zu lesen und anzusehen sei“), betrachten sehr wenige Katholik:innen sie auch heute noch als die maßgebliche Bibelausgabe. Online einsehbar ist sie z.B. hier.

Schon wenige Monate nach dem Tod von Papst Sixtus aber untersagte man die weitere Verbreitung dieser Edition, bemühte sich gar darum, aller im Umlauf befindlichen Exemplare der Sixtina habhaft zu werden und sie zu vernichten, brachte in Umlauf, dass erstens Sixtus Bulle nie offiziell promulgiert worden sei und zweitens Sixtus in seinen letzten Tagen selbst zur Einsicht gekommen sei, dass eine Neuedition der Sixtina nötig sei, und machte sich an eine Neubearbeitung derselben in Orientierung an den ursprünglichen Urteilen der Sixtiner: die 1592 veröffentlichte „(Sixto-)Clementina“. (Es ist dies einer der spannenden Fälle, in denen man ganz offiziell eine unfehlbare Lehrentscheidung eines Papstes zurückgenommen hatte. Vgl. zu diesem seltsamen Kapitel der Kirchengeschichte z.B. Höpfl (1913): Beiträge zur Geschichte der Sixto-Klementinischen Vulgata nach gedruckten und ungedruckten Quellen, S. 128-221) Weil sie heute die Erlasse des Konzils von Trient auf diese Vulgata-Ausgabe beziehen, v.a. aber, weil es diese Vulgata-Ausgabe war, die über mehrere Jahrhunderte in katholischen Gottesdiensten, in gregorianischen Chorälen etc. verwendet wurde, betrachten noch heute weit mehr Katholik:innen diese Vulgata als „den“ Bibeltext. Besonders komfortabel einsehen lässt er sich beim Clementine Vulgate project.

Im Zuge der Debatten über den Stellenwert von Bibel und Vulgata beim Zweiten Vatikanischen Konzils (s.o.) bildete Papst Paul VI. im 20. Jh. wieder eine neue Kommission, die wieder eine kritische Vulgata-Ausgabe auf Basis der noch gar nicht vollendeten benediktinischen Vulgata für den Gebrauch in der katholischen Liturgie erstellen sollte, die anders als die Clementina aber nicht den ursprünglichen Wortlaut von Hieronymus´ Vulgata rekonstruieren sollte, sondern den ursprünglichen Wortlaut der Bibel überhaupt. 1979 – also immer noch vor Vollendung der benediktinischen Vulgata – wurde ihre erste Edition als „Nova Vulgata“ veröffentlicht (1986 die zweite Edition); ihr vorangestellt wurde die Apostolische Konstitution „Scripturarum thesaurus“ von Papst Johannes Paul II., in der dieser erklärte, dass die Nova Vulgata „etiam huiusmodi esse poterit, ut ad eam versiones vulgares referantur, quae usui liturgico et pastorali destinantur“ („auch derart sein kann [!], dass sich volkssprachliche Bibelübersetzungen, die für die Verwendung in Liturgie und Seelsorge bestimmt sind, auf sie beziehen (können)“). Was genau das heißt, ist umstritten. Die Kongregation für den Gottesdienst allerdings veröffentlichte 2001 ihre Instruktion „Liturgiam authenticam“, in der unter anderem bestimmt wird: „Wenn die Bibelübersetzung, aus der das Lektionar schöpft, Lesarten [lectiones] aufweist, die von denjenigen des lateinischen liturgischen Textes abweichen, ist darauf zu achten, daß sich alles, was die Festlegung des kanonischen Schrifttextes betrifft, nach der Norm der Nova Vulgata richtet.“ (37). Soll heißen: Dass sich volkssprachliche Bibelübersetzungen „auf die Nova Vulgata beziehen können sollen“, interpretiert die Kongregation für den Gottesdienst so, dass dann, wenn ein Lektionar für den römisch-katholischen liturgischen Gebrauch erstellt und dabei eine volkssprachliche Bibelübersetzung verwendet wird, die andere textkritische Entscheidungen trifft als die Nova Vulgata, diese Stellen in Orientierung an den textkritischen Entscheidungen der Nova Vulgata überarbeitet werden müssen. Befolgt wird dies nicht: Die kürzlich erschienene revidierte Einheitsübersetzung etwa folgt nur selten den textkritischen Entscheidungen der Nova Vulgata, darf aber dennoch als Grundtext des neuen Lektionars verwendet werden.
Noch einen Schritt weiter geht dann aber das Dekret „ad dispositiones can. 838“ von 2021: Erstens wird dort der Text der Nova Vulgata zum „Originaltext“ volkssprachlicher Lektionare erklärt (1.21), zweitens wird dort bestimmt, dass ins „Ordo lectionum missae“ der noch grundsätzlicher formulierte Text aufzunehmen sei: „Die Übersetzung der Perikopen muss (oportet) dem aus der Nova Vulgata entnommenen lateinischen Text für den liturgischen Gebrauch entsprechen.“ Spätestens mit diesem Dekret, das weit über das Tridentinum und selbst noch über Liturgicam authenticam hinausgeht, gilt also: „Der“ Bibeltext zumindest für römisch-katholische Liturgie und Seelsorge ist nicht der frühestmögliche erreichbare Wortlaut des Ersten Testaments, sondern die Nova Vulgata.

Peschitta[Bearbeiten]

Im 2. Jh. n. Chr. wurde das Erste Testament aus zumeist protomasoretischen hebräischen und aramäischen Texten ins Syrische übersetzt, ab dem 3. Jh. außerdem die deuterokanonischen Schriften der Septuaginta und das Zweite Testament. Das Gesamt dieser verschiedenen Übersetzungen bezeichnet man als die „Peschitta“, also „die allgemein Gebräuchliche“ oder „die Einfache“, zu der in manchen Handschriften sogar noch mehr deuterokanonische Schriften gehören als zur Septuaginta. Weil auch die Peschitta auf mehrere Übersetzungen zurückgeht, gibt es auch hier Differenzen v.a. zwischen älteren Manuskripten; ähnlich wie beim Masoretischen Text bildete sich aber auch hier ab dem 6. Jh. ein „Standard-Text“ aus. Auch die Syr-Textkritik ist daher eine Teildisziplin der Textkritik des Alten Testaments, die zusätzlich dadurch verkompliziert wird, dass auch bei Texten, die sicher aus protomasoretischen hebräischen Schriften übersetzt wurden, die Peschitta oft mit der Septuaginta oder dem Targum Onkelos gegen den MT zusammenstimmt; ein Sachverhalt, das sich bis heute noch nicht zufriedenstellend erklären lässt.
Weit verbreitet v.a. bei syrischsprachigen Christen ist die Mosul-Edition aus dem späten 19. Jh. (Band 1, Band 2, Band 3), die allerdings keine kritische Ausgabe ist, sondern ursprünglich auf den syrischen Text der Pariser Polyglotte von 1645 zurückgeht. Die einzige kritische Ausgabe der Peschitta ist die sog. „Leidener Peschitta“, die mittlerweile fast vollständig erschienen ist.

Rabbinische Schriften[Bearbeiten]

Die verschiedenen Arten von rabbinischen Schriften haben eines gemeinsam: Sieht man vom Targum Jonathan und vom Targum Onqelos (s. gleich) und von jenen ab, die schon in Qumran belegt sind, sind sie rein als Texte eigentlich zu jung, als dass sie noch sehr wahrscheinlich nicht-protomasoretische Lesarten bezeugen könnten. Sie sind aber schriftgewordene Archive und tradieren daher sehr häufig Aussprüche, Meinungen, Geschichten usw., die oder deren Vorläufer gar nicht selten schon in die textkritisch relevanteste Zeit zurückreichen. Sie sind daher textkritisch sogar sehr relevant, müssen aber etwas anders ausgewertet werden als die oben aufgezählten Schriften.
Die Targumim oder „Targume“ sind etwas Ähnliches wie Übersetzungen des Bibeltextes ins Aramäische. „Etwas Ähnliches“ deshalb: In den letzten Jahrhunderten v. Chr. löste nach und nach aramäisch das Hebräische als Umgangssprache der Juden ab. Weil Gottes Wort aber überwiegend hebräisch war und daher auch in Synagogen weiterhin hebräisch gelesen werden sollte, etablierte sich spätestens im 1. Jh. n. Chr. der Brauch, dass parallel zur Torah-Lesung ein Übersetzer aus dem Gedächtnis diese Texte auf aramäisch wiedergab, dabei aber auch noch Änderungen am Text vornahm: Redensarten, die zu dieser Zeit theologisch nicht mehr gut möglich waren (wie bes. anthropomorphes Sprechen von Gott), wurden angepasst, die erzählte Welt manchmal an die aktuellen geschichtlichen Gegebenheiten angepasst, zusätzliche Erzähltraditionen, die nicht im Ersten Testament verschriftlicht worden waren, wurden eingeflochten, und Auffälligkeiten im hebräischen Text wurden durch weitere Ergänzungen erklärt – manchmal bis dahin, dass der ursprüngliche hebräische Text im Targum gar nicht mehr gut erkennbar war. Ein krasseres Beispiel: In Pred 12 steht ein schwieriger Text, der im Alten Judentum bald allegorisch ausgelegt wurde. In rabbinischen Schriften sind mehrere leicht unterschiedliche allegorische Ausdeutungen überliefert; eine davon auch im Targum Qohelet. Hier ein Ausschnitt aus Pred 12,3-5:

MT Targum
Am Tag, an dem schlottern werden die Hüter des Hauses Am Tag, an dem schlottern werden deine Knie
und sich krümmen werden mächtige Männer und klopfen werden deine Arme (an Türen?)
und aufhören werden die Mahlerinnen, weil sie wenig geworden sind und die Zähne deines Mundes nutzlos geworden sind, so dass sie Speisen nicht mehr kauen können,
und sich verfinstern werden die aus-den-Fenstern-Guckerinnen, und deine Augen, die aus den Fenstern deines Kopfes schauen, dunkel werden,
und man schließen wird die Doppelpforte auf der Straße und deine Füße nicht mehr fähig sein werden, auf der Straße zu laufen
beim Verklingen des Mühlsteins, und dein Appetit nach Speise dich verlassen wird
und erklingen wird der Klang des Vogels und du aus deinem Schlaf erwachen wirst vom Klang des Vogels, (als wäre es der=) weil du ihn hältst für den Klang von Dieben, die Nachts umhergehen,
und herunterkommen werden alle Töchter des Lieds, und deine Lippen zittrig werden, so dass sie kein Lied mehr äußern können,
sie laut schon aus der Höhe blicken werden auf / fürchten werden die Schrecken auf der Straße und du dich fürchten wirst, dich an Dinge zu erinnern, die früher geschahen, und ein kleiner Hügel in deinen Augen sein wird wie ein hoher Berg, wenn du auf dem Weg läufst,
und blühen wird der Mandelbaum und deine Wirbelsäule hervorstechen wird wegen (körperlichem) Verfall wie ein Mandelbaum
und sich beladen wird die Heuschrecke und deine Knöchel geschwollen sein werden
und brechen wird die Kaper... und du nicht mehr fähig sein wirst, Geschlechtsverkehr zu haben...


Man sieht gleich, dass das textkritisch anders ausgewertet werden muss als z.B. die Üss. von LXX, VUL und Syr. Dass die „Hüter des Hauses“ z.B. mit „Knie“ übersetzt wird, darf man natürlich nicht als Indiz dafür nehmen, dass in einem hebräischen Text auch das Wort für „Knie“ stand. Man kann es aber als Indiz dafür nehmen, dass im hebräischen Text Wörter gestanden haben müssen, die sich allegorisch als Knie auslegen ließen. Direkt textkritisch relevant ist dagegen z.B. die viertletzte Zeile: Dort steht im Hebräischen ein Wort, dessen Konsonanten man auf den ersten Blick nicht als „sich fürchten“ interpretieren würde, sondern als „blicken“. Tg interpretiert aber wie der Schreiber des Vokaltexts, VUL und Syr als „fürchten“ und könnte daher einen anderen Konsonantentext voraussetzen als der Schreiber des Konsonantentextes und auch LXX und Sym, die mit „blicken“ übersetzen.
Die einzige kritische Textedition der Targumim ist die von Sperber („The Aramaic Bible“). Diese Edition ist nicht unproblematisch, weil häufiger nicht akkurat und weil Sperber grundsätzlich und in Einzelfällen textkritische Entscheidungen getroffen hat, bei denen heutige Textkritiker nicht mehr mitgehen würden. Bessere Editionen gibt es nur zu einzelnen Targumim; auf absehbare Zeit wird daher Sperbers Edition die Standard-Edition bleiben. Gibt es keine bessere Editionen, ist die pragmatischste Vorgehensweise für biblische Textkritiker daher die, entweder Sperbers Edition oder die Targum-Texte im CAL (=Comprehensive Aramaic Lexicon Project) zusammen mit den Bänden der Reihe „The Bible in Aramaic“ zu verwenden. Dies ist zwar keine textkritische Edition, sondern eine Übersetzung der Targumim ins Englische, die dort dokumentierten textkritischen Entscheidungen der Übersetzer sind aber verlässlicher als die von Sperber.

Mischna, Tosefta und die beiden Talmudim sind halb-systematische Gesetzeswerke, in denen rabbinische Auslegungen des Ersten Testaments daraufhin, wie man zu handeln habe, in mehrere Bücher gesammelt wurden. Die vier Schriftsammlungen haben die selbe Struktur (daher „halb-systematisch“): Sie sind gegliedert in die selben „Traktate“, die wiederum zu „Ordnungen“ zusammengefasst wurden. Zitiert werden sie z.B. in der Form m.Ber, t.Ber, j.Schab oder b.Pes („[Traktat] Ber[akot] in der M[ischna]“, „[Traktat] Ber[akot] in der T[osefta]“, „[Traktat] Schab[bat] im J[erusalemer Talmud]“ und „[Traktat] Pes[achim] im b[abylonischen Talmud]“; s. die hilfreiche Tabelle im WiBiLex). Die Mischna wurde Anfang des 3. Jahrhunderts fertig gestellt, die Tosefta etwas später, der Jerusalemer Talmud Anfang des 5. Jh.s und der babylonische Talmud im Großen und Ganzen wahrscheinlich Ende des 5. Jh.s, wurde aber auch danach noch mindestens bis ins 7. Jh. weiterbearbeitet. Die in diesen Schriften gesammelten Auslegungen jüdischer Rechtsgelehrter sind aber älter und reichen teilweise zurück bis Anfang des 2. Jh.s v. Chr. und damit klar noch in die textkritisch relevanteste Zeit, und weil dort oft auch angegeben wird, auf welchen Rabbi eine bestimmte Auslegung zurückgeht, lässt sich das späteste Alter einer Auslegung häufig recht genau bestimmen. Ein Beispiel:

Rabbah bar bar Chana (frühes 4. Jh.) sagte, dass Rabbi Jochanan (spätes 3. Jh.) gesagt habe: Die Wasserrohre [im Altar] wurden an den sechs Schöpfungstagen geschaffen. [...Ähnlich] lehrte man in der Schule von Rabbi Jischmael (frühes 2. Jh.): Bereschit [„im Anfang“ in Gen 1,1] lese man nicht bereschit, sondern bara schit[„er schuf ein Wasserrohr“]. (b.Suk 49a) –

ein Beispiel für eine Auslegung, die sicher nicht als Textzeuge für eine Vokalisierungstradition bara schit genommen werden darf, aber wahrscheinlich ein indirekter Zeuge dafür ist, dass man schon in der Schule von Rabbi Jischmael im 2. Jh. darüber nachdachte, warum das erste Wort der Bibel nicht bareschit, sondern bereschit gesprochen wurde.
Von allen vier Schriftsammlungen gibt es mehrere kritische Editionen, de facto werden sie in der neuesten Exegese und Textkritik aber meistens nach der Edition zitiert, die sich auf der Seite sefaria.org findet.

Midraschim schließlich sind Sammlungen nicht-juridischer rabbinischer Auslegungen des Ersten Testaments. Sie gehören zu den merkwürdigsten Werken der Weltliteratur überhaupt: Biblische Texte werden in diesen zerstückelt, verbogen, mit den fernliegendsten anderen Bibelstellen kombiniert und kreativst weitererzählt, um nur ja jedes Quäntchen an Bedeutung, das vielleicht im biblischen Text verborgen liegen könnte, an die Oberfläche zu bringen. Wenn Jon 2,1f. z.B. der Fisch einmal maskulin als dag und einmal feminin als dagah bezeichnet wird, wird dies im Talmud dazu verwertet, um zu überlegen, ob man große oder ob man kleine Fische nicht essen dürfe:

Es wird gelehrt, dass Rabbi Schimon ben Elazar (2. Jh.) sagte: „[Sagt man:] ‚dag [gilt mir als fluchwürdig], daher werde ich dergleichen nicht essen‘ – dann ist es verboten, große, und erlaubt, kleine Fische zu essen. [Sagt man dagegen:] ‚dagah‘ [gilt mir als fluchwürdig], daher werde ich dergleichen nicht essen – dann ist es [verboten], kleine, und erlaubt, große Fische zu essen.“ Rav Pappa fragte Abaye (beide 4. Jh.): „Woraus kann man das [überhaupt] ableiten – ‚dag [gilt mir als fluchwürdig], daher werde ich keine großen [Fische] essen?‘ Daraus, dass geschrieben steht: ‚Und der Herr entsandte einen großen dag, damit dieser Jona verschlinge‘. [Und wenn du mich nun fragst:] ‚Aber steht nicht auch geschrieben: ‚Dann betete Jona zu dem Herrn, seinem Gott, aus dem Bauch des dagah‘? [Auch einen großen Fisch scheint man also als dagah bezeichnen zu können].‘ [Dann sage ich:] ‚Das ist gar nicht schwierig: Vielleicht hat ihn ja ein großer Fisch ausgespuckt und danach ein kleiner Fisch verschluckt.‘ (b.Ned 51b)

Der Midrasch dagegen fabuliert zunächst eine Tour durch das Meer, die Jona mit dem Fisch als Reiseleiter unternimmt und mithilfe derer diverse Zeilen aus Jonas Gebet in Jon 2 „erklärt“ werden (z.B.: „Er zeigte ihm den großen Strom, aus dem die Wasser des Ozeans hervorfließen, wie es [in Jon 2,4] heißt: ‚Und ein Strom umgibt mich.‘ Dann zeigte er ihm die Pfade im Schilfmeer, auf denen die Israeliten gezogen waren, wie es [in Jon 2,6] heißt: ‚Schilf war um mein Haupt gebunden‘.“). Dann fährt er fort und lässt den Fisch sprechen:

„Jona, siehe, du befindest dich jetzt gegenüber dem Heiligtum des Ewigen; bete, und du wirst erhört werden.“ Jona war bereits drei Tage im Leibe des Fisches und er betete nicht. [Jon 2,1]. Da sprach der Heilige, gebenedeit sei er!: „Ich habe ihm zu weit gemacht den Raum im Leib des Fisches, damit er sich nicht ängstige, und er betet nicht zu mir! Jetzt will ich ihm eine Fischmutter schicken, die mit 365.000 kleinen Fischen schwanger ist, damit er in Angst gerät und zu mir betet, denn ich sehne mich nach dem Gebet der Gerechten!“ In dieser Stunde bestimmte ihm der heilige, gebenedeit sei er!, eine schwangere Fischin, und sie schwamm zum Fisch und sprach zu ihm: „Der Heilige, gebenedeit sei er!, sendet mich, den Mann, den Propheten, der in deinem Leibe ist, zu verschlingen. Wenn du ihn ausspuckst, dann ist's gut; wenn nicht, verschlinge ich dich mit ihm.“ Der Fisch sprach zur Fischmutter: „Wer weiß, ob das, was du sagst, wahr ist...“ Sie antwortete: „Der Leviathan weiß es.“ Da schwammen beide zum Leviathan. Die Fischmutter sprach zum Leviathan: „Oh König der Fische im Wasser, weißt du nicht, dass mich der Heilige, gebenedeit sei er! zu diesem Fisch geschickt hat, um den Propheten, der in seinem Leib ist, zu verschlingen?“ „Jawohl“, antwortete dieser. Der Fisch fragte den Leviathan: „Wann [hast du das gehört?]“ „In den letzten drei Stunden. Als der Heilige, gebenedeit sei er!, herabkam, um mit mir zu spielen, hörte ich, dass er zur Fischmutter sagte: ‚Geh und verschlinge den Propheten, der im Leib des Fischs ist!‘“ Sofort spuckte der Fisch den Jona aus, und die Fischmutter verschlang ihn. Als er in ihren Leib kam, geriet er in große Angst wegen dem Schmutz und Unrat des Fisches. Sofort richtete er sein Herzs aufs Gebet vor dem Heiligen, gebenedeit sei er!: Und Jona betete zum Ewigen, seinem Gott, aus dem Bauch der Fischin [Jon 2,2]. (Üs. nach Wünsche)

Die Deutung im Talmud, nach der das Femininum einen kleineren Fisch anzeige, wird also aufgegriffen. Gleichzeitig wird das Femininum auch als Genus genommen und der Fisch als Fischin erklärt, und als Kollektivum und daher Fisch-Schwarm aus 365.000 Fischen interpretiert. Auf diese Weise bezeugen sowohl Talmud als auch Midrasch das unerwartete Femininum in Jon 2,2.
Anders als in Mischna, Tosefta und Talmud lassen sich die Erzähltraditionen in den Midraschim oft nicht datieren. Manche Midraschim sind aber recht alt – der Seder Olam Rabbah etwa stammt aus dem 2. Jh. n. Chr.; Sifre / der „Midrasch Halakah“ sammelt nur Auslegungen von Rabbinen aus dem 1.-4. Jahrhundert –, und allein schon, weil sich in ihnen die kuriosesten Erzählungen und Auslegungen finden, lohnt immer auch ein Blick in die jüngeren Midraschim.
Von den Midraschim zum Pentateuch und zu den fünf Megillot, die man meist als die „großen“ Midraschim bezeichnet (z.B. BerR = Midrasch Bereschit Rabbah = „der große Midrasch zu Genesis“), gibt es oft mehrere aktuelle kritische Editionen, die i.d.R. als Einzelwerke und nicht in Schriftreihen erschienen sind. Für die „kleineren Midraschim“ verwendet man meist noch die Editionen von Salomon Buber, obwohl diese häufig nicht mehr den neueren Standards der Textkritk genügen. Hervorzuheben ist außerdem aber das Midrash Project, in dessen Rahmen aktuell viele Midraschim kritisch ediert wurden oder werden und das Textvarianten im Midrasch-Synopsen online frei zugänglich macht.

Frühe Kommentatoren[Bearbeiten]

Etwa ab dem 10. Jahrhundert sind Bibelkommentare von rabbinischen und karäischen Juden überliefert. Ihr textkritischer Wert liegt weniger darin, dass sie außer-masoretische Textfamilien bezeugen würden, als darin, dass die frühesten von ihnen noch vor der Niederschrift der großen Muster-Codices schrieben und auch die späteren noch Kenntnis von alternativen Schreibweisen außerhalb des masoretischen Mainstreams hatten und davon auch berichten. Einige sehr wichtige sind Saadia Gaon (frühes 10. Jh.) mit seinen Kommentaren über den Pentateuch, die Megillot, Ijob, Ps, Jes und Dan; die Karäer Daniel al-Kumisi (frühes 10. Jh.) mit seinen Kommentaren über Lev und Dtn und Yefet ben Eli (10. Jh.) über die ganze Bibel; etwas jünger ist die Gruppe der „Rischonim“, den „ersten“ Bibelkommentatoren, zu deren bekanntesten Raschi, Nachmanides („Rambam“), Raschbam, Gerschon („Ralbag“), Joseph, Moses und David Kimchi (letzterer: „Radak“), ibn Tibbon, Kaspi und Abravanel gehören. Sehr viele von ihnen findet man online besondres komfortabel in den Mikraot Gedolot auf alhatorah.org, viele auch auf sefaria.org, wo einige darüber hinaus sogar auch schon ins Englische übersetzt sind.

Textzeugen in kritischen MT-Editionen: Ein Beispiel[Bearbeiten]

Aus diesen Textzeugen müssen wie gesagt zunächst Textvarianten gesammelt werden, bevor sie bewertet werden können. Das ist eine aufwändige Aufgabe: Mit den verschiedenen Handschriften der unterschiedlichen Textzeugen gibt es hunderte von Schriften, die dafür durchsucht werden müssten, und für jedes Kapitel ergeben sich so hunderte von Varianten, die gesammelt werden könnten. Die verschiedenen Editionsprojekte, die diese schiere Menge an Varianten vorsortieren wollen, müssen daher unterschiedliche Kompromisse machen. Vor allem diese Kompromisse sind es, die dazu führen, dass auch diese Projekte nicht immer ihren Ansprüchen genügen können. Im Folgenden soll dafür die BHQ-Edition von Ri 13 als Exempel dienen (auch deshalb, weil die textkritische Kompetenz ihres Autors, Natalio Fernández Marcos, außer Frage steht). Hier eine Beispielseite dieser Edition:

Ri 13,1-12.png

Der groß gedruckte Text auf der oberen Seitenhälfte ist der Grundtext der BHQ, also der Text des Codex Leningradensis. Kleiner daneben und darunter gedruckt ist die Masora, die in zwei eigenen Abschnitten jeden Bandes auch eigens erläutert wird. Darunter das Herzstück der BHQ: Die Sammlung der wichtigsten Textvarianten im „Varianten-Apparat“, von denen einige besonders relevante ebenfalls am Ende jeden Bandes noch in einem eigenen Kommentar erläutert werden.

Ri 13 habe ich textkritisch ausführlicher hier kommentiert und begnüge mich daher hier damit, wahrscheinliche Fehler von Fernández Marcos aufzuzählen:

  • In V. 2 erwähnt BHQ neben „sie hatte nicht geboren“ nicht die Variante „und sie hatte nicht geboren“ in mindestens fünf masoretischen Handschriften, die aber trotz ihrer schwachen Bezeugung vermutlich ursprünglich ist.
  • In V. 4 wird übersehen, dass mehrere LXX-Zeugen und VL das heb. na` („doch“) nicht stützen, was wahrscheinlich ebenfalls ursprünglich ist.
  • Im selben Vers steht „trink nicht“ gegen „und trink nicht“. Laut BHQ haben VUL und Syr die kürzere und MT, LXX und Tg die längere Variante. Nicht erwähnt wird, dass auch viele MT-MSS, wenige LXX-MSS und hier außerdem VL gegen die LXX-Mehrheit die kürzere Variante stützen. Auch hier ist außerdem wohl das textkritische Urteil von BHQ das falsche.
  • In V. 6 steht laut BHQ „ich habe ihn gefragt“ in LXX und VUL gegen „ich habe ihn nicht gefragt“ und MT, Tg und Syr. Wieder wird verschwiegen, dass erstens LXXB anders als die anderen LXX-Zeugen tatsächlich ebenfalls MT stützt, und zweitens nicht, dass wenige hebräische MSS wiederum LXX stützen. BHQ's textkritisches Urteil ist aber wahrscheinlich richtig.
  • In V. 7 wird nicht erwähnt, dass in wenigen LXX-MSS, SyH und VUL „zu mir“ fehlt. Wieder ist die kürzere Variante sogar die wahrscheinlich ursprüngliche.
  • In V. 8 legen drei unterschiedliche Phänomene in hebräischen Handschriften nahe, dass nicht MT's lana´ar hajjullad („für den Knaben, der geboren werden wird“) ursprünglich war, sondern dass für die ganze Phrase teilweise nur „den Knaben“, teilweise stattdessen „das Kind“ (hajjeled) im Umlauf war. Weil BHQ weder Varianten in heb. Handschriften verzeichnet noch auf die masoretische Akzentuierung achtet, wird keines der drei Phänomene erwähnt.
  • In V. 10 ist BHQ fehlerhaft: Angeblich stützen VUL, Tg und Syr alle MT's bajjom („am Tag“) gegen LXX's „an diesem Tag“. Tatsächlich wird MT's „am Tag“ nur von LXXN und SyH gestützt, während LXXB, A, L, Tg und Syr alle „an diesem Tag“ voraussetzen. Das textkritische Urteil ist trotzdem richtig.
  • In V. 20 wird nicht erwähnt, dass das Wort „Altar“ in LXXA und SyH fehlt.
  • In V. 23 steht MT's „aus unserer Hand“ gegen „aus unseren Händen“ in anderen Textzeugen. Laut BHQ sind dies LXX und VUL, tatsächlich stützt aber auch LXXB den Wortlaut von MT. Das textkritische Urteil von BHQ ist hier und im vorigen Fall dennoch wahrscheinlich richtig.
  • Im selben Vers bezeugen LXXL und VL beide „all dies“ statt „derart“. Auch dies wird in BHQ nicht erwähnt; auch hier ist wahrscheinlich gerade diese Variante die ursprüngliche.

In nur 25 Versen stehen in dieser aktuell besten textkritischen Edition des Richterbuchs also schon zehn mindestens ungenaue Angaben; bei sechs davon wird u.a. deshalb wahrscheinlich auch falsch geurteilt. Oft deshalb, weil nicht genau genug bei LXX-Zeugen differenziert wird und weil auf das Zeugnis der masoretischen Handschriften fast gar keine Rücksicht gegeben wird. Dies sind die Kosten der Kompromisse, die die BHQ machen muss. Legt man Wert auf gründliche Textkritik, entbindet also auch die Existenz textkritischer Ausgaben nicht davon, noch einmal selbst die alten Textzeugen zu sichten und zu gewichten.


Gründe für Unterschiede zwischen Textzeugen des Alten Testaments[Bearbeiten]

Wie oben schon gesagt, lassen sich Differenzen zwischen Textzeugen des Alten Testaments grob erklären durch (1) alternative Texttraditionen, (2) bewusste Änderungen am Text und (3) Lese- und Schreibfehler.

(1) Unterschiedliche Traditionen.
Besonders offensichtlich ist dies in den Fällen, in denen sich zwei Textzeugen darin unterscheiden, dass unterschiedliche Synonyme des selben Worts oder der selben Phrase verwendet werden. Einige Beispiele dafür haben z.B. Talmon 1961; Carr 2011, S. 25-33; gesammelt; eines davon: Jes 49,6 MT: „um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten Israels zurückzubringen“ vs. 1QJesa: „Um die Stämme Israels aufzurichten und die Bewahrten Jakobs zurückzubringen“. Eine solche Differenz lässt sich kaum anders erklären als so, dass der Vers aus dem Kopf niedergeschrieben wurde und sich dabei ein kleiner Fehler eingeschlichen hat.
Bspp. in 2 Sam 22 / Ps 18: FN a und FN b zu V. 2; FN d zu V. 3; FN n zu V. 8; FN v zu V. 14; FN by zu V. 49.

(2) Bewusste Änderungen: Schreiber konnten aus verschiedensten Gründen in den Text ihrer Vorlage eingreifen, um sie bewusst zu ändern. CTAT I, S. XVIIIf. hat gut in verschiedene Typen solcher bewussten Änderungen kategorisiert; die wichtigsten:

Vereinfachung, also stilistische Änderungen, um Schreibung, Syntax oder Stil zu vereinfachen, z.B., indem ungewöhnliche Schreibungen normalisiert wurden, seltene Ausdrücke oder syntaktische Konstruktionen durch üblichere ersetzt wurden oder der Text klarer gemacht werden sollte.
Bspp.: FN x zu V. 15; FN an zu V. 28; FN bh zu V. 41; FN bx zu V. 48.
Assimilation: Folgten zwei oder mehrere unterschiedliche Ausdrücke oder Konstruktionen aufeinander, wurde häufig die eine an die andere angeglichen.
Bspp.: FN h zu V. 5; FN k zu V. 7; FN m zu V. 8; FN r zu V. 12; FN x zu V. 15; FN aa zu V. 16; FN ak zu V. 25; FN am zu V. 28; FN at zu V. 32; FN au zu V. 33; FN bn zu V. 44; FN ca z V. 49; FN cd zu V. 50.
Manchmal geschahen solche Assimilationen auch aus Versehen, s. z.B. FN t zu V. 13; FN ay zu V. 36; FN bi zu V. 41; FN bm zu V. 43.
Assimiliert werden konnte auch an vergleichbare Texte andernorts in der Bibel. Am 4,9 z.B. beginnt mit den selben vier Worten wie Hag 2,17; Syr ergänzt daher das fünfte Wort aus Hag auch in Am. Gerade im Falle von 2 Sam 22 und Ps 18 stößt man fast in jedem Vers darauf, dass eine Übersetzung den einen Text an den anderen angeglichen hat.
Stilistische Verbesserung.
Bspp.: FN c zu V. 3; FN j zu V. 6; FN ad zu V. 18; FN cc zu V. 50.
Glosse: Bewusste Erweiterung des Textes um ergänzende Wörter oder Sätze. In der älteren Textkritik war die Ausscheidung unliebsamer Wörter als „Glossen“ außerordentlich beliebt; heute nimmt man sehr viel stärker Abstand.
Zu den beiden einzigen wahrscheinlichen Bsp. in 2 Sam 22/Ps 18 s. FN l zu V. 7 und FN bz zu V. 49.
Theologische Änderungen.
Bsp: FN bv zu V. 47.

Bei (3) Lese- und Schreibfehlern gibt es eine Reihe von Standardfällen. Viele davon hat Delitzsch in seinen „Lese- und Schreibfehler im Alten Testament“ erläutert und Beispiele dafür zusammengetragen; hier nur die wichtigsten:

Verlesungen / Verschreibungen

Einige hebräische Konsonanten sehen einander so ähnlich, dass sie leicht verlesen werden konnten; andere wiederum klingen einander so ähnlich, dass sie leicht verlesen werden konnten. Die wichtigsten:

Buchstabe sieht ähnlich aus wie klingt ähnlich wie
א ´ - ע `
ב b ד d
כ k
ר r
פ p
ג g ו w
ז z
נ n
צ
-
ד d ז z
ך k
ר r
-
ה h ח ch
ת t
ח ch
ו w ז z
י j
נ n
-
ז z ו w צ
ח ch ה h
ת t
ה h
כ k
ט ț ש ß / sch ת t
י j ו w -
כ k ב b
פ p
ח ch
ס s ם m צ
ש ß / sch
ע ` צ א ´
פ p כ k ב b
צ ג g
ע `
ז z
ס s
ש ß / sch
ר r ד d
ו w
-
ש ß / sch ט ț ס s
צ
ת t ה h
ח ch
ט ț

Einige davon wurden übrigens bereits im Talmud zusammengetragen: In b.Schab 103b wird gefordert, man solle „makellos schreiben“, also nicht „א als ע und umgekehrt, ב als כ und umgekehrt, ג als צ und umgekehrt, ד als ר und umgekehrt, ה als ח und umgekehrt, ו als י und umgekehrt, ז als נ und umgekehrt und ט als פ und umgekehrt.“

Wichtig v.a. für Spalte 3: Bei vielen solchen klassischerweise als „Schreibfehler“ bezeichneten Phänomenen muss es sich gar nicht notwendigerweise um „Schreibfehler“ gehandelt haben, sondern da es zu dieser Zeit noch keine Wörterbücher und standardisierte Schreibungen gab, könnte es sich jeweils auch schlicht um alternative Schreibweisen handeln.
Bspp: FN e zu V. 4; FN o zu V. 11; FN ag zu V. 21; FN aq zu V. 30; FN bm zu V. 43; FN br zu V. 46; FN cb zu V. 49.

Haplographie: Folgen zwei gleiche Konsonanten auf- oder stehen sie nah beieinander, konnte leicht vergessen werden, diesen Konsonanten ein zweites Mal zu schreiben.
Besonders häufig findet sich dieses Phänomen an Wortgrenzen, wenn also ein Wort auf den selben Konsonanten endet, mit dem auch das folgende Wort beginnt. In diesem Fall ist nicht eigentlich von einem „Schreibfehler“ zu sprechen, sondern von phonetischer Schreibweise: Ähnlich wie im gesprochenen Deutsch in solchen Fällen beide Laute „verschmelzen“ („Wir gehen nach Hause“ = Wirgehnachause), taten sie das auch im Hebräischen und ein Schreiber schrieb dies, wie man es sprach.
Bspp.: FN l zu V. 7; FN s zu V. 12; FN t zu V. 13; FN x zu V. 15; FN y zu V. 16; FN al zu V. 27; FN bj zu V. 42.

Dittographie: Ein Schreiber konnte häufig aus Versehen einen Konsonanten doppelt schreiben.
Auch dies findet sich besonders häufig an Wortgrenzen; wahrscheinlich handelt es sich hier dann oft um nachträgliche falsche Korrekturen von mutmaßlicher phonetischer Schreibung, wie sie eben erläutert wurde.
Bsp: FN ao zu V. 29.

Falsche Wortaufteilung: Wie man an den Abbildungen oben sieht, standen in heb. Schriften Wörter manchmal so eng beieinander, dass nicht immer klar war, wo die Grenze zwischen zwei Worten war. Gelegentlich wurden daher die Konsonanten zweier Wörter an unterschiedlichen Stellen geteilt. In Ps 18 gibt es dafür kein gutes Bsp.; fast einhellig dieser Meinung ist man aber z.B. in 1 Sam 1,24 (bprmšlš > 1. MT, Sym, Tg, VUL: bprm šlš „mit drei Ochsen“, 2. 4QSama, LXX, Syr: bpr mšlš „mit einem dreijährigen Ochsen“) oder in Am 6,12 (bqrjm > 1. Alle Vrs.: bqrjm „[pflügt man] mit Rindern?“; 2. Fast alle neueren Exegeten: bqr jm „[pflügt man] mit Rindern das Meer“?).

Homoiarkton: Beginnen in einem Satz mehrere Worte mit den selben Konsonanten oder mehrere Satzteile mit dem selben Wort, konnte es passieren, dass die Augen des Schreibers beim Schreiben des ersten Wortes / Satzteils zum nächsten Wort / Satzteil sprangen, er stattdessen beim nächsten Wort / Satzteil weiterschrieb und das erste und die dazwischenliegenden Worte / Satzteile vergaß.
Bspp: FN p zu V. 12; FN az zu V. 36.
Ein Beispiel: Der vergessene und rechts nachgetragene Satz beginnt mit wntth, der folgende mit wnttjw:

1 Sam 1,11 in Jena, El. f. 6

Homoiteleuton: Das selbe Phänomen findet sich auch in Fällen, wenn mehrere Worte mit den selben Konsonanten oder mehrere Satzteile mit dem selben Wort enden.
Bsp: FN az zu V. 36.
Ein Beispiel: In Or 4227 hat ein Schreiber in Hos 1,9 den zweiten Satz vergessen, weil dieser mit den selben Worten endet wie der erste Satz (lo` ´ammi). Der Punktator hat den Satz nachgetragen:

Homoiteleuton.png

Ähnlich z.B. Barb. Or 163 in Hos 2,1:

Barb Or 163.png

Besonders „gefährlich“ sind Stellen, bei denen beides auftreten könnte. Ein schönes Beispiel sowohl für Homoiarkton als auch für Homoiteleuton: In Hos 2,21 hat der Schreiber der King's Bible die Hälfte des Verses zu schreiben vergessen, weil diese Vershälfte mit dem selben Wort endet wie das vorangehende Wort (we`eraßtik, Homoiteleuton) und mit dem selben Wort beginnt wie der folgende Versteil (li, Homoiarkton). Der Punktator hat den Versteil nachgetragen:

Homoiarkton.png

Metathesis: Vertauschung der Reihenfolge zweier aufeinanderfolgender Konsonanten.
Bspp: FN q zu V. 12; FN t zu V. 13; FN bt zu V. 46.

Konflation: Falsche Schreibungen wurden gelegentlich nachträglich korrigiert, indem das richtige Wort über das falsche Wort geschrieben wurde. Spätere Schreiber schrieben dann gar nicht selten sowohl das falsche als auch das richtige Wort in den Fließtext. Bei 2 Sam 22 / Ps 18 findet sich z.B. in der Handschrift 4QSama in V. 37 eine solche „supralineare“ Korrektur eines Schreibfehlers.
Bspp.: FN t zu V. 13; FN ao zu V. 29; FN be zu V. 39; FN bm zu V. 43; in 2 Sam 22/Ps 18 bes. häufig in LXXL:2 Sam: FN ak zu V. 25; FN az zu V. 36; FN bc zu V. 37; FN bs und FN bt zu V. 46; FN cf zu V. 51.
Konflationen allerdings sind unterschiedlich zu beurteilen. Nur Konflationen in hebräischen Textzeugen sind regelmäßig Überlieferungsfehler im Hebräischen. Auf Konflationen hindeuten könnten theoretisch aber auch die häufigen Doppelübersetzungen bes. von LXX und Tg. Diese sind dann aber sehr häufig zurückzuführen nicht auf eine Konflation in der hebräischen Textgeschichte, sondern in der griechischen und aramäischen. Zwei schöne Beispiele:
(1) In Ri 1,10 ist die Rede von der Stadt Kirjat-Arba, in V. 11f. von der Stadt Kirjat-Sefer. LXX übersetzt die zweite Stadt mit „Stadt der Schreiber“, in V. 10 dagegen findet sich der Stadtname Kariatharboksefer. Ohne Zweifel ist dies so entstanden, dass ein Schreiber die „Stadt der Schreiber“ zu Kirjat-Sefer korrigieren wollte, das über die Zeile geschriebene „Sefer“ dann aber mit „Kirjat-Arba“ zusammengeraten ist.
(2)In Am 4,2d steht ein schwieriger Text: „Man wird euch tragen auf Schilden (?) und eure Nachkommenschaft (?) auf/in syrwt dwgh. (V. 3:) (w)prṣym...“ Dieser Text hat zu drei verschiedenen griechischen Varianten geführt: (1) „und eure Nachkommenschaft werden feurige Aufrührer in erhitzte Kessel werfen“, (2) „eure Nachkommenschaft werden feurige Aufrührer in Kesseln [tragen]“, (3) „eure Nachkommenschaft werden sie in erhitzte Kessel werfen.“ Es ist offensichtlich, dass diese Varianten im Griechischen entstanden sind: Die Übersetzergruppe (2) deutete syrwt als „Kessel“, dwgh als „feurig“ und prṣym (das dafür anders vokalisiert werden musste als im MT, s.u.) als „Aufrührer“, die Übersetzergruppe (3) deutete syrwt ebenfalls als „Kessel“, dwgh aber als „erhitzt“, las prṣym gar nicht, und ergänzte stattdessen „aus dem Nichts“ ein Verb („werfen“). Und diese beiden Varianten wurden dann später zu (1) kombiniert. Diese griechische Konflation ist also nicht Zeuge für eine Konflation bereits im Hebräischen, so dass man auf dieser Basis einen Hebräischen Text syrwt dwgh [dwgh] Ø [prṣym] annehmen könnte, sondern entstand komplett innerhalb der griechischen Übersetzungstradition. Man sollte hier also differenzieren zwischen (hebräischen) Konflationen einerseits und (meist: griechischen/aramäischen) Doppelübersetzungen andererseits.

Falsche / „falsche“ Einfügung von Matres lectionis: Die Matres lectionis sind im Masoretischen Text wie gesagt nicht so konsequent gesetzt wie z.B. in vielen Qumran-Handschriften. Häufig ergänzten Schreiber daher nachträglich solche Matres lectionis – häufig an richtigen Stellen, manchmal aber auch an falschen Stellen, so dass dadurch der Sinn des Wortes verändert wurde.
Bspp.: FN aj zu V. 24; FN ax zu V. 35; FN ay und FN ba zu V. 36; FN bd zu V. 38; FN bp zu V. 45.

Falsche Vokalisierung: Die Verschriftlichung der heute gebräuchlichen Vokalisierung stammt aus dem 7./8. Jh. n. Chr. Die Konsonanten vieler Wörter in der heb. Bibel könnten auf verschiedene Weisen vokalisiert werden, was häufig eine unterschiedliche Wortbedeutung ergibt. Dass die Masoreten ein Wort auf eine bestimmte Weise vokalisierten, frühere Übersetzungen die Vokalisierung eines Wortes aber anders deuteten und/oder die richtige Vokalisierung des Wortes vermutlich in der Tat eine andere ist, findet sich sehr häufig.
Bspp: FN bb zu V. 37; FN ce zu V. 51.

Zeilensprung: Ein Phänomen, dass sich besonders häufig in der biblischen Poesie findet, die schon in masoretischen Handschriften und auch schon vorher Zeile für Zeile und nicht kontinuierlich geschrieben wurde. Gelegentlich übersprang ein Schreiber beim Abschreiben biblischer Texte ganze Zeilen; manchmal wurden diese Zeilen dann nach den bereits geschriebenen Zeilen „nachgeliefert“.
Bspp.: FN ab zu V. 16; FN bs zu V. 46. Ein schönes Beispiel ist auch Ps 145,13f, wo in diesem alphabetischen Psalm die ganze N-Zeile entfallen, aber in einer Handschrift, LXX und Syr erhalten ist.

Falsche Aufteilung in Verse / Kapitel: Die schriftliche Aufteilung in Verse stammt wie gesagt aus dem 6.-7. Jh. n. Chr., die Aufteilung in Kapitel gar erst aus dem 13./15. Jh. Auch hier finden sich nicht selten Fehler.
Schöne Beispiele für Fehler bei der Aufteilungen in Kapitel sind schon das erste Kapitel der Bibel, Gen 1, das nicht mit V. 31, sondern erst bei Gen 2,3 endete, oder das sog. „vierte Gottesknechtslied“, das sich hauptsächlich in Jes 53 findet, dessen erste beide Verse aber noch in Jes 52 zu finden sind; ein schönes Bsp. für falsche Versaufteilung ist Ps 25,2, wo in diesem alphabetischen Psalm vor der B-Zeile ein zusätzliches Wort steht, das wohl noch zu V. 1 gehört.
Bsp.: FN af zu V. 20.

Durchführung: 2 Sam 22 und Ps 18[Bearbeiten]

1 Für den Chorleiter. Vom Diener JHWHs, von David, welcher sprach zu JHWH die Worte dieses Lieds am Tag, als JHWH ihn rettete aus der Handfläche all seiner Feinde und aus der Handfläche (Hand)a Sauls. 2 Und er sagte:

Ich will dich lieben, JHWH, meine Stärke! ({Ich will dich lieben, JHWH, meine Stärke}, Deine Erbarmungen, JHWH, [sind] meine Stärke)!b
3 JHWH [ist] mein Fels und meine Burg und mein {meiniger} Retter,
Mein Gott (Gott)c [ist] (,) mein Berg, zu dem ich fliehe (auf den ich vertraue),
Mein Schild, das Horn meiner Rettung, meine Klippe (Festung) [und meine Zuflucht,
Mein Retter, vor Gewalttat wirst du mich retten!]d
4 Als Lobenswerten (verwundet)e will ich anrufen JHWH
Und von meinen Feindenf will (werde) ich gerettet werden.


5 Denn ({denn}g es umgaben mich Wogen (Stricke)h des Todes,
{Und}i die Flüsse Belias werden mich erschrecken!
6 Die Stricke des Scheol umfingenj mich,
Es ereilten mich die Schlingen des Todes.
7 [Ich sagte:] „In meiner Not will ich anrufen JHWH
Und zu meinem Gott will ich schreien (anrufen).k
Er soll hören (und er hörte)i in seinem Tempel meine Stimme
Und mein Schreien soll kommen in seinem Ohr ([sei] in seinem Ohr; soll zu seinem Gesicht kommen, in sein Ohr)!“l


8 Da wanktem und schwankte die Erde
Und ({und})i die Pfeiler der Berge (die Pfeiler des Himmels)n bebten und wankten
Denn es loderte in ihm.
9 Es stieg Rauch aus seiner Nase
Und Feuer fraß aus seinem Mund;
Kohlen brannten aus ihm hervor (entbrannten durch es).
10 Und er öffnete (neigte) den Himmel und stieg herab
Und eine Wolke (Dunkelheit) [war] unter seinen Füßen.
11 Und er ritt auf einem Kerub und flog
Und schoß herab (und er wurde gesehen)o auf den Flügeln des Windes.


12 Und er setzte (er wird setzen)i Dunkelheit als seine Bedeckung ({als seine Bedeckung})p um sich
[Seine] (seine)q Hütte [waren] Massen von Wassern ([war] Dunkelheit von Wassern)r in den Wolken des Himmels (, Wolken des Himmels)s
13 Aus dem Glanz vor ihm gingen {seine Wolken} aus
Hagel und (Aus dem/Im Glanz vor ihm brannten)t Kohlen von Feuer.
14 Und es donnerte (es wird donnern)i aus demu Himmel JHWH
Und Eljon wird geben seine Stimme{:
Hagel und Kohlen von Feuer}.v
15 Und er warf ([seine])w Pfeile und zerstreute sie,
{Und}i einen Blitz schoß er (Blitze)x und verwirrte sie.
16 Und es wurden gesehen die Betten der Wasser (des Meeres)y
Es werden bloßgelegt werden (und es wurden bloßgelegt)i die Fundamente der Erde
Durchz dein Schelten, JHWH (durch das Schelten JHWHs),aaab
Durch das Schnauben des Windes deiner (seiner)aa Nase.


17 Er möge (wird) senden aus der Höhe,ac mich ergreifen (und ergriff mich),i
Mich herausziehen aus vielen Wassern,
18 Es möge mich retten vor meinem Feind der Starke (vor meinen starken Feinden)ad
Und ({und)i vor meinen Hassern, weil sie kräftiger sind als ich!
19 Sie werden mir entgegentreten am Tag meines Unglücks,
Aber JHWH wurde zu meiner (war meine)ae Stütze:
20 Er führte mich ins Weite.af


Er wird mich retten, weil er Gefallen hat an mir:
21 Es wird mich belohnen JHWH entsprechend meiner Gerechtigkeit,
Entsprechend der Reinheit meiner Händeag wird er mir zurückgeben,
22 Denn ich wahrte die Wege JHWHs
Und handelte nicht böse vonah meinem Gott,
23 Denn all seine Gesetzte [waren] vor mir
Und seine Satzungen werde ich nicht von mir stoßen (von seinen Satzungen werde ich nicht abweichen)ai
24 Und ich verhielt mich gegen ihn perfekt
Und ich hütete mich (und ich will mich hüten)aj vor meinen Fehlern.
25 Und es gab JHWH mir zurück entsprechend meiner Gerechtigkeit
Entsprechend meiner Reinheit (der Reinheit meiner Hände)ak vor seinen Augen.


26 [Dem] Bundestreuen gegenüber wirst du dich bundestreu erweisen,
Und ({und})i [dem] perfekten Mann gegenüber wirst du dich perfekt erweisen,
27 [Dem] Reinen gegenüber wirst du dich rein erweisen,al
Dem Falschen gegenüber wirst du dich verkehrt erweisen.al
28 Du (denn du; und das)am rettest das arme Volk,
Doch die Augen Erhobener (erhobene Augen; deine Augen [sind] gegen Erhobene)an beugst du nieder.
29 Ja, du [bist] ([wirst erleuchten])ao meine Lampe, JHWH,
{Und}i Mein Gott (JHWH)ap wird erhellen meine Dunkelheit.
30 Ja, mit dir werde (kann) ich überrennen (zerschmettern) eine Truppe (Wand),aq
Und ({und})i mit meinem Gott werde (kann) ich eine Mauer überspringen.


31 Gott – perfekt [ist] sein Weg.
Das Wort JHWHs ist erprobt (ein Schild, ein erprobter Schild),ar
Ein Schild ist er für alle, die (für die, die)as auf ihn vertrauen (die zu ihm flüchten).
32 Ja, wer ist Gottat außer JHWH
Und wer ein Berg außerat unserem Gott –
33 Dem Gott, [der] mich stärkt (mich gürtet, mir hilft, meine Zuflucht)au [mit] Kraft
Und der machte (frei machte, hüpfen ließ, führte)av meinen Weg perfekt,
34 der gleich machte meinen Fuß einer Gazelle
Und mich auf meine ({meine})aw Höhen stellte,
35 Der trainierte meine Hände für den Kampf
Um zu stärken (um spannen zu lassen?, und er wird herabsenken, so dass zerbrochen werden kann, und du wirst führen, und du wirst geben)ax [wie] einen Kupferbogen meine Arme!?
36 Und du gabst mir den Schild der (deiner, meiner)ay Rettung
Und deine rechte Hand wird mich stützen ({Und deine rechte Hand wird mich stützen})az
Und dein Erhören (dein Antworten/Demütigen/Schreien, deine Demut, deine Hilfe)ba wird mich vergrößern.
37 Du wirst weit machen meine Schritte (meinen Schritt)bb unter mir,
Und nicht wankten meine Knöchel.bc


38 Ich werde (will)bd nachjagen meinen Feinden und sie erreichen
Und werde nicht umkehren, bis ich sie zerstört habe.
39 {Und}i ich werde sie ({fressen,})be zerschmettern und sie werden sich nicht erheben können,bf
{Und}i sie werden unter meine Füße fallen!
40 Und du gürtetestbg mich mit Kraft für den Kampf,
Du wirst beugen die sich [gegen] mich erheben unter mich!bg
41 Und meine Feinde, du gabstbh mir den Rücken;
{Und}i meine Hasser (den Rücken meiner Hasser und)i werde ich vernichten (wirst du vernichten, wirst du töten).bi
42 Sie werden schreien (achten)bj und es [wird] nicht geben einen Retter,
zu (gegen)bk JHWH und er antwortete ihnen nicht.
43 Und ich werde sie zermalmen wie Staub auf dem Gesicht des Weges (auf dem Gesicht des Windes, der Erde),bl
Wie Kot der Straße werde ich sie ausschütten (zerschmettern; zerstampfen; zerschmettern, zerstampfen; ausbreiten).bm


44 {Und}i du wirst mich retten aus den Auseinandersetzungen des Volkes (meines Volkes, der Völker),bn
Du wirst mich einsetzen (erhalten)bo als Haupt der Heiden,
Ein Volk, [das] ich nicht kenne (kannte), wird mir dienen.
45 Auf Gehörtes (auf das Hören)bp des Ohrs [hin] werden sie auf mich hören,
Söhne von Ausländern werden mir heucheln (Ergebung heucheln),bq
46 Söhne von Ausländern werden vergehen (davonfließen, gefangen)brbs
Und sich gürten (hervorzittern?)bt mit ihren Banden (aus ihren Umfriedungen, von ihren Straßen).bu


47 [So wahr] Gott lebt: Gesegnet [sei] mein Fels (mein Gott; der mich schafft)bv
Und erhoben werden soll der Gott (soll Gott, der Fels)bv meiner Rettung,
48 Der Gott, [der] (der) mir Rache gab (gibt)bw
Und unterjocht hat (gesprochen hat, unterwirft)bx Völker unter mich,
49 {Und}i der mich meinen Feinden entkommen lässt (herausholt, herausholte),by
{Ja, (vor dem Zorn meiner Feinde, vor meinen zornigen Feinden, und)}bz mich erhöhen wird über die, die sich gegen mich erheben,
Der du mich von dem Mann der Gewalttaten (Gewalttat)ca befreiten wirst (erhalten wirst).cb


50 Darum will ich dich preisen, JHWH, unter den Heiden (unter den Heiden, JHWH),cc
Und deinem Namen (dem Namen JHWHs)cd singen,
51 Der groß macht das Heil (Siege) (der ein Turm des Heils [ist] für)ce seines Königs
Und erweist Bundestreue seinem Gesalbten,
David (zu Geschlecht)cf und seinen Nachkommen auf ewig.


aTextkritik: „Hand“ nach den meisten Ps-Mss – auch 11QPsc;
„Handfläche“ nach den meisten 2 Sam-MSS, also das selbe Wort wie zuvor. Einige heb. Handschriften des Psalms gleichen die Formulierung des Psalms an die von 2 Sam an, einige heb. Handschriften von 2 Sam an die des Psalms.
LXX, VUL und Hier haben an beiden Stellen das selbe Wort. Das aber ist nicht aussagekräftig: Auch sonst, wenn sich in einem Vers „Handfläche“ und „Hand“ beieinander finden, übersetzen LXX und VUL die beiden Wörter häufig mit dem selben Wort, s. z.B. Ps 71,4; Jes 1,15; 62,3; Jer 15,21; anders aber z.B. Spr 31,19f..
Tg gleicht beide Texte aneinander an, ändert aber jeweils das zweite Wort in „Schwert“, wohl in Orientierung an Ps 17,13f.. Syr übersetzt in 2 Sam eine sehr andere Überschrift und hat den Vers in Ps gar nicht. Von Aq, Sym und Theod sind hier keine wichtigen Lesarten überliefert. Tg, Syr, Aq, Sym und Theod können für diese Frage also vernachlässigt werden. Können Textzeugen für eine textkritische Frage vernachlässigt werden, erwähnt man sie in der Textkritik i.d.R. nicht; wird im Folgenden also nichts über bestimmte Textzeugen gesagt, heißt das, dass sie für die jeweilige textkritische Frage keine Rolle spielen.
Man könnte diese unterschiedlichen Lesarten entweder (1) damit erklären, dass schon in der Phase der mündlichen Tradierung die beiden Varianten entstanden und so von Beginn der Niederschrift an nebeneinander standen, (2) damit, dass in Ps das eine der beiden gleichen Wörter variiert werden sollte und daher nachträglich zu „Hand“ geändert wurde oder (3) dass in 2 Sam die beiden unterschiedlichen Wörter aneinander angeglichen werden sollten und daher nachträglich das „Hand“ an „Handfläche“ angeglichen werden sollte. Ebenso, wie sich häufig die Variation kaph („Handfläche“) - jad („Hand“) findet (s.o.), findet sich auch häufiger ein doppeltes (mi)jad ... u(mi)jad („(aus) der Hand ... und (aus) der Hand“) oder (mi)kaf ... u(mi)kaf („(aus) der Handfläche ... und (aus) der Handfläche“); s. z.B. Gen 9,5; Ex 18,10; Ri 6,9 für jad und 2 Kön 16,7 für kaf. Es lässt sich also kein guter Grund dafür ausmachen, warum ein Schreiber die Abfolge mikaf ... umijad oder mikaf ... umikaf verändern hätte sollen; man sollte also von zwei nebeneinander bestehenden Traditionen ausgehen und in 2 Sam das zweite Wort ebenfalls mit „Handfläche“, in Ps aber mit „Hand“ übersetzen. (Zurück zu Lesefassung v.1)
bTextkritik: Der erste Satz des Gedichts findet sich in der Ps-Version, nicht aber in der 2 Sam-Version. LXXK, Aq, Sym, Theod, VUL, Tg stimmen mit ihren jeweiligen Quelltexten überein, LXXL allerdings hat den Satz auch in 2 Sam. Auch Syr hat den Satz in beiden Versionen, gleicht aber häufig die eine Version an die andere an.
Dass der Satz auch in LXXL:2 Sam steht, spricht etwas mehr für die Ursprünglichkeit des Ps-Wortlauts; dass hier aber ein ganzer Satz entfallen sein soll, eher dafür, dass es sich wieder um zwei eigenständige Traditionen handelt.
In 11QPsc sind statt dem Wort ארחמך die drei Konsonanten [ ]רחמ erhalten. Van der Ploeg vermutet, es seien die Anfangsbuchstaben von רחמתך („Ich liebe (statt: will lieben) dich“) wie in Jes 54,8; 60,10. Für diese Änderung gäbe es aber keinen Anlass. Näher liegt vielleicht die Annahme, dass der Wortbeginn zu ergänzen ist zu רחמך („deine Erbarmungen“), wie es sich noch häufiger mit folgendem „JHWH“ in den Ps findet: s. bes. Ps 25,6; 119,156; auch 40,11; 51,3; 69,16; 79,8; 119,77. Diese Korrektur liegt nahe; רחם steht eigentlich nicht für das Lieben hierarchisch tiefer Stehender, sondern das müttergleiche Erbarmen vonseiten Höhergestellter; der Satz in Ps ist daher recht hart. Die Version in 11QPsc dagegen wäre zu übersetzen als „Deine Erbarmungen, JHWH, [sind] meine Stärke“, woran sich dann sehr glatt V. 3 anschlösse. Diese Variante ist aber nur hier bezeugt und daher als nachträgliche Korrektur zu werten. (Zurück zu Lesefassung v.2)
cTextkritik: אלהי („Gott“) nach 2 Sam,

אלי („mein Gott“) nach Ps, auch 11QPsc.

Syr gleicht wieder beide Versionen aneinander an. Die Targumim dagegen haben ebenfalls leicht verschiedene Gottesbezeichnungen (אלהי vs. אלהא). In 2 Sam findet sich „mein Gott“ statt „Gott“ auch in einigen LXX-Handschriften.
In 2 Sam findet sich vor אלהי außerdem statt ומפלתי („mein Retter“) ומפלתי־לי („mein meiniger Retter“); das ־לי ist überflüssig, passt nicht gut ins Schema des restlichen Verses und findet sich in einer solchen Konstruktion nur sehr selten (vgl. JM §146f; s. aber ebenso Ps 27,2).
Teil der poetischen Strategie des Verses ist es klar, viele auf i auslautende Worte aufeinanderzuhäufen: sel`i umtsudathi umpalti(-li) ´eli/´elohej tsuri ´echseh-bo magini weqeren jisch`i mißgabi (umnusi moschi`i mechamas thoschi`eni). Es ist schwer vorstellbar, dass einem Schreiber diese Strategie entgangen sein und er desungeachtet ´eli zu ´elohej korrigiert haben sollte; ebenso schwer vorstellbar ist aber, dass der ursprüngliche Autor zu ´elohej gegriffen haben sollte, wenn gleichzeitig ´eli zur Verfügung stand. Am ehesten sollte man daher ´eli als ursprünglich ansehen (was die LXX-Handschriften stützen, die auch in 2 Sam mit „mein Gott“ übersetzen) und das h darauf zurückführen, dass die Augen eines Schreibers aufgrund des gleichen Wortbeginns von אלי und אחסה beim Schreiben zum zweiten Wortes abirrten und er fälschlicherweise aus diesem ein ה in אלי eintrug (Homoiarkton).
Das merkwürdige ־לי muss man wahrscheinlich so erklären, dass ein Schreiber die poetische Strategie des Verses noch unterstützen wollte durch die Einfügung eines weiteren auf -i auslautenden Wortes, das nichts am Sinn des Verses ändert. (Zurück zu Lesefassung v.3)
dTextkritik: Unproblematisch, aber interessant ist, dass sich Zeile a in 2 Sam schon in V. 2 findet. Wichtiger: Zeile d findet sich nur in 2 Sam, nicht aber in Ps. Die Handschriften und Versionen stützen diesen Unterschied; ein recht klarer Fall zweier eigenständiger Traditionen. (Zurück zu Lesefassung v.3)
eTextkritik: mehullal („als Lobenswerten“) nach 2 Sam + Ps (wie z.B. in Ps 113,3),
mechollal (wie in Jes 53,5, was übrigens auch schon Kraus 1961, S. 138 bereits vor Bekanntwerden von 11QPsc als Korrektur des Verses vorgeschlagen hat) oder mechullal (wie in Ez 36,23: „verwundet“) nach 11QPsc. Die beiden Lesarten unterscheiden sich nur in den sich sehr ähnlich sehenden und auch ähnlich klingenden Konsonanten ה h vs. ח ch (Lese-/Schreibfehler, s.o.). Die anderen MSS und Versionen stützen aber 2 Sam und Ps (Syr allerdings zieht „lobenswert“ noch in den vorigen Vers: „meine lobenswerte Festung“).
Wieder ist die Lesart von 11QPsc sicher sekundär, wieder stimmt auf diese Weise der Vers aber recht gut zusammen mit dem folgenden Vers, obwohl der Übergang von Lob zu Schilderung der Not so recht hart wäre. Neben dieser Lesart finden sich in 11QPsc in diesem Vers außerdem die ungefähr gleichbedeutende Lesart אקראה („ich will rufen“) statt אקרא („ich will/werde rufen“); schon jetzt zeichnet sich also ab, dass 11QPsc entweder recht frei mit seiner Vorlage umgegangen ist oder zu einer anderen Textfamilie gehört als der protomasoretische Text (s. schon in V. 2 und z.B. nächste FN). (Zurück zu Lesefassung v.4)
fTextkritik: In 2 Sam und Ps finden sich die beiden gleichbedeutenden orthographischen Varianten ומאיבי und ומן־איבי („und von meinen Feinden“). Die Variante von 2 Sam findet ich in Ps auch in 11QPsc und ist damit vermutlich die ursprüngliche. (Zurück zu Lesefassung v.4)
gTextkritik: „denn“ findet sich in 2 Sam, nicht aber in Ps. Die MSS und die meisten Vrs. stützen ihre jeweiligen Quelltexte, nur Syr gleicht wieder beide Versionen aneinander an und hat „denn“ auch in Ps; in LXXL dagegen fehlt es in 2 Sam. Es gibt also keine starken Indizien für eine nachträgliche Einfügung oder Streichung und man sollte von zwei nebeneinander bestehenden Traditionen ausgehen. (Zurück zu Lesefassung v.5)
hTextkritik: mischberej-mawet („Wogen des Todes“ wie in 1QHod 11,8f.) in 2 Sam,
cheblej-mawet („Stricke des Todes“ wie in Ps 116,3) in Ps.
Weil sich cheblej auch in V. 6 findet, betrachten die meisten Exegeten das cheblej im V. 5 von Ps als nachträgliche Angleichung an V. 6 und mischberej als ursprünglich. LXX, VUL und Syr scheinen auf den ersten Blick auch in 2 Sam cheblej zu stützen, doch im Zhg. mit chebel kann offenbar auch mischbar die Bed. „Krampfwelle, Wehe“ haben; vgl. 1QHod 11,8f.: „Ich litt wie eine Frau, über die Geburtswehen kamen, als sie die das erste Mal [ein Kind] gebar. Wehen (chablej) kamen über ihren Geburtsstuhl (maschberejha) ..., denn Kinder kommen hervor wie Wogen des Todes (mischberej-mawet), und die einen Knaben Erwartende wird durch ihre Wehen (chablejha) bedrängt, denn unter Wogen des Todes (mischberej-mawet) gebiert sie.“ Die Tatsache, dass sowohl LXX als auch VUL an beiden Stellen mit unterschiedlichen Worten übersetzen, legt nahe, dass ihnen diese Bed. bekannt war und auch ihnen in 2 Sam mischberej und nicht cheblej vorlag. Ist das so, ist der Mehrzahl der Exegeten recht zu geben und mischberej als die ursprüngliche Variante anzusehen.

Tg ist so zu erklären, dass die Konsonanten von mschbr sowohl gedeutet werden können als mischbar („Wogen“) als auch als maschber („Geburtsstuhl“) und die von chbl sowohl als chebel („Stricke“) als auch als chēbel („Geburtswehen“). Tg etwa deutet beide Worte jeweils als die zweite Variante, kombiniert beide Worte und umschreibt mit einer Anspielung auf 2 Kön 19,3 / Jes 37,3: „Denn Beschwerden umgaben mich wie eine Frau, die auf dem Geburtsstuhl sitzt, nicht die Kraft zum Gebären hat und Gefahr geht zu sterben.“

Auf chēbel („Geburtswehen“) könnte in einem Wortspiel auch mit chebel („Stricke“) 6a angespielt werden. 5a geht dann in einem Wortspiel parallel mit 6a und in der wörtl. Bed. mit 5b: „Die Wogen (Krampfwellen) des Todes umgeben mich, / es werden mich erschrecken die Flüsse des Belial. / Die Stricke (Wehen) des Scheol umfangen mich...“. (Zurück zu Lesefassung v.5)
iTextkritik: Eine von vielen Stellen, an der die eine Version ein „und“ hat, die andere aber nicht; s. Vv. 5.7.8.12.14.15.16.18.(26.)29.30.39(bis).41.44.49. Manchmal ändert sich hierdurch sogar das „Tempus“ des Verbs, z.B. in Vv. 7.14.16. Textkritisch lässt sich meist nicht ausmachen, welche der Versionen jeweils wahrscheinlicher die ursprüngliche ist. Je älter aber ein Gedicht ist, desto seltener scheint es solche „unds“ zu verwenden (vgl. Cross/Freedman 1997, S. 83f.). Außer in Fällen, in denen die MSS und Vrs. stark für die Ursprünglichkeit der Konjunktion sprechen (Vv. 8.12.18.26.30) werden sie in diesen Fällen daher hier als nachträglich eingefügt betrachtet.
Eine solche Regelung zur „automatischen“ Entscheidung in solchen Fällen tut hier Not. Als Beispiel dafür, wie merkwürdig dieses Phänomen und wie schwierig jeweils die textkritische Entscheidung ist, kann V. 17 dienen: Drei Verben folgen hier aufeinander, im MT stets im selben „Tempus“, nämlich Yiqtol („Er möge senden, möge mich ergreifen, JHWH möge mich herausziehen aus vielen Wassern“). In einigen Textzeugen steht vor dem zweiten Verb aber ein w, was das zweite Verb in ein anderes Tempus setzt: „Er möge senden und er ergriff mich, JHWH möge mich herausziehen aus vielen Wassern!“ Warum sollte ein Schreiber in diese Reihe ein w einfügen und so eine schlecht passende Verbform in den Text eintragen? Andererseits, warum sollte hier ursprünglich eine derart schlecht passende Verbform im Text gestanden haben? Offensichtlich hat die Setzung des w auch nichts mit dem Zeilenbeginn zu tun, wie schon einige Exegeten gemutmaßt haben, da das Wort das letzte in seiner Zeile ist und w derart mitten in der Zeile steht. Aus den Textzeugen lässt sich gleichfalls nichts ableiten; das w wird offenbar gesetzt oder weggelassen unabhängig vom jeweiligen Quelltext: Ohne w in 2 Sam, Ps, 4QPs, 4QSama, beiden Tg, mit w aber in 11QPsc, beiden LXX (auch LXXL:2 Sam), beiden VUL, beiden Syr. Textkritisch verantwortbare Entscheidungen lassen sich in solchen Fällen i.d.R. nicht treffen. (Zurück zu Lesefassung v.5 / zu Lesefassung v.7 / zu Lesefassung v.8 / zu Lesefassung v.12 / zu Lesefassung v.14 / zu Lesefassung v.15 / zu Lesefassung v.16 / zu Lesefassung v.17 / zu Lesefassung v.18 / zu Lesefassung v.26 / zu Lesefassung v.29 / zu Lesefassung v.30 / zu Lesefassung v.39 / zu Lesefassung v.41 / zu Lesefassung v.44 / zu Lesefassung v.49)
jTextkritik: 2 Sam: sabbuni vs. Ps: sebabuni (beides: „es umfingen mich“). Bei Verba mediae geminatae wie sabab existieren manchmal beide gleichbedeutende Formen nebeneinander. In der Ps-Version klingt das Verb schön zusammen mit ´afafuni in V. 5; wahrscheinlicher ist daher, dass das Verb nachträglich von sabbuni mit sebabuni an ´afafuni angeglichen wurde. sabuni statt sebabuni findet sich in Ps auch in wenigen MSS. (Zurück zu Lesefassung v.6)
kTextkritik: 2 Sam hat in Zeilen 1 und 2 das selbe Verb, Ps (auch nach 4QPsc, 11QPsc und 5/6ḤevPs) in Z. 2 ein anderes Verb, wobei sich das von diesem zweiten Verb abgeleitete Substantiv in beiden Versionen in Zeile 4 findet. LXX, Tg, Syr und VUL haben in 2 Sam unterschiedliche Verben; sicher wurde es also in MT nachträglich an Z. 1 angeglichen. (Zurück zu Lesefassung v.7)
lTextkritik: In 2 Sam ist die letzte Zeile sehr kurz, in Ps dagegen überladen. In VUL zu 2 Sam findet sich eine weitere Lesart:
  1. ושועתי לפני תבוא באזני („und mein Schreien soll vor sein Gesicht kommen, in sein Ohr“): Ps, LXXPs, VULPs, Syr
  2. ושועתי תבוא באזני („und mein Schreien soll kommen in sein Ohr“): VUL2 Sam
  3. ושועתי באזני („und mein Schreien [sei] in seinem Ohr“): 2 Sam, LXX2 Sam
Die Variante von VUL2 Sam ist auch keine automatische Angleichung, da VUL das Verb in beiden Versionen unterschiedlich übersetzt (2 Sam: venit, Ps: introivit). Am elegantesten lässt sich dies damit erklären, dass lefanaiw („zu seinem Gesicht“) eine nachträgliche Glosse zu be´oznaiw ist. In 2 Sam kann dann tabo´ durch Haplographie ausgefallen sein, man beachte die Konsonanten: ושועת(י) תב(ו)א באזני (vgl. Cross/Freedman 1997, S. 98). Die ursprüngliche Version wäre dann die aus VUL2 Sam. (Zurück zu Lesefassung v.7)
mTextkritik: Sowohl nach den Konsonanten von Ps (auch 5/6ḤevPs) als auch nach denen von 2 Sam steht das Verb im Qal, wodurch das Verb gut zusammenklingt mit dem folgenden „schwankte“: watig`asch (watir`asch). In der Vokalisierung von 2 Sam dagegen haben die Masoreten die Verbform angeglichen an die, die sich auch in der folgenden Zeile finden: watitga`asch. Die Konsonanten für diese Form findet sich in 2 Sam auch in vielen MSS, es ist dies aber sicher eine spätere Angleichung an Zeile 2; auch, weil sich das Qal des Wortes sonst nicht mehr in der Bibel findet, der Hithpael aber auch in Jer 5,22; 46,7. (Zurück zu Lesefassung v.8)
nTextkritik: „Pfeiler der Berge“ (wie in Dtn 32,22) in Ps,
„Pfeiler des Himmels“ in 2 Sam; vgl. ähnlich Ijob 26,11.
Die Variante von 2 Sam wird gestützt durch LXX und Tg, in VUL und Syr aber findet sich auch hier „Pfeiler der Berge“. Es gibt keinen guten Grund, warum eine der beiden Versionen zur anderen korrigiert worden sein sollte; in 2 Sam ist daher wohl der „Himmel“ und in Ps die „Berge“ ursprünglich. (Zurück zu Lesefassung v.8)
oTextkritik: וירא („und er wurde gesehen“) in 2 Sam,
וידא („und er schoß herab“) in Ps.
In 2 Sam haben auch viele MSS, LXX, Tg, Syr und VUL „und er schoß herab“ – ein klarer Fall eines Lese-/Schreibfehlers. (Zurück zu Lesefassung v.11)
pTextkritik: סתרו („als seine Bedeckung“) findet sich nicht in 2 Sam, aber in Ps und wird dort auch gestützt von 8QPs und 5/6ḤevPs. In 2 Sam findet es sich außerdem in LXX, VUL, Syr und wohl auch Tg („er ließ seine Schechina wohnen“). Der Ausfall in 2 Sam ist damit wegen dem folgenden וסביבותי als Homoiarkton zu erklären. (Zurück zu Lesefassung v.12)
qTextkritik: סכות („Hütte“) in 2 Sam,
סכתו („seine Hütte“) in Ps.
Seine Hütte“ findet sich in 2 Sam auch in LXX und Syr, außerdem als סכו in einigen MSS; nicht aber in Tg und VUL (wo aber jeweils das ganze Wort fehlt).
Die Vertauschung der Buchstaben ת t und ו w in 2 Sam ist daher als Metathesis zu erklären. (Zurück zu Lesefassung v.12)
rTextkritik: חשרת („Massen“) in 2 Sam,
חשכת („Dunkelheit“) in Ps (auch 11QPsc), also eine andere Form des Wortes aus Zeile 1. Auch in 2 Sam las LXXL chaßak, hatte also mit choschek auch die selbe Form des Wortes vorliegen wie in Z. 1, und auch LXXK und Syr setzen auch hier cheschkat statt chaschrat voraus, nicht aber VUL. Tg kombiniert beide Lesarten: „und mächtige Wasser aus der Masse dunkler Wolken“. Trotz dieser nicht schwachen Bezeugung ist wohl chaschrat ursprünglich, wurde dann mit choschek an Z. 1 angeglichen und dies dann mit chaschrat vor Augen zu cheschkat variiert. (Zurück zu Lesefassung v.12)
sTextkritik: „in den Wolken des Himmels“ lässt sich mit keiner heb. MS stützen. „In Wolken der Luft“ oder „aus Wolken der Luft“ (o.Ä.) findet sich aber in jeder Vrs.: „in“ in LXXPs, Syr2 Sam, SyrPs, VULPs, Tg2 Sam; „aus“ in LXX2 Sam (wo auch noch ein Verb ergänzt wird: „Er vermehrte sie aus Wolken der Luft“); VUL2 Sam, TgPs. Wahrscheinlich ist also nach מים durch Haplographie (s.o. zu Haplographien an Wortgrenzen) ein מ („in, aus“) ausgefallen. (Zurück zu Lesefassung v.12)
tTextkritik: Statt den drei Worten עביו עברו ברד („seine Wolken gingen aus, Hagel“) in Ps hat 2 Sam nur בערו („brannten“). Die Versionen stützen ihren jeweiligen Quelltext, nur Syr übersetzt wieder an beiden Stellen wie in Ps und LXXL:2 Sam hat die Mischform עברו ברד („ging aus Hagel“) ohne vorangehendes עביו („seine Wolken“). Am leichtesten lassen sich diese Lesarten mit der von LXXL:2 Sam erklären: In Ps wäre עברו unter Einfluss des עבי aus der vorigen Zeile zu עביו verschrieben und dann beide Lesarten kombiniert worden (Konflation), in 2 Sam durch Haplographie (עברו ברד) zunächst barad ausgefallen und dann wegen des übrig gebliebenen Objekts („Feuerkohlen“) עברו („gingen aus“) verschrieben worden zu בערו („brannten“, Metathesis). Ähnlich schon Kraus 1961, S. 139; Nötscher 1959, S. 43. (Zurück zu Lesefassung v.13)
uTextkritik: מן־שמים („aus dem/im Himmel“) in 2 Sam,
בשמים („im/aus dem Himmel“) in Ps. Beide Präp. bedeuten letztlich das Gleiche. מן statt ב findet sich in Ps aber auch in einigen MSS, LXX, VUL, Hier, Tg und ist daher wohl ursprünglich. (Zurück zu Lesefassung v.14)
vTextkritik: Die letzte Zeile, die exakt die letzte Zeile aus V. 13 wiederholt, fehlt in 2 Sam, dort hat aber LXXL interessanterweise in der nächsten Zeile „Steinwürfe“ (=Kohlen?) statt „Blitze“ und in der übernächsten Zeile „Hagel“. In Ps findet es sich auch nicht in LXX, aber in Tg, Sym, Theod, Syr, VUL (nicht aber in der heb. Vorlage von LXXSyH, vgl. Hieronymus, Ep ad Sun. et Fret. 9) und Hier und ist auch in 11QPsc teilweise erhalten. Ob dieser sehr starken Bezeugung gehört die Z. also vermutlich schon zum ursprünglichen Text des protomasoretischen Texts von Ps, ist aber im Gedicht 2 Sam 22/Ps 18 sekundär. (Zurück zu Lesefassung v.14)
wTextkritik: „Pfeile“ nach 2 Sam, „seine Pfeile“ nach Ps. Nur „Pfeile“ wie in 2 Sam findet sich in Ps auch in 3 MSS und LXX, „seine Pfeile“aber in VL, VUL, wohl TgPs (da auch in Tg2 Sam) und Syr. Der Vers findet sich außerdem noch einmal in leicht veränderter Form in Ps 144,6, wo auf die Pfeile ebenfalls ein Possessivpronomen folgt. Was die ursprünglichste Version war, lässt sich auf dieser Basis nicht gut vermuten; am besten übersetzt man in 2 Sam ohne und in Ps mit „seine“. (Zurück zu Lesefassung v.15)
xTextkritik: Der Satz ist auf unterschiedliche Weisen überliefert:
  1. ברק („Blitz“): 2 Sam, LXXK: 2 Sam, VUL2 Sam
  2. ברקם („Blitze“): Tg2 Sam
  3. ברק ברק („Er ließ einen Blitz blitzen“): rek. aus Ps 144,6 (wo Imp verwendet wird), LXXL:2 Sam.
  4. ברקם רב („Er schoß Blitze“): Ps, LXXPs, VULPs, Hier, Aq, TgPs, Syr2 Sam, SyrPs
Zwei Anmerkungen vorweg. Erstens: Auch in 2 Sam stehen danach wie in Ps die Konsonanten für „und er verwirrte sie“, die Masoreten (die das Personalpronomen also sicher auf die Blitze bezogen) zeigen aber durch die Vokale an, dass nur zu lesen sei: „und er verwirrte“, was schwerlich Sinn macht. Es zeigt dies aber, wie sich die Hinzufügung des ם in ברקם erklären ließe, nämlich durch eine syntaktische Assimilation an das Possessivpronomen am folgenden Verb. Bei ברק vs. ברקם ist also eher ברק ursprünglich. Zweitens: In Text des Ps findet sich hier ein Hyperbaton: Das erste Verb passt besser zum zweiten Objekt, das zweite zum ersten (zu רבב „schießen“ vgl. Heb. רב „Bogenschütze“, zum „Blitze werfen“ Ijob 38,35). Etwas ähnliches findet sich Hld 1,6, wo man übersetzen könnte: „Seht nicht auf mich herab, weil ich so schwarz bin, weil die Sonne auf mich geblickt hat! Meine Brüder haben auf mich niedergebrannt...“. Was ברק vs. ברק ברק vs. ברק רב angeht, so ließe sich ברק ברק noch als Dittographie erklären, ברק רב aber schwerlich. Wahrscheinlicher ist also, dass ursprünglich auf das erste ברק ein weiteres Wort folgte. Und hier wiederum wahrscheinlicher ist, dass aufgrund der ungewöhnlichen Verwendung der Verben ein ursprüngliches רב (Version 4) schon früh an das vorige Wort zu ברק angeglichen worden ist (Version 3), was in 2 Sam aber durch Haplographie ausgefallen wäre (Version 1). Ursprünglich ist also eher der Wortlaut von Ps, doch ist diese Stelle sehr unsicher und es ist äußerst bemerkenswert, dass gerade die überhaupt nicht zusammenhängenden Textzeugen Ps 144,6 und LXXL:2 Sam gemeinsam ברק ברק überliefern. (Zurück zu Lesefassung v.15)
yTextkritik: מים („der Wasser“) nach Ps, ים („des Meeres“) nach 2 Sam. Der Plural „Betten“ macht sehr wahrscheinlich, dass auch das folgende Wort ein Pluralwort ist und findet sich daher auch sonst nie mit dem singularischen Bezugswort „Meer“ (dafür aber auch in Ps 42,2; Hld 5,12; Joel 1,20 mit dem Pl. „die Wasser“); sehr viel wahrscheinlicher ist also in 2 Sam das erste מ durch Haplographie entfallen. Die Version von Ps haben in 2 Sam auch Syr und Saadia, nicht aber LXX, VUL und Tg; der Ausfall erfolgte also schon vor der Übersetzung in andere Sprachen. (Zurück zu Lesefassung v.16)
zTextkritik: Ps verwendet hier und in der folgenden Zeile zweimal die Präp. מ, 2 Sam nur in der folgenden Zeile, hier aber ב. מ setzen hier aber auch einige MSS, LXXL, VUL, Syr und Saadia voraus; ב ist also recht wahrscheinlich ein Schreibfehler. (Zurück zu Lesefassung v.16)
aaTextkritik: „Durch dein Schelten, JHWH“ und „deine Nase“ nach Ps, „durch das Schelten JHWHs“ und „seine Nase“ nach 2 Sam. Der Unterschied ist jeweils nur ein Konsonant: מגערתך vs. מגערת und} אפך vs. אפו. LXX, VUL, Hier stützen ihren jeweiligen Quelltext, TgPs dagegen hat nur im zweiten Fall „dein“, Syr in beiden Fällen auch in 2 Sam. Aus den Textzeugen lässt sich also nicht erschließen, welches die ursprüngliche Version war, da aber in einer ganzen Reihe von Versen davor und danach stets in der 3. Person von JHWH gesprochen wird, ist es etwas wahrscheinlicher, dass hier eine aus der Reihe fallende Rede in der 2. Person an diese Verse angeglichen wurde. (zu Lesefassung v.16)
abTextkritik: An die vorige Zeile anschließend ist in 4QPsc [ ]ישל erhalten, womit in 2 Sam 22/Ps 18 V. 17a beginnt. Vermutlich wurden hier also Zeilen 16cd und 17ab vertauscht (Flint 1997, S. 87; Zeilensprung). (Zurück zu Lesefassung v.16)
acTextkritik: Die Formulierung dieser Zeile ist exakt die gleiche in 2 Sam und Ps. In Ps 144,7, wo der V. zitiert (und umformuliert und in den Imp. gesetzt) wird, heißt es „sende deine Hand“ (nämlich um mir zu helfen); einige Exegeten halten hiernach ישלח ידו („er möge seine Hand senden“) für ursprünglich. Ps 144,7 erweitert den V. aber noch um weitere Wörter und ist daher nur ein sehr schwacher Textzeuge. (Zurück zu Lesefassung v.17)
adTextkritik: Zwischen „mein Feind“ und „Stärke“ steht ein Personalpronomen, die Wörter stehen also nicht in einem Constructusverhältnis („meine Feinde der Stärke“ = „meine starken Feinde“), sondern „Stärke“ muss wohl als eine Bezeichnung Gottes verstanden werden, die der Kräftigkeit der Feinde und Hasser korrespondiert. Um den Parallelismus zwischen dieser und der nächsten Zeile zu verbessern, beziehen dennoch alle Versionen das „Stärke“ auf Feinde: LXXK: 2 Sam übersetzt dennoch „meine Feinde der Stärke“, ähnlich deutet VULPs („vor meinem stärksten Feind“), LXXL:2 Sam vertauscht die Wortfolge zu „vor der Stärke meiner Feinde“. Einen Schritt weiter in der Parallelisierung gehen LXXPs, VULPs und Syr, die übersetzen, als stünden beide Worte im Pl. („meine starken Feinde“). Noch einen Schritt weiter gehen beide Targumim und machen das zweite Wort zum Verb, um es mit dem folgenden Verb parallelisieren zu können (z.B. TgPs: „denn sie waren stark“ II „denn sie waren mächtiger als ich“) – ein ganzer Blumenstrauß an Strategien, mit denen Textzeugen einen Text nachträglich ändern konnten. Ursprünglich ist sicher der Wortlaut im MT. (Zurück zu Lesefassung v.18)
aeTextkritik: „war meine“ nach 2 Sam, „wurde zu meiner“ nach Ps; der Unterschied liegt nur in einer zusätzlichen Präposition ל in Ps vor „Stütze“. Grammatisch sind beide Konstruktionen gleichermaßen möglich, vgl. Ps 9,10 vs. Ps 94,22. Tg und Syr übersetzen an beiden Stellen wie in 2 Sam, gleichzeitig haben aber viele MSS in 2 Sam den Wortlaut wie in Ps, keine MS aber in Ps den Wortlaut von 2 Sam. Welches die ursprünglichere Version ist, lässt sich nicht mehr entscheiden. (Zurück zu Lesefassung v.19)
afTextkritik: V. 20a und 20b werden in 2 Sam und Ps durch die Akzentuierung der Masoreten zu einer Einheit zusammengezogen. Zeitstufe und Inhalt legen aber nahe, dass Z. 1 und Z. 2 zu zwei us. Strophen gehören (so gut Olshausen 1853, S. 103). Strophenübergänge werden häufiger durch Einzeiler abgeschlossen und eröffnet; die Masoreten aber haben sich oft durch die verbreiteteste Zweizeiler-struktur biblischer Gedichte irreführen lassen und beide Einzeiler als einen Doppelzeiler ausgezeichnet. (Zurück zu Lesefassung v.20)
agTextkritik: LXXL:2 Sam: „Die Herrlichkeit meiner Hände wird er mir zurückgeben“; statt כבר („entsprechend der Reinheit“) lasen sie כבד („Herrlichkeit“), was sich auch in wenigen MSS aus der Cairo Geniza findet. In 4QSama ist die Stelle leider nicht erhalten. So und so handelt es sich aber um einen klaren Lesefehler. (Zurück zu Lesefassung v.21)
ahTextkritik: Die Präp. מ („von“) nach „böse handeln“ ist sehr merkwürdig, findet sich aber an beiden Stellen und wird von allen Versionen gestützt. Cross/Freedman 1997, S. 100 wollen nach Albright emendieren von רשע („böse handeln“) nach פשע („rebellieren“), aber auch hier wäre die Präp. nicht idiomatisch (in 2 Kön 8,20 gibt מתחת יד־יהודה den „sozialen Ort“ an, von dem aus Edom rebelliert). Offenbar heißt רשע hier ausnahmsweise nicht „böse handeln“, sondern „durch böse Handlungen abfallen“ (MÜN: „ich bin nicht frevelhaft von meinem Gott gewichen“). (Zurück zu Lesefassung v.22)
aiTextkritik: „ich werde nicht abweichen von ihnen“ nach 2 Sam (אסור ממנה), „ich werde sie nicht stoßen von mir“ nach Ps (אסיר מני). Der Text von Ps wird in 2 Sam auch gestützt von VUL und Syr, einige Handschriften haben dafür in Ps die selbe Verbform wie in 2 Sam. Wenige Versionen haben in 2 Sam außerdem ממני, also das selbe Wort wie in Ps („von mir“), aber in einer anderen Form, die sich dort ebenfalls in wenigen Handschriften findet. Etwas mehr spricht daher für die Lesart in Ps; das zweite Wort wird urspr. wohl die Form ממני gehabt haben. (Zurück zu Lesefassung v.23)
ajTextkritik: „Und ich hütete mich“ nach Ps, „und ich will mich hüten“ nach 2 Sam; der Unterschied in der Konsonantenschrift liegt nur in einem zusätzlichen ה am Ende des Wortes in 2 Sam. Tg und Syr stützen die Lesart in Ps, das ה ist aber auch in 2 Sam ohnehin sicher eine spätere Hinzufügung (vgl. Cross/Freedman 1997, S. 101). (Zurück zu Lesefassung v.24)
akTextkritik: „entsprechend meiner Reinheit“ nach 2 Sam, „entsprechend der Reinheit meiner Hände“ nach Ps: כברי vs. כבר ידי. Der V. bildet eine Inclusio mit V. 21 und entspricht ihm in der Formulierung sehr (und wird von einigen Exegeten daher sogar komplett als fälschliche Verdoppelung dieses Verses gehalten). Die Variante aus Ps findet sich in 2 Sam und Ps auch in V. 21, scheint also eine bewusste Angleichung an diese Stelle zu sein. „Meiner Hände“ findet sich in 2 Sam aber auch in LXXK, VUL und Syr. LXXL setzt die Konflation כבר ידי כבדי („entsprechend der Reinheit meiner Hände meine Herrlichkeit“) voraus, vermutlich wurde also כבדי zu כבר ידי korrigiert und beides nebeneinander in den Fließtext gesetzt (Konflation), was indirekt den Text von 2 Sam stützen würde, der sicher auch von Tg gestützt wird. Trotz dieser sehr starken Bezeugung lassen sich die beiden Varianten besser damit erklären, dass „entsprechend meiner Reinheit“ ursprünglich und „entsprechend der Reinheit meiner Hände“ eine nachträgliche Angleichung an V. 21 ist. (Zurück zu Lesefassung v.25)
alTextkritik: 2 Sam hat am Ende der beiden Zeilen von V. 27 zwei im Heb. merkwürdige Verbformen: Statt תתברר und תתפתל („du wirst dich rein erweisen“ und „du wirst dich verkehrt erweisen“) in Ps steht hier תתבר und תתפל. Ersteres dürfte man als aramaisierenden (H)ittafal derselben Wurzel (ברר, „rein sein“, vgl. Gesenius 1817, S. 374; Yalon 1932, S. 217) und Letzteres als aramaisierenden (H)itpa´al von תפל (einer aram. Nebenform von טפל, „etw beschmieren, jmdm etwas andichten, jmdm übel nachreden“) analysieren müssen (vgl. Driver 1936, S. 173, zu תפל als NF von טפל vgl. TgO Dtn 1,1 mit TgJ Dtn 1,1): „Dem Reinen gegenüber wirst du dich als rein erweisen, / dem Falschen gegenüber als übler Nachredner“. Auch, wenn diese Analyse Sinn macht, sind ursprünglich sicher die Konsonanten aus Ps, ר resp. ת sind in 2 Sam durch Haplographie ausgefallen und die übrigen Konsonanten von den Masoreten nach aram. Wortbildungsregeln vokalisiert worden. (zu Lesefassung v.27)
amTextkritik: ואת עם („Und das Volk“) in 2 Sam vs. כי־אתה עם in Ps. Die Versionen (selbst Syr) stützen ihre jeweiligen Quelltexte. את vs. אתה wären ursprünglich gleich geschrieben worden; der Unterschied im Konsonantentext liegt also nur in ו vs. (כ(י, der aber nicht gut als Lese-/Schreibfehler erklärbar ist. Zur Setzung von ו s.o.; ו kann also sehr leicht sekundär sein. Am besten sollte man daher mit Cross/Freedman 1997, S. 101 auch das כי als nachträgliche Eintragung aus Vv. 29f. (V. 29 wieder: כי־אתה, V. 30: כי־בך) ansehen und ebenfalls für sekundär halten. Ursprünglich wäre dann nur את עם, was sicher gedeutet werden muss als „Du [wie V. 29], das Volk...“. (Zurück zu Lesefassung v.28)
anTextkritik: עיניך על־רמם („deine Augen sind gegen Erhobene“) in 2 Sam vs. עינים רמת („erhobene Augen“) in Ps. Ps wird durch alle Ps-Versionen gestützt, 2 Sam durch LXXK. Syr übersetzt wieder wie in Ps, hier aber außerdem LXXL und auch in der Vorlage von Tg und VUL feht על („gegen“: „mit deinen Augen beugst du Hochmütige“). Ursprünglich schien also einander mindestens gegenüberzustehen „mit deinen Augen wirst du Hochmütige beugen“ und „erhobene Augen wirst du beugen“. Auffällig ist außerdem, dass eine ganze Reihe von Versionen übersetzen mit „die Augen von Hochmütigen“, was עיני רמם תשפל voraussetzt; vorauszusetzen sind also die Lesarten
  1. עיניך רמם תשפל („mit deinen Augen wirst du Hochmütige beugen“: 2 Sam, Tg2 Sam, VUL2 Sam
  2. עיני רמם תשפל („die Augen Hochmütiger wirst du beugen“): LXXL:2 Sam, LXXPs, VULPs, QuintaPs,
  3. עינים רמת תשפל („erhobene Augen wirst du beugen“): Ps, 5/6ḤevPs, AqPs, SymPs, HierPs, Syr.

Zu diesem V. ist ein Fragment aus Origines Hexapla erhalten. Den hebr. Text transkribiert er mit οὐνναϊμ ραμωθ θε[σ]φιλ, übersetzt עינים רמת aber unerklärlicherweise dennoch nicht mit „erhobene Augen“, sondern „die Augen Erhobener“ (ὀφθαλμοὺς ὑπερηφάνων) wie in Quinta.

Am leichtesten erklären lassen sich diese Varianten, wenn man in (2) die „Augen“ mit einem enklitischen Mem rekonstruiert, wie schon Cross/Freedman 1997, S. 101 vorgeschlagen haben: עני-מ רמם תשפל. Wg. dem enkl. Mem wäre das Wort in (1) und (3) für Status absolutus gehalten, in (1) aber als Ausdruck für die Augen Gottes gedeutet und daher das ם in ך geändert worden, in (3) dagegen für die Augen der Gegner und entweder, um dies klarzustellen, der Genus von „erhoben“ geändert oder unabhängig davon das ם unter Einfluss des folgenden ת zu ת verschrieben worden. (Zurück zu Lesefassung v.28)
aoTextkritik: 2 Sam: „Du [bist] meine Lampe“ vs. Ps: „Du wirst erleuchten meine Lampe“. Die Versionen stützen ihren jeweiligen Quelltext, nur Syr und Saadia übersetzen in 2 Sam wieder wie in Ps, außerdem einige MSS und wenige LXX-MSS. Am leichtesten lassen sich diese us. Lesarten erklären, wenn man in Ps „meine Lampe“ für eine Korrektur von „du wirst erleuchten“ hält (Konflation), das ursprünglich wohl „du bist mein Licht“ gelautet hat (s.o. zu Dittographien an Wortgrenzen): כי את [ת]אר [נר] יהוה. Zu Gott, der „Lampe des Beters“, vgl. Jes 60,19f; Joh 8,12; Offb 21,23 und die Personennamen „Ab(i)ner“ („Der Vater ist eine Lampe“), „Admu-neri“ („Admu ist meine Lampe“), „Nerijah(u)“ („Jah(u) ist eine Lampe“), „Uriel“ („Gott ist Licht“), „Urijah(u)“ („Jah(u) ist Licht“) u.a. (Zurück zu Lesefassung v.29)
apTextkritik: „Und JHWH“ nach 2 Sam, „Mein Gott“ nach Ps. Die Versionen stützen ihre jeweiligen Quelltexte, nur Syr übersetzt in 2 Sam wieder wie in Ps; auch wenige LXX-Mss passen an Ps an. Ebenso könnte „JHWH“ aus Z. 1 „mein Gott“ aus Z. 2 verdrängt haben wie ein ursprüngliches „JHWH“ durch „mein Gott“ aus V. 30 verdrängt worden sein könnte; welche Version ursprünglicher ist, lässt sich nicht mehr entscheiden. (Zurück zu Lesefassung v.29)
aqTextkritik: 2 Sam + Ps: גדד („Truppe“) vs. LXXL:2 Sam: גדר („Wand“), ein leicht erklärlicher Schreibfehler unter Einfluss des שור („Mauer“) aus der nächsten Zeile.
Sehr schwer erklärlich ist dagegen LXXPs und Origines („Durch dich werde ich entkommen/gerettet von einer Piratenbande“), wonach noch ferner VULPs („Durch dich werde ich gerettet vor Versuchung“), worüber sich sämtliche Kommentare leider ausschweigen. Durch einen Lese-/Schreibfehler ist die Divergenz nicht zu erklären. Am besten vielleicht so: Die „Piratenbande“ (πειρατήριον) ist klar ein Synonym für die „Truppe“. In Ijob 7,1 wird mit dem selben Wort צבא („Armee, Kriegsdienst“) übersetzt, das dort von LXX als Bild für ein hartes Leben gedeutet wird (MT: „Ist nicht eine Armee/Kriegsdienst dem Menschen [beschieden] auf Erden, [sind nicht] wie die Tage eines Söldners seine Tage?“, LXX aber „Ist nicht das Leben des Menschen eine Piratenbande...?“, ebenso VUL: „Kriegsdienst ist das Leben des Menschen auf Erden...“). Haben LXX und VUL die Aussage, mit Gott könne man eine Armee/eine Truppe „überrennen“, (grammatisch korrekt, in den Wortbedd. aber fernliegend) verstanden als „Mit Gott kann ich [vor] einer Armee davonrennen“, also „durch ihn von ihr gerettet werden“, und VUL das Wort für „Truppe“ wie in Ijob 7,1 als Bild für ein hartes Schicksal, das als solches ein Test/eine Versuchung für den Menschen ist, aufgefasst? (Zurück zu Lesefassung v.30)
arTextkritik: Der gefettete Text ist der von 2 Sam und Ps. Die Zeile ist sehr kurz und in LXX2 Sam schien hier ein weiteres Wort zu stehen: LXXK:2 Sam hat „Das Wort JHWHs ist mächtig, erprobt“ und setzt damit ein zweites magen („Schild“) auch in Zeile 2 voraus (vgl. Ps 47,9); LXXL:2 Sam hat sogar nur dieses Wort: „Das Wort JHWHs ist ein (erprobter) Schild.“ Sehr wahrscheinlich ist dies aber nur zurückzuführen auf einen Schreibfehler in der Vorlage von LXXL, der in der von LXXK korrigert wurde (Konflation). (Zurück zu Lesefassung v.31)
asTextkritik: Zeile 3 lautet gleich in 2 Sam und Ps, ist aber überladen. Zeilen 2 und 3 werden noch einmal zitiert in Spr 30,5, wo aber das „all, ganz“ vor „Rede“ steht: „Das ganze Wort JHWHs ist erprobt, / Ein Schild ist er für die, die zu ihm flüchten“. Einige Exegeten halten dies für ursprünglich, in 2 Sam 22/Ps 18 lässt sich diese Lesart aber nirgends belegen; sicher ist dies eine spätere Änderung zur Verbesserung der Kolometrie und Metrik. (Zurück zu Lesefassung v.31)
atTextkritik: 2 Sam hat in Zeile 1 ein anderes Wort für „Gott“ als Ps (´eloah vs. ´el) und in Zeile 2 das selbe Wort für „außer“ wie in Z. 1, Ps dagegen ein Synonym. Ursprünglich ist wahrscheinlich die Version in Ps und in 2 Sam wurden diese Wörter nachträglich an ihre Parallelen angeglichen (im Falle von „Gott“ nämlich ´el mit ´eloah an ´elohim aus Z. 2). Auch in LXX2 Sam werden die Wörter für „Gott“ in manchen MSS unterschiedlich übersetzt. (zu Lesefassung v.32)
auTextkritik: Von diesem Wort sind ganze fünf unterschiedliche Lesarten überliefert. Einige unterscheiden sich nur durch die Setzung eines zusätzlichen Artikels, der aber sicher sekundär ist; übrig bleiben daher die vier Lesarten
  1. מאזרני me´azreni („der mich gürtet“): Ps, 4QSama, 5/6ḤevPs, LXXL:2 Sam, LXXPs, VLPs, AqPs, SymPs, QuintaPs, VUL2 Sam, VULPs, Hier, TgPs, Syr
  2. מעזרני me`azreni („der mir hilft“): Tg2 Sam
  3. מע(ו)זי me`uzi („meine Zuflucht“): 2 Sam
  4. מעזזי me`azzezi oder besser, da Piel von עזז sonst nicht belegt,
    מעזי me`izi („der mich stärkt“): LXXK:2 Sam
Lesart (2) in Tg2 Sam ist sicher eine Mischbildung aus (1) und (3)/(4) – eventuell aufgrund einer Korrektur von מעזי durch die einzufügenden Konsonanten -רנ-, doch dann wäre wahrscheinlich auch das ע zu א korrigiert worden; wahrscheinlicher also als Analogiebildung aus Lesart (3)/(4) in Orientierung an Lesart (1).
Trotz der (auch in den Versionen zu 2 Sam) starken Bezeugung der Lesart מאזרני, wegen der viele Exegeten diese als ursprünglich ansehen, lassen sich die Lesarten insgesamt zurückführen auf nur drei „Urtexte“: (a) Ps 18 mit einheitlichem מעזרני und (b) 2 Sam, von dem zwei Texttypen existierten: (b1) ebenfalls mit מעזרני in 4QSama und der Vorlage von LXX und (b2) מעזי in Proto-MT, an den LXXK angeglichen wurde. Weil (b2) offensichtlich nicht leicht verständlich ist (vgl. 2 Sam vs. LXXK vs. Tg), ist trotz der starken Bezeugung von Lesart (1) eher (b2) als ursprünglich und (a) und (b1) als Angleichung an V. 40 und die ähnlichen Formulierungen in 1 Sam 2,4 und Ps 93,1 (vgl. auch Jes 11,5) anzusehen (so z.B. auch Cross/Freedman 1997, S. 102; HKL III §277e). Vokalisiert werden sollte aber eher wie in LXXK. (Zurück zu Lesefassung v.33)
avTextkritik: ויתן („und der machte“) in Ps vs. ויתר in 2 Sam. Letzteres lässt sich von drei verschiedenen Worten ableiten: (1) נתר II („frei machen“), so die meisten der Wenigen, die dieser Lesart folgen: „Frei macht er, ohne Fehle, meine Bahn“ (TUR); (2) נתר I („hüpfen“): „er ließ mich perfekt meinen Weg hüpfen“ (nach Graetz 1882, S. 214); (3) תור, wie in Dtn 1,33; Spr 12,26; Ez 20,6 mit der Bed. „führen“ (so Böttcher 1863, S. 244): „Er weist [mir] meinen Weg ohne Tadel“ (nach LUT 45, 12, 84; LUT 17 dagegen folgt der Lesart von Ps).
Die Lesart von Ps findet sich in 2 Sam auch in LXXL, Tg und Syr und wird auch von VUL („der meinen perfekten Weg eben machte“) vorausgesetzt. Wieder stehen einander also v.a. ggü. (1) Ps 18, (b1) 2 Sam 22 in LXXL und LXXSyH und (b2) 2 Sam 22 in MT und LXXK. (b2) ist ohne Zeifel die lectio difficilior (Schmidt 1934, S. 29) und eine Verlesung von ויתר zum grafisch sehr nahen ויתן ließe sich leicht zurückführen auf den Einfluss von V. 31. In 2 Sam 22,33 stehen außerdem aber die Konsonanten für „sein Weg“ statt „mein Weg“, ein klarer Schreibfehler unter dem Einfluss von V. 31, dem keine Version folgt und zu dem auch die Masoreten durch Vokalisierung anzeigen, dass „mein Weg“ zu lesen sei (das selbe findet sich ebenso noch einmal im folgenden Vers mit den Konsonanten für „seine Füße“ und den Vokalen „meine Füße“). Noch leichter lässt sich nach diesem Schreibfehler umgekehrt die Verlesung von ויתן zu ויתר durch den Einfluss von V. 34 erklären: „Er ließ die Perfekten seinen Weg hüpfen, / Er macht meine Füße der Gazelle gleich“. Eher ursprünglich ist daher die Lesart in Ps. (Zurück zu Lesefassung v.33)
awTextkritik: „Meine Höhen“ in 2 Sam, Ps, 4QSama, 5/6ḤevPs, AqPs, SymPs, VULPs, Hier, Tg;
„Höhen“ in LXX (auch LXXL:2 Sam), VUL2 Sam, Syr (CTAT ordnet merkwürdigerweise Syr zum wiederholten Male falsch zu).
Der Vers wird in Hab 3,19 zitiert und auch dort heißt es „meine Höhen“. Der Unterschied liegt nur in der Endung des Wortes auf י, die Divergenz wäre also leicht erklärlich als Haplographie aufgrund des folgenden י am Beginn des nächsten Wortes oder schlicht durch Scriptio defectiva. Welches die ursprünglichere Schreibweise war, lässt sich nicht mehr ermitteln; auch die neueren Üss. sind gespalten zw. beiden Alternativen („Höhen“ z.B. in 16, „meine Höhen“ z.B. in LUT 17). (Zurück zu Lesefassung v.34)
axTextkritik: Schwierige Stelle. 2 Sam überliefert die Konsonanten ונחת, Ps dagegen ונחתה; LXXPs könnte außerdem die Konsonanten ונתתה wie in V. 41 voraussetzen. Die neueren Üss. folgen einstimmig 2 Sam und geben dem Wort die Bedeutung „(einen Bogen) spannen“. Dies ist sehr unwahrscheinlich, denn so findet es sich in keiner der alten Üss., obwohl diese Bed., sollte sie Teil der Wortbedeutung sein, im Zhg. mit dem Substantiv „Bogen“ doch so nahe läge.

Möglich wären alternativ folgende Deutungen:

  1. wenachita von nachah: „Und du wirst führen“, nämlich [wie] einen Bogen meine Arme. So VULPs; ähnlich Driver 1936, S. 173; Driver 1951, S. 248.
  2. wenichat/wenichata von nachat I: „Und er wird/du wirst herabsenken“, nämlich mir den Bogen in meine Arme. So Dahood 1965; evt. LXXPs, VUL2 Sam
  3. wenichat von nachat II (s.u.): „Und er wird stark machen“, nämlich [wie] einen Bogen meine Arme, so Tg, Syr. Vgl. Ez 30,24
  4. wenichatah, eine alte 3.Pl.Fem.-Form (vgl. BL §42o) von nachat II (s.u.): „Und es werden stark sein“, nämlich [wie] ein Bogen meine Arme.
  5. wenichatah von chatat: „Und es wird schwach werden/zerbrochen werden der Bogen“, nämlich durch meine Arme. So LXXK:2 Sam, LXXL:2 Sam; vgl. Jer 51,56
  6. wenatatah von natan: „Und du wirst geben“, nämlich mir den Bogen in die Arme. So evt. LXXPs
Die Divergenz von ונחת vs. ונחתה ist sicher zurückzuführen auf Scriptio defectiva oder falsche Scriptio plena. Zu fragen ist aber außerdem nach dem Grund für die Disparatheit der verschiedenen Übersetzungsvorschläge in den Versionen. Möglich wäre dies: Good 1985 und Görg 1986 (vgl. nun auch DCH V 671, Ges18 808) haben vorgeschlagen, neben נחת I („herabführen“) für unsere Stelle und Jes 30,30 (dort so schon PAT, R-S, TUR) ein נחת II („stark sein, stärken“) anzusetzen, das zusammenhängen könnte mit dem sicheren äg. Kognat nḫt („stark sein, jmdn stärken“, vgl. Erman/Grapow II 314f.) und einem evtl. ug. Kognat nḥt („stark sein, jmdn stärken“, vgl. del Olmo Lete/Sanmartín 628) – beide offenbar, ohne zu realisieren, dass dies in der Tat an beiden Stellen die Üs. von Tg und Syr ist. Dass es gerade diese beiden Vrs. sind, könnte nahelegen, dass נחת II ebenso wie נחת I ein Aramäismus ist, der als solcher von den anderen Versionen missverstanden wurde. Versuchsweise sei daher hier Option (3) vorgezogen. (Zurück zu Lesefassung v.35)
ayTextkritik: „Den Schild deiner Rettung“ in 2 Sam, Ps, beiden VUL, Hier, offenbar VL (vgl. Hieronymus, Ep ad Sun. et Fret. 9) vs. „den Schild meiner Rettung“ in beiden LXX vs. „den Schild der Rettung“ in beiden Tg und Syr. Ursprünglich ist wohl die Lesart aus Tg und Syr. Von LXX wurden die Konsonanten ישע unter dem Einfluss von Vv. 3.47 als defektive Schreibung von ישעי gedeutet, von 2 Sam und Ps dagegen unter dem Einfluss des folgenden, ebenfalls auf ך endenden Wortes zu ישעך verschrieben. (Zurück zu Lesefassung v.36)
azTextkritik: Diese Zeile fehlt in 2 Sam, dort auch in LXXK (ursprünglich wohl auch in LXXL; der überlieferte Text ist eine Konflation aus Z. 3 nach 2 Sam und Z. 2-3 nach Ps), VUL, Tg; sicher aufgrund von Homoiarkton/Homoiteleuton: וימינך תסעדני וענתך (Zurück zu Lesefassung v.36)
baTextkritik: 2 Sam: וענתך wa`anotka („dein Erhören/Demütigen/Schreien“) vs. Ps: וענותך we`anwatka („dein Demut“) vs. 4QSama: ועזרתך wa`ezrateka („dein Hilfe“). Letzteres wird durch keine der Vrs. gestützt und ist sicher eine Verschreibung der Konsonanten aus Ps unter dem Einfluss von Dtn 33,29 und Ps 33,20; 115,9-11 (ist aber schon vor dem Bekanntwerden der Qumran-Schriften von Olshausen 1853, Wellhausen 1895 und Kissane 1953 als Korrektur des heb. Textes vorgeschlagen worden). Die Konsonanten aus Ps finden sich auch in vielen MSS von 2 Sam, in einigen außerdem auch die selben Vokale. Ursprünglich sind sicher die Konsonanten aus 2 Sam, die in manchen MSS plene geschrieben und auf dieser Konsonantenbasis daher auch als `anwatka gedeutet werden konnten.
Viele Üss. folgen noch dem Textkorrekturvorschlag z.B. von Houbigant 1777 und Herkenne 1936, ähnlich wie in Ps 77,10 channoteka zu lesen: „Dein Gnädig-sein“. So teils 16 (?), HER05, H-R, LUT 17, MEN, van Ess, ZÜR 31. (Zurück zu Lesefassung v.36)
bbTextkritik: Die Konsonanten des Worts könnten sowohl für den Sg. als auch für den Pl. stehen. MT deutet an beiden Stellen als Sg., LXX, VUL, Syr dagegen als Pl., was wohl näher liegt. (Zurück zu Lesefassung v.37)
bcTextkritik: 2 Sam und Ps stimmen hier gemeinsam mit den meisten Vrs. im Text überein.

In LXXL:2 Sam dagegen findet sich wieder eine Konflation: An eine MT recht stark entsprechende Zeile (Z2) schließt sich eine sehr unterschiedliche Zeile an (Z3), die aber sehr wahrscheinlich ebenfalls auf Verschreibung aus MT zurückgeht. Sehr wahrscheinlich war Z2 ursprünglich eine Korrektur von Z3 und ist dann zu Z3 in den Fließtext gerutscht:
MT: תרחיב צעדי תחתני ולא מעדו קרסלי: „Du wirst weit machen meine Schritte unter mir und nicht wanken meine Knöchel.“
Z2: תרחיב ) צעדי תחתני ולא מעדו צעדי): „Du wirst weit machen meine Schritte unter mir und nicht wanken meine Schritte.“
Z3: תרחיב צעירים חתתני ולא עמדו קמם לי: „Du wirst weit machen, Geringe machten mich verrückt und nicht standen die sich Erhebenden wider mich.“

LXXL übersetzt daher: „Du machtest weit meine Schritte unter mir, ich bin nicht schwach in meinen Schritten; Geringe machten mich verrückt und nicht lauerten auf mich die Gegner.“
In 4QSama sind nach „Du wirst weit machen meine Schritte unter mir“ nur noch die Konsonanten ול („und ni“) erhalten, darüber beginnt ein supralineare Korrektur, von der ähnlich nur noch ולא מ („und nicht wa“) erhalten sind. Cross 2005, S. 183 will auf dieser Konsonantenbasis wie in Z.3 von LXXL ולא עמדו קמי und für die Korrektur ולא מעדו קרסלי rekonstruieren, doch da sich von den erhaltenen drei Wörtern zwei von LXXL unterscheiden, sollte man diese hier besser nicht zur Basis einer Rekonstruktion von 4QSama machen. (Zurück zu Lesefassung v.37)
bdTextkritik: Ps: „werde nachjagen“ vs. 2 Sam: „will nachjagen“. Der Unterschied liegt nur in einem zusätzlichen ה am Ende des ersten Wortes in 2 Sam. Ursprünglich ist sehr wahrscheinlich die Lesart von Ps, an die in 2 Sam der Vokalbuchstabe -(a)h angehängt wurde. (Zurück zu Lesefassung v.38)
beTextkritik: Von diesem Versbeginn sind wieder vier verschiedene Lesarten überliefert. Zwei davon unterscheiden sich nur durch Setzung oder Streichung von „und“, sie können hier also vernachlässigt werden (zu „und“ s.o.). Zu berücksichtigen ist auch das letzte Wort von V. 38, כלותם (urspr. כלתם, „ich habe sie zerstört“):
  1. כלתם אמחצם („... bis ich sie zerstört habe. Ich werde sie zerschmettern...“): Ps, 5/6ḤevPs, alle Vrs.Ps, 4QSama, Syr2 Sam
  2. כלתם ואכלם ואמחצם („... bis ich sie zerstört habe. Und ich werde sie fressen und zerschmettern...“): 2Sam, LXX2 Sam, VUL2 Sam, Tg2 Sam
Am leichtesten lässt sich die Lesart von 2 Sam so erklären: כלתם wurde recht früh verschrieben zu כלם, dies wieder korrigiert zu כלתם, beide Varianten nebeneinander gesetzt und כלם dabei korrigiert zu אכלם. Ursprünglich ist also wahrscheinlich der Wortlaut von Ps. (Zurück zu Lesefassung v.39)
bfTextkritik: „erheben können“ wird in Ps mit dem Hilfsverb „können“ ausgedrückt, in 2 Sam dagegen durch abilitives Yiqtol (יכלו קם vs. יכמן). Theoretisch könnte יכלו leicht aus יפלו („sie werden fallen“) entstanden sein; gerade die Lesart mit יכלו findet sich aber neben Ps und Vrs.Ps auch in Tg2 Sam und Syr2 Sam (LXX und VUL stützen 2 Sam). Welche Lesart die ursprünglichere ist, lässt sich nicht mehr entscheiden. (Zurück zu Lesefassung v.39)
bgTextkritik: In 2 Sam stehen hier zwei gleichbedeutende, aber im Vergleich zu den Ps kontrahierte Wortformen: watazreni vs. wat´azreni und tachtai vs. tachteni. Ursprünglich sind wahrscheinlich die Varianten in 2 Sam (vgl. Cross/Freedman 1997, S. 104), obwohl die Form watazreni in 2 Sam gram. nicht korrekt ist. (zu Lesefassung v.40)
bhTextkritik: Ps: נתתה („du gabst“) vs. 2 Sam: תתה. Ergänzt man zu Letzterem das י vom Ende des vorigen Wortes (s. oben zu Haplographien an Wortgrenzen), wäre יתתה („du gabst“) von *יתן zu lesen, einer sonst nicht belegten Nebenform von נתן (vgl. DCH IV 342f.; Cross/Freedman 1997, S. 103; Dahood 1965, S. 114). Vielleicht ist aber auch schlicht z.B. mit Houbigant 1777 נ zu ergänzen oder mit Gesenius 1817, S. 139; Rosenmüller 1826, S. 128 der Ausfall von נ als Aphäresis (Ausfall eines Lauts am Wortbeginn wie in ´s ist seltsam statt Es ist seltsam) zu erklären. Ursprünglich ist jedenfalls wahrscheinlich die Form in 2 Sam und findet sich auch in wenigen Ps-MSS; die Bed. des Wortes ist nach jeder der Erklärungen gleichbedeutend mit der von Ps. (Zurück zu Lesefassung v.41)
biTextkritik: אצמיתם („ich werde sie vernichten“) in 2 Sam, Ps, 4QSama, LXXL:2 Sam, VUL2 Sam, Tg, Syr;
תמיתם („du wirst sie töten“) in LXXK:2 Sam;
תצמית („du wirst vernichten“) in LXXPs, VULPs, Hier.
Ursprünglich ist sicher die erste Lesart. Weil auch das Verb in Z. 1 2.Pers. ist, wird zunächst אצמיתם zu תצמיתם verschrieben worden sein. In der Vorlage von LXXK:2 Sam ist hiervon das צ und in der von LXXPs, VULPs, Hier das ם ausgefallen. (Zurück zu Lesefassung v.41)
bjTextkritik: „schreien“ nach Ps, „achten“ nach 2 Sam. Alle Versionen (wohl auch Tg, gg. CTAT) stützen den Wortlaut von Ps und auch das „antworten“ in Z. 2 legt stark die Richtigkeit von Ps nahe. Der Unterschied in den Konsonanten liegt nur in einem zusätzlichen Waw in Ps: ישעו vs. ישועו. Angezielt war sicher ein Wortspiel: Der „Retter“, heb. משיע, kommt vom heb. Verb ישע („retten“), das sowohl dem Verb in Ps als auch noch mehr dem in 2 Sam sehr ähnlich ist. LXXK:2 Sam kann dieses Wortspiel sogar ins Gr. übertragen: boäsontai („sie werden schreien“) kai ouk estin boäthos („Helfer“). Das fehlende Waw in 2 Sam ist ws. aufgrund von Haplographie unter Einfluss dieses Wortspiels entfallen. (Zurück zu Lesefassung v.42)
bkTextkritik: „gegen JHWH“ nach Ps, das idiomatischere „zu JHWH“ dagegen bei 2 Sam, 4QSama, LXX, VUL. Angezielt war sicher „zu“; die Verwechslung von `al und ´el findet sich recht häufig in der heb. Bibel. (Zurück zu Lesefassung v.42)
blTextkritik: „auf dem Gesicht des Windes“ nach Ps (auch 5/6ḤevPs), LXXL:2 Sam, LXXPs, VULPs, Syr;
„der Erde“ nach 2 Sam, LXXK:2 Sam, VUL2 Sam, Tg2 Sam und 2 MSS v. TgPs
„auf dem Gesicht des Weges“ nach 4QSama.
Am leichtesten ließen sich die drei Lesarten erklären, wenn die von 4QSama urspr. war: על פני רוח („auf dem Gesicht des Windes“) ist על פני ארח („auf dem Gesicht des Weges“) grafisch sehr ähnlich, ארץ („der Erde“) in der Bedeutung. (Zurück zu Lesefassung v.43)
bmTextkritik: Vom letzten Wort sind fünf verschiedene Lesarten überliefert:
  1. אר(י)קם („ich werde sie ausschütten“): Ps, einige MSS v. 2 Sam, LXXL:2 Sam, AqPs, Hier
  2. אד(י)קם („ich werde sie zerschmettern“): einige MSS v. 2 Sam, einige MSS v. Ps, LXXK:2 Sam, VULPs
  3. ארקעם („ich werde sie zerstampfen“): 4QSama, Syr
  4. אר(י)כם („ich werde sie verbreitern“): 1 MS LXXK:2 Sam
  5. אדקם ארקעם („ich werde sie zerschmettern, ich werde sie zerstampfen“): 2 Sam, VUL2 Sam, Tg
Die ursprüngliche Lesart war recht wahrscheinlich ein defektiv geschriebenes (1) ארקם („ich werde sie ausschütten“). Unter dem Einfluss von אשחקם („ich werde sie zermalmen“) aus Z. 1 wurde bei (2) ר r als ד d verlesen und bei (3) ein ע eingefügt. (5) ist eine Konflation einer zu (3) korrigierten Lesart (2), in (4) wurde ק q mit כ k verschrieben. Die Mehrheitsmeinung allerdings hält (2) für ursprünglich. (Zurück zu Lesefassung v.43)
bnTextkritik: „des Volkes“ (עם) nach Ps, LXXL:2 Sam, AqPs, VULPs, Hier, Syr;
„meines Volkes“ (עמי) nach 2 Sam, MSS von LXXK:2 Sam, VUL2 Sam
„der Völker“ (עמ(י)ם) nach MSS von LXXK:2 Sam, QuintaPs, Tg. In den MSS von LXXPs finden sich ebenfalls alle drei Lesarten.
Eine Entscheidung zwischen diesen Lesarten ist fast nicht möglich; sinnvoll aber CTAT IV, S. 114: Eine Änderung von „Volk“ nach „Völker“ ließe sich leicht als Harmonisierung mit dem folgenden Pluralwort „Heiden“ erklären, eine Änderung nach „mein Volk“ als Harmonisierung mit den beiden vorigen und dem folgenden Wort, die ebenfalls auf י enden – „Die Lesart עם hat die größten Chancen, ursprünglich zu sein.“ (Zurück zu Lesefassung v.44)
boTextkritik: 2 Sam: תשמרני („du wirst mich erhalten“) vs. Ps: תשימני („du wirst mich (ein)setzen“). LXXK:2 Sam und VUL stützen Sam, LXXL:2 Sam und Syr aber haben den Wortlaut von Ps auch in 2 Sam. Tg stützt jeweils den anderen Text: Tg2 Sam: „du wirst mich einsetzen“, TgPs: „Du wirst mich bewahren“. Dass sich der Wortlaut von Ps auch in LXXL:2 Sam findet, spricht etwas stärker für die Ursprünglichkeit von „du wirst mich einsetzen“. (Zurück zu Lesefassung v.44)
bpTextkritik: Ps: „auf Gehörtes“ vs. 2 Sam: „auf das Hören“; der Unterschied in den Konsonanten liegt nur in einem zusätzlichen Waw in 2 Sam, der wahrscheinlich als falsche Scriptio plena nachträglich eingefügt wurde. Auch in vielen MSS von 2 Sam findet sich das Wort ohne Waw; das Substantiv statt dem Infinitiv wird dort außerdem gestützt durch LXX, VUL, Tg, Syr. (Zurück zu Lesefassung v.45)
bqTextkritik: 2 Sam: יְכַחֲשׁוּ vs. Ps: יִתְכַּחֲשׁוּ; das selbe Verb in zwei unterschiedlichen Stammformen. Im Hitpael wie in Ps findet sich das Wort sonst nie; die Bed. ist daher nicht klar. Gleichzeitig ist dies ein starkes Indiz für die Richtigkeit der Lesart von 2 Sam, da es sich noch häufiger im Piel findet (die selbe Form z.B. in Ps 81,16). (Zurück zu Lesefassung v.45)
brTextkritik: יבלו („vergehen“) nach fast allen Textzeugen; יפלו („davonfließen“) dagegen nach VUL2 Sam (vgl. Ijob 14,18), יכל(א)ו („gefangen sein“) nach Syr und wahrscheinlich Tg (יכלו = יסופון, „sie werden enden“); zwei klare Lese-/Schreibfehler. (Zurück zu Lesefassung v.46)
bsTextkritik: Schwierige Stelle. V. 45b und 46a in obiger Üs. stehen in 2 Sam, LXXK:2 Sam, VUL2 Sam und Tg2 Sam in umgekehrter Reihenfolge, im Wortlaut von 2 Sam also: „Söhne von Ausländern werden mir schmeicheln, / auf Gehörtes des Ohrs [hin] werden sie auf mich hören, / Söhne von Ausländern werden vergehen.“
In 4QSama ist von diesen drei Zeilen nur der Beginn von 45a erhalten, das fehlende Stück der Handschrift bietet aber nicht ausreichend Raum für zwei Zeilen – 4QSama hatte also vermutlich nur eine der beiden Zeilen 45b und 46a. Ähnliches zeigt sich auch in LXXL:2 Sam, wo zu einem gewissen Zeitpunkt nur Z. 45a und Z. 46a standen, die beiden Verben aber aus Versehen vertauscht und außerdem beim zweiten Verb מ mit י verschrieben worden war. Nachträglich wurde Verb 1 korrekt und Verb 2 zu dem aus 45b korrigiert; diese Korrektur rutschte dann vor die ursprüngliche Version in den Fließtext. Hier zunächst der Wortlaut aus Ps, dann der mutmaßliche ursprüngliche Wortlaut der Vorlage von LXXL und darauf der mutmaßliche Wortlaut der Korrektur (gut rekonstruiert in DJD XVII):
  1. לשמע אזן ישמעו לי
    בני נכר יתכחשו לי
    בני נכר יבלו
    „Auf Gehörtes des Ohrs hin werden sie auf mich hören
    Söhne von Ausländern werden mir schmeicheln
    Söhne von Ausländern werden vergehen“
  2. לשמע אזן יבלו לי
    בני נכר י(ו)שיעו לי
    „Auf Gehörtes des Ohrs hin werden sie mir vergehen
    Söhne von Ausländern werden mich retten“
  3. לשמע אזן ישמעו לי
    בני נכר] יתכחשו לי]
    Auf Gehörtes des Ohrs hin werden sie auf mich hören
    [Söhne von Ausländern] werden mir schmeicheln.“

LXXL übersetzt daher: „Auf das Hören des Ohrs hörten sie auf mich schmeichelten sie mir, auf das Hören des Ohrs vergingen sie mir; Söhne von Ausländern retteten mich.“ Anders als Cross wird man dies aber wohl nicht werten dürfen als einen weiteren Beleg für eine Version mit nur zwei Zeilen: Die Fügung יבלו לי statt יבלו neben dem falsch geschriebenen ישמעו לי legt stark nahe, dass auch in der ursprünglichen Form der Vorlage von LXXL sowohl יתכחשו לי als auch יבלו stand; Letzteres müsste dann aus einer dann entfallenen dritten Zeile in Z. 1 eingefügt worden sein.* Dass 4QSama und LXXL:2 Sam die selbe Zeilenabfolge aufweisen, weist jedenfalls recht stark in Richtung der Ursprünglichkeit der Abfolge von Ps.

* Will man übrigens 4QSama aus LXXL rekonstruieren, wie Cross, McCarter und Ulrich das tun, sollte man vielleicht für das Ende von Z. 18 nicht יכחשו לי voraussetzen, sondern יבלו לי wie in LXXL, wobei das לא aus der nächsten Zeile wohl weniger eine Variante von בל als Überrest von יבלו ist (Ulrich, McCarter) als eine alternative Schreibung (vgl. 1 Sam 2,16; 20,2) einer Zusammenziehung des לי, das nach יבלו wenig Sinn macht, und des ו vor dem nächsten Wort, das in 4QSama fehlt: בני נכר יבלו לו יחגרו = בני נכר יבלו ל(י) ויחגרו. (Zurück zu Lesefassung v.46)
btTextkritik: 2 Sam: ויחגרו („und sie werden sich gürten“) vs. Ps: ויחרגו („und sie werden hervorzittern (?)“). 2 Sam wird gestützt von einigen MSS von Ps, LXX2 Sam, LXXPs, VUL und Syr; Ps evt. von beiden Tg, die aber auch ויחרדו wie in 1 Sam 16,4 voraussetzen könnten (vgl. sehr ähnlich auch Hos 11,11; Mi 7,17). Das Ps zugrundeliegende hypothetische Wort חרג findet sich sonst nicht mehr im Heb., könnte aber evt. mit aram. חרגא („Furcht“) verwandt sein. Näher liegt dennoch die Annahme, dass hier schlicht ein Fall von Metathesis vorliegt und Tg sich am aram. Wortschatz orientiert hat, um das im Heb. nicht existente Wort zu übersetzen.
LXXL mit ελυτρωθησαν („sie wurden entlassen“) stützt wahrscheinlich nicht לא יחגרו („sie gürteten sich nicht“) aus 4QSama (so Cross, McCarter, Ulrich), sondern setzt nach יבלו („sie werden vergehen“) in 46a eine weitere Lesart יכלו („sie werden gefangen“) voraus, die sich statt יבלו auch in Syr, Tg, 1 Ps-MS und in 45a in VUL2 Sam findet und die von LXX wegen der folgenden Präp. מ als privatives Piel gedeutet wurde: „Sie wurden aus ihren Banden entlassen“ (vgl. Olshausen 1853, S. 110: „[...] aber das Gürten ist in diesem Zusammenhange weniger an seiner Stelle, als es das Gegentheil – das Entgürten – sein würde.“. (Zurück zu Lesefassung v.46)
buTextkritik: 2 Sam: ממסגרותם / Ps: ממסגרותיהם, auch LXXK:2 Sam, Tg („aus ihren Umfriedungen“) vs. 4QSama, LXXL:2 Sam: ממסרותם („aus ihren Banden“) vs. LXXPs, VULPs, Syr: ממסלותם („von ihren Straßen“). Am leichtesten lassen sich diese Varianten aus einem ursprünglichen ממסרותם („aus ihren Banden“) erklären: Im einen Falle wurde später ein ג eingefügt, im anderen ר zu ל verschrieben. McCarter 1984, S. 472 hält auch ממסגרותם für einen Ausdruck für „Bande“, genauer nämlich für „Halsbänder“, was die Verschreibung im ersten Fall noch erklärlicher machen würde. (Zurück zu Lesefassung v.46)
bvTextkritik: In Z. 1 „mein Fels“ nach den meisten Textzeugen, „mein Gott“ dagegen nach LXXPs, beiden VUL, Hier; „der mich schafft“ nach LXXL:2 Sam. In Z. 2 „der Gott meines Heils“ nach Ps, LXXPs, VULPs, Hier, Syr, „Gott, der Fels meines Heils“ nach 2 Sam, den meisten LXX2 Sam-MSS, VUL2 Sam und beiden Tg.
„Fels“ ist eine häufige Bezeichnung Gottes, die von den Versionen an vielen Stellen der Bibel durch „Gott“ o.Ä. ersetzt wird, vgl. z.B. Dtn 32,4.18.30; Ps 19,15; 28,1; 62,3.7; Jes 17,10; 26,4; 30,29; 44,8 u.ö.; bes. auch Dtn 32,15; Ps 89,27; 95,1, wo ebenfalls jeweils „Fels meiner/seiner Rettung“ mit „Gott/Helfer meiner/seiner Rettung“ übertragen wird. S. auch Dtn 32,37, wo im Heb. „Fels“ in Apposition zu „ihre Götter“ steht und daher von LXX und VUL gestrichen wird. Auch in unserem Kap. übersetzt LXX2 Sam bereits in V. 32 „Fels“ mit „Schöpfer“ (LXXPs und VULPs dagegen mit „Gott“); ebenso z.B. in Hab 1,12.
Grund dafür könnte sein, dass mit „Fels“ auch andere Götter bezeichnet wurden (weshalb dann z.B. in 1 Sam 2,2 betont wird: „Keiner ist ein Fels wie unser Gott!“ oder in Jes 44,8: „Gibt es außer mir einen Gott? Es gibt keinen [anderen] Fels, ich kenne keinen!“ oder eben 2 Sam 18,32/Ps 18,32: „Wer ist ein Fels außer unserem Gott!?“) und diese Bezeichnung daher später vermieden werden sollte. In Z. 1 ist daher sicher „mein Fels“ ursprünglich; Z. 2 könnte „der Fels“ ebenfalls ursprünglich sein, könnte aber auch aus Z. 1 in Z. 2 eingetragen worden sein, wofür die LXX-MSS sprechen, in denen „der Fels“ fehlt. (zu Lesefassung v.47)
bwTextkritik: „Der Gott, der mir Rache gibt“ nach allen Textzeugen außer 4QSama: „Der Gott, [der] mir Rache gab/gibt“. Die beiden Lesarten unterscheiden sich erstens durch den Artikel, der in 4QSama sicher aufgrund von Haplographie fehlt, zweitens aber durch die Verbform, nämlich Partizip in 2 Sam und Ps, Qatal dagegen in 4QSama und LXXL:2 Sam. Ursprünglich wären beide Formen gleich geschrieben worden, 4QSama hätte ein Partizip aber durch Plene-Schreibung mit einem zusätzlichen Waw markiert, wie die Form auch in Ps (nicht aber in 2 Sam) geschrieben wird. Welche Lesart ursprünglich angezielt war, lässt sich nicht sagen; wg. des folgenden Wayyiqtol liegt die Deutung als Qatal aber etwas näher. (Zurück zu Lesefassung v.48)
bxTextkritik: Ps; LXXPs (vgl. Ps 47,4): וידבר („gezwungen hat/gesprochen hat“) vs. 2 Sam, VUL, Syr: ומ(ו)ר(י)ד („unterwirft/unterworfen hat“) vs. 4QSama, SymPs: ומרדד („unterwirft/unterworfen hat“). Welches Wort LXXK:2 Sam, LXXL:2 Sam und Hier übersetzen, ist unklar.
Das Wort in Ps heißt sonst „reden“, hat im Aram. und auch in Ps 47,4 aber auch die Bed. „unterjochen“. Die Lesarten in 2 Sam und 4QSama sind sehr wahrscheinlich „Hebraisierungen“ des Aramäismus in Ps. (Zurück zu Lesefassung v.48)
byTextkritik: Zwei Synonyme: „Herausholt“ nach 2 Sam, LXXK:2 Sam, VUL2 Sam; auf anderer Zeitstufe: „herausholte“ nach LXXL:2 Sam, SyrPs; „entkommen lässt/rettet“ nach Ps, LXXPs, VLPs, VULPs (wo die erste Zeile wie in Hier noch zu V. 48 gerechnet wird), Syr2 Sam. Vermutlich handelt es sich wieder um zwei unterschiedliche Texttraditionen. (Zurück zu Lesefassung v.49)
bzTextkritik: Zwei unterschiedliche Konjunktionen. „Und“ nach 2 Sam, VUL2 Sam, Tg2 Sam, SyrPs;
„ja,“ nach den meisten Ps-MSS, LXXL:2 Sam, LXXPs, VLPs, VULPs, den meisten TgPs-MSS, Syr2 Sam. LXX, VL und VUL deuten dabei אף nicht als Konj., sd. als Nomen mit der Bed. „Zorn“.
In den אף („ja“)-Lesarten steht אף aber offenbar an zwei us. Positionen: מאף איבי in LXXL:2 Sam („vor dem Zorn meiner Feinde“), LXXPs, VLPs und VULPs („vor meinen zornigen Feinden“, attribuierter Gen., vgl. GKC §132c), מאיבי אף in Ps / מאיבי ואף in TgPs und Syr2 Sam. Cross 2005, S. 189 denkt daher sinnvoll, das Wort sei eine sekundäre Glosse, die dann also מאיבי („vor meinen Feinden“) erweitern sollte zu מאף איבי („vor dem Zorn meiner Feinde“), die in Ps fälschlich nach מאיבי eingefügt worden wäre, was dann TgPs und Syr2 Sam zusätzlich um ein ו erweitert hätten. Das „und“ in 2 Sam etc. ist dann wie viele der „unds“ als davon unabhängiges, sekundäres „und“ zu werten. Auch Hieronymus berichtet im Ep ad Sun. et Fret. 9, er habe keine heb. Handschrift mit אף gefunden. (Zurück zu Lesefassung v.49)
caTextkritik: Sg. nach Ps, LXXPs, VUL; Pl. nach 2 Sam, einigen Ps-MSS, ws. 4QSama, LXX2 Sam, Syr. Besser bezeugt ist damit der Pl.; der Sg. könnte eine nachträgliche Angleichung an den Sg. von „Mann“ sein. (Zurück zu Lesefassung v.49)
cbTextkritik: Die Var. nur nach 4QSama und LXXL:2 Sam; ein klarer Schreibfehler (תצרני statt תצ(י)לני). (Zurück zu Lesefassung v.49)
ccTextkritik Wortfolge us. in 2 Sam und Ps: „JHWH, unter den Heiden“ nach 2 Sam, wenigen Ps-MSS, den meisten LXXK:2 Sam-MSS, VUL2 Sam, Tg;
„unter den Heiden, JHWH“ nach Ps, wenigen 2 Sam-MSS, einigen LXXK:2 Sam-MSS, LXXL:2 Sam, LXXPs, VULPs, Hier, Syr. Dass auch LXXL:2 Sam die Wortfolge von Ps bezeugt, spricht etwas stärker für diese Lesart. Erklärlicher wäre aber umgekehrt eine nachträgliche Änderung von Ps nach 2 Sam, um „JHWH“ noch zu Z. 2 ziehen und so statt einem 4:2-Rhythmus einen 3:3-Rhythmus produzieren zu können. (Zurück zu Lesefassung v.50)
cdTextkritik: Var nur nach LXXL: 2 Sam; sicher eine Angleichung an Z. 1. (Zurück zu Lesefassung v.50)
ceTextkritik: „der groß macht“ / „der ein Turm ... [ist]“ wäre ursprünglich mit den selben Konsonanten geschrieben worden (מגדל wie in Ps). In Ps haben die Masoreten durch Punktierung angezeigt, dass מַגְדִּל magdil zu lesen sei, also „der groß macht“. In 2 Sam aber finden sich zwei unterschiedliche Vokalisierungen: Durch Matres lectionis wird ebenfalls angezeigt, dass magdil zu lesen sei (מגדיל); durch die masoretische Punktierung („Qere“) aber, dass מִגְדּוֹל migdol gelesen werden solle, „der Turm des Heils“ (vgl. Ps 61,4). Im Judentum haben diese beiden unterschiedlichen Vokalisierungstraditionen eine faszinierende Nachwirkung gehabt: V. 51 gehört zum Danksagungsgebet nach dem Essen, und um beiden Traditionen gerecht zu werden, betet man an Wochentagen magdil, am Sabbat und zu anderen Festzeiten aber migdol. Ursprünglich angezielt war sicher magdil, wie auch alle Versionen übersetzen. (Zurück zu Lesefassung v.51)
cfTextkritik: Var. „David zu Geschlecht“ nur nach LXXL:2 Sam. Sicher war ursprünglich לדוד („dem David“) verschrieben worden zu לדור („zu Geschlecht“ wie in der häufigen Fügung דור לדור, „von Geschlecht zu Geschlecht“), dies wieder zu לדוד („dem David“) korrigiert und beide Lesarten nebeneinander in den Text geschrieben worden (Kollation: „dem David zu Geschlecht“). (Zurück zu Lesefassung v.51)