Psalm 56

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Status: Studienfassung zu prüfen – Eine erste Übersetzung aus dem Urtext ist komplett, aber noch nicht mit den Übersetzungskriterien abgeglichen und nach den Standards der Qualitätssicherung abgesichert worden und sollte weiter verbessert und geprüft werden. Auf der Diskussionsseite ist Platz für Verbesserungsvorschläge, konstruktive Anmerkungen und zum Dokumentieren der Arbeit am Urtext.
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Status: Lesefassung folgt später – Bevor eine Lesefassung erstellt werden kann, muss noch an der Studienfassung gearbeitet werden. Siehe Übersetzungskriterien und Qualitätssicherung Wir bitten um Geduld.

Lesefassung (Psalm 56)

(kommt später)

Studienfassung (Psalm 56)

1 Für den Kantor.a
Nach „Die Taube auf entlegenen Eichen (die stumme Taube in der Ferne, die Taube der fernen Götter)“.b
Von (für, über, nach Art von ) David.
Ein Miktam.c
Als ihn die Philister in Gat festnahmen.d

2 Sei mir gnädig, Gott, denn ein Mensch greift mich an (lechzt nach mir, tritt nach mir, verfolgt mich?);e
Den ganzen Tag will bedrängen (bedrohen, quälen) mich (ein Kämpfer=), der [mich] bekämpft (will er mich kämpfend bedrängen).
3 Es greifen meine Feinde [mich] an (lechzen [nach mir], treten [nach mir], verfolgen [mich]?)e den ganzen Tag,
Oh! (denn)f viele bekämpfen mich von oben [herab] (bekämpfen mich, oh Hoher!).g


4 ([Am] Tag, [an] dem=) Wenn ich mich fürchten müsste, ([Selbst] am Tag müsste ich mich fürchten, [doch])h
Kann ich mich sicher fühlen bei dir (auf dich vertrauen).i
5 Bei Gott will ich sein Wortj preisen,
Bei Gott fühle ich mich sicher (auf Gott vertraue ich),k ich muss mich nicht fürchten.
Was kann (soll) Fleisch (=ein bloßer Mensch) mir (an)tun?


6 Jeden Tag kränken (betrüben) sie meine Angelegenheit (Sache, Wort).l
Gegen mich sind alle ihre Pläne (Gedanken, Vorhaben) [gerichtet].
Zum Bösenm
7 greifen sie an (rotten sie sich zusammen),n lauern sie auf,
Dieseo (beobachten meine Ferse=) kleben mir an den Fersen,
Weil sie mir nach dem Leben trachten.
8 Wegen dem (Trotz des) Bösen (nichts = Um keinen Preis)p entkommen sie (rette sie)!q
Mit Zorn (im Zorn) stürze [diese] Leute (Menschen), Gott!


9 Mein Flüchtlingsdasein (mein Klagen, mein Elend)r hältst du [schriftlich] fest (hast du festgehalten, halte fest!?).
Gesammelt [sind] (du hast gesammelt, Sammle!)s meine Tränen in deinem (Wasser)Schlauch.t
[Stehn sie] nicht in deinem Buch [geschrieben]?u
10 Dann werden (Siehe, es werden)v meine Feinde zurückweichen,
([am] Tag, [an] dem=) Wenn ich rufen werde.(:)w
Dies weiß ich, denn (weil; Siehe, ich weiß, dass)v Gott ist bei (mit) mir (ist mein [Gott])


11 Bei Gott will ich dasx Wortj preisen.
Bei JHWH will ich das Wortx preisen.
12 Bei Gott fühle ich mich sicher (auf Gott vertraue ich),k ich muss mich nicht fürchten.
Was kann (soll) ein Menschy mir (an)tun?


13 (Auf mir [liegen]=) Mir obliegen, Gott, (deine Gelübde=) meine Gelübde dir gegenüber:
Ich will dir Dankopfer darbringen,z
14 Weil (dass) du meine Seele dem Tode entrissen (vor dem Tod gerettet) hast
([meine Augen vor Tränen gerettet hast])aa
Hast du nicht [auch] meine Füße vorm Anstoßen (Straucheln)ab bewahrt? -ac
(Um zu wandeln=) Sodass ich wandeln kann vor Gottad im Licht der Lebendigen.ae

Anmerkungen

Psalm 56 ist das Bittgebet eines Beters um Schutz. Die einzelnen für Bittgebete typischen Abschnitte sind gut erkennbar:

V. 1 ist die Überschrift. Diese Überschriften wurden nachträglich von Redaktoren hinzugefügt; über ihren Sinn weiß man immer noch nichts Genaueres und auch die Bedeutung der einzelnen Vokabeln ist hier wie meist unklar.
Vv. 2-3 sind die Bitte um Hilfe wegen der in 2b-3 geschilderten Not. Wie viele Bittgebete ist aber auch dieses schon von Anfang an ganz durchdrungen von der Gewissheit, erhört zu werden; dieser Erhörungsgewissheit wird in Vv. 4-5 Ausdruck verliehen.
In einem zweiten Gang wird in Vv. 6-8a noch einmal die Not des Beters geschildert und in 8b die Bitte um Rettung geäußert; daran schließt sich in Vv. 9-12 noch einmal ein Abschnitt darüber an, dass der Beter gewiss ist, von Gott erhört zu werden: Weil er darum weiß, dass Gott akribisch Buch führt über das Unrecht, das jedem seiner Anhänger widerfährt (V. 9), werden seine Feinde gewiss zurückweichen müssen, wenn er zu Gott ruft: Bei Gott kann er sich sicher fühlen (Vv. 11-12). Die kleine Variation im Refrain (Vv. 5.11f.: „Wenn ich mich fürchten müsste“ => „Wenn ich rufen werde“) verdichtet dabei eine kleine Progression des Vertrauens: Von „Furcht“ muss in diesem zweiten Gang gar nicht mehr erst die Rede sein.
In Vv. 13-14 wendet der Psalmist zum Abschluss eine rhetorische Strategie an, die sich ebenfalls in vielen Bittpsalmen findet (vgl. dazu z.B. Charney 2013, S. 44): Gott soll ihn nicht nur vor seinen Feinden retten, weil der Psalmist einer ist, der Gottes Wort preist, und weil er ungerecht und „zum Bösen“ (Vv. 6.8) verfolgt wird, wofür seine Feinde Gottes Zorn verdient haben (V. 8), wie Gott ja gewiss an seinem Tränen-Speicher (V. 9b) und seinem Lebensbuch (9c) ablesen kann – sondern auch deshalb, weil ihm, Gott, für diese Rettungstat dann ein Dankopfer als Dankeschön gewiss wäre.


aמְנַצֵּ֤חַ ist das Partizip Piel des Verbs נצח („leiten, die Aufsicht haben“). In den Psalmen (4-6.8f.11-14.18-22.31.36.39-42.44-47.49.51-62.64-70.75-77.80f.84f.88.109.139f) steht es immer im ersten Vers und ist wohl ein musikalischer terminus technicus, dessen Bedeutung sich nicht überliefert hat. Da die Psalmen vermutlich (auch) im Gottesdienst gesungen/gespielt wurden, schlage ich eine „moderne“ gottesdienstliche Funktion, die des Kantors/ der Kantorin vor. (Zurück zu v.1)
bTaube auf entlegenen Eichen - Es handelt sich hier wohl um den Titel eines zur Abfassung des Psalms sehr bekannten Stückes, dessen Melodie/Spielweise zur Grundlage der Aufführung/Singweise dieses Psalms dienen soll. Im MT steht אֵ֣לֶם `elem („stumm“, von אלם „stumm sein“); daher Tg und Hier: „stumme Taube“. So auch viele dt. Üss. An der einzigen anderen Stelle, wo dieses Wort belegt ist (Ps 58,2), vokalisieren die meisten stattdessen אֵלִם elim („Götter“), daher auch hier z.B. Süssenbach 2005, S. 130: „Nach ‚Taube der fernen Götter‘“. So lesen auch schon LXX und VUL, die die „Taube“ außerdem als Metapher für das Volk Israel verstehen (so schon Tg: „Über die das Volk Israel, das man mit einer Taube vergleichen kann“). Die meisten neueren Kommentatoren vokalisieren stattdessen als אֵילִם ēlim, das eine große Baumart bezeichnet, und zwar, wie die Parallelstellen zeigen, eine Baumart, die geradezu sprichwörtlich für Größe steht. Es ist nicht bekannt, auf welche Baumart des Nahen Ostens sich dieses Wort bezieht – an manchen Stellen wird die Zeder, tamar, genannt. Im Deutschen ist die Eiche der „große Baum“ des Sprichwortes. (Zurück zu v.1)
cMiktam - Unbekanntes Wort, das vermutlich als Überschrift die Gattung von Ps 16 und Ps 56-60 angeben soll; daher meist mit dem Platzhalterbegriff „Lied“ übersetzt oder einfach transkribiert; für die LF ist wohl ersteres zu empfehlen.
Genauer: Im Talmudhebräischen bedeutet das Wort „Dokument“, im Neuhebräischen „Epigramm“; LXX hält es für ein ebensolches, in Stein Gehauenes, und übersetzt mit steleographia („Inschrift“, so auch BB und viele Kommentare). In allen drei Fällen wird das Wort aber wohl eher mit miktab („Geschriebenes“) verbunden, das sich als Psalmüberschrift in Jes 38,9 findet (Pietersma 2010, S. 524f.), was man schön an Tg sieht: Dieser hält das Wort in Ps 16 wohl für eine Mischbildung aus miktab und tam („aufrecht“) und übersetzt „aufrechte Inschrift“. Ähnlich verfahren dort auch Aq, Sym, VUL, Raschi und hier Tg, zerlegen das Wort in die Bestandteile mk und tm und übersetzen „vom demütigen und aufrechten David“. Dass das Wort unbekannt war, sieht man noch besser an Quinta und Sexta in Ps 16, die bloß transkribieren: machtham. Luther leitet das Wort ab von ketem („Gold“), daher die Üs. „gülden Kleinod“ in den Lutherbibeln. Das „Sühngedicht“ von B-R und StierPs kommt von einer Ableitung von katam („bedecken“), das auch für das „Sühnen“ von Sünden stehen kann (so z.B. auch Sawyer 2011b, S. 294).
Vermutlich war das Wort selbst den Talmudisten nicht mehr bekannt, wo sich daher drei unterschiedliche etymologische Erklärungen für Ps 56,1 finden: David war jedem gegenüber mak („geduldig“) und tam („fromm“). Eine andere Auslegung: makato („seine Wunde“, von makah) war tam („heil“), denn er wurde bereits beschnitten geboren. Eine andere Auslegung [mit einer anderen Erklärung der beiden Bestandteile der ersten Erklärung]: Wie er sich mit seiner Kleinheit klein machte vor einem Größerem als ihm, um die Bibel zu studieren, so auch noch, als er bereits groß war. (Zurück zu v.1)
dMit dieser Angabe wird der Psalm einer bestimmten Situation zugeordnet, die in 1 Sam 21,11-16 erzählt wird: David, der vor dem Zorn Sauls flieht, gelangt nach Gat, wo er bereits als Feind der Philister bekannt ist. Aus Angst stellt David sich wahnsinnig. Die Verknüpfung des Psalms mit einer Episode aus Davids Leben erfolgte nachträglich; die Psalmenüberschriften wurden erst später zu den Psalmen hinzugeschrieben. Syr etwa hat daher eine ganz andere Überschrift: „Ein Bittgebet der Makkabäer, die zu Gott um Rettung flehten.“ (Zurück zu v.1)
etFN: ša`ap ist hier wie in Ez 36,3 wohl metaplastische NF von schup („angreifen, trampeln“, s. KBL3 1342); so LXX, VUL, Hier, Syr. ša`ap I dagegen heißt nach der Etymologie und nach seinem Zusammenhang jeweils klar (1) „hecheln, schnauben“ (daher z.B. Vaihinger: „nach mir schnaubt ein Mensch“) oder (2) „lechzen, gieren“ (daher z.B. Tita 2001, S. 152: „es lechzt nach mir ein Sterblicher“). Die üblichste Üs. von Ps 56,2.3 und Ps 57,4, „verfolgen, nachstellen“ (z.B. Goldingay; so auch Ges18 1309; ThWAT VII 930), soll sich dann hieraus entwickelt haben. Wie das vonstatten gegangen sein soll, vermag ich (S.W.) nicht zu sehen. Die Annahme ist auch ganz unnötig, da „angreifen“ ja mindestens ebenso gut parallel geht mit „bedrängen, bedrohen“ in 2b wie „nachstellen“. Andere: „trampeln auf mir, treten mich nieder“ (z.B. ALTER, Buttenwieser, Graetz). Die Argumente gegen diese Bed. „treten“ von šup in ThWAT können nicht richtig sein; s. den Midrasch zu Ps 51: „Wer weiß, dass er gesündigt hat, aber šo`ep mit seinem Fuß...“ – auch diese Bed. gibt es offensichtlich wirklich. Sie passt aber weniger gut. (Zurück zu v.2 / zu v.3)
foh! (denn) - meist „denn“. Besser z.B. Ravasi („quanto numerosi sono...!“), Riede 2000, S. 96 („ja viele sind der Krieger...“); Süssenbach 2005, S. 130 („ja, viele sind es, die mich bekämpfen.“): Wie Zeile b Zeile a begründen soll, ist nicht einzusehen. (Zurück zu v.3)
gvon oben [herab] (oh Hoher) - מָרֹֽום marom, entweder „stolz, hochmütig“, oder es bezeichnet einen höher gelegenen Ort, der im Kampf einen strategischen Vorteil bietet und von wo die Feinde dann in V. 8 auch hinabgestürzt werden sollen. Aq, Hier, Tg, Raschi und Raschbam haben marom außerdem i.S.v. „der Hohe“ als Ehrbezeichnung Gottes verstanden (Tg erklärt sie auch: „Höchster Gott, dessen Thron in der Höhe steht“). So heute z.B. noch ALTER, MÜN, TUR; Tanner, Auffret 1993, S. 42. Richtig zwar Kissane, Goldingay und Tita 2001, S. 153: vergleichbare Ehrbezeichnungen gibt es einige; diese aber ist nirgends belegt. Angesichts der vielen alten Vertreter dieser Deutung wird diese Deutung aber vermutlich doch immerhin möglich sein. (Zurück zu v.3)
hAlliteration: (jom) `ira` `ani `eleka `ebṭaḥ; „ich“, „fühle mich sicher“ und „bei dir“ beginnen mit den selben Konsonanten wie „ich müsste mich fürchten“: Diese Furcht wird mehr als ausgeglichen durch das Vertrauen, das der Beter in Gott setzen kann. (Zurück zu v.4)
iTextkritik Vv. 4f. und 10f. sind ein Refrain, die sehr ähnlich formuliert sind. Syr und Sym haben „[Am] Tag“ (adverbialer Akkusativ der Zeit ohne Präp.) an das „Am Tag“ (mit Präposition) in V. 10 angeglichen. Auch Houbigant, Michel 1960, S. 82 und BHS halten dies für ursprünglich; aber sicher ist dies Assimilation.
Schwieriger: In V. 4 ist vom „Tag, an dem ich mich fürchte(`ira`) die Rede, in V. 10 dagegen vom „Tag, an dem ich rufe“ (`eqra`). Hupfeld und Graetz halten daher auch hier „ich rufe“ für ursprünglich. Das wäre textkritisch klar nicht zulässig. Die Sache wird aber dadurch verkompliziert, dass Aq und Sym statt „ich fühle mich sicher bei dir“ haben: pepoitha / pepoithäso. Gr. peitho kann auch „etw. glauben, jmdm. vertrauen“ bedeuten; das Wort könnte also auch nur eine ungewöhnliche Üs. von `ebṭaḥ sein. Zunächst heißt peitho aber „jmdn beschwören“; pepoitha könnte also hier das Wort `eqra` statt `ebṭaḥ voraussetzen. Das wäre eine andere Art von Wortspiel: „Am Tag, an dem ich mich fürchte, rufe ich zu dir“ (V. 4) => „Am Tag, an dem ich rufe, weiß ich: Gott ist bei mir“ (V. 10); die beiden Verse drückten dann eine „Progression des Vertrauens“ aus. Eine Verschreibung von `ebṭaḥ zu `eqra` ließe sich auch nicht gut erklären; umgekehrt kann `eqra` aber leicht an das baṭaḥ in V. 5 assimiliert worden sein. Ginge man davon aus, dass Aq und Sym ein ursprüngliches `eqra` bezeugen, spräche also sogar ziemlich viel für die Ursprünglichkeit dieser Variante. Weil es möglicherweise aber auch nur Wiedergabe von `ebṭaḥ ist, hat mit Recht bisher niemand diese Variante für ursprünglich gehalten. (Zurück zu v.4)
jWas mit Gottes Wort in V. 5 und dem Wort in V. 11 gemeint ist, ist wie noch öfter (z.B. Ps 106,12; 119,25.42.65) unklar. Man hat auf verschiedene „Gottesworte“ geraten: (1) auf die hier unausgesprochene göttliche Verheißung, Gott wolle mit Gerechten wie z.B. dem Psalmisten sein (wie z.B. Ps 14,5f.; so z.B. Vaihinger, Goldingay, Tanner); (2) auf ein Heilsorakel oder eine Heilszusage, mit dem Gott durch den Mund eines Priesters dem Psalmisten selbst zusichert, bei ihm sein zu wollen (wie ws. Ps 130,5; so z.B. Mays, Kraus; THAT I 496); (3) auf einen Urteilsspruch Gottes gegen die Feinde des Beters (wie z.B. Ps 2,5; so Seybold. So auch schon der Midrasch, b.Ber 60b und j.Ber ix 5, die aber an eine Verurteilung des Psalmisten denken. Am ausführlichsten der Midrasch: Rabbi Nehorai hat gesagt: Überall, wo es „Gott“ heißt, ist eine Strafe gemeint ...; mit „JHWH“ dagegen ist die Barmherzigkeit gemeint. ... So sprach auch David vor dem Heiligen – gepriesen sei er! – [in Ps 56,11]: „Auch, wenn du mich strafend richtest, halte ich mich an dich: In Gott rühme ich das Wort. Oder wenn du mich mit Erbarmen richtest, halte ich mich an dich: In JHWH rühme ich das Wort.“) oder (4) merkwürdig Gerstenberger: „ein Wort für ihn“, nämlich ein Danklied, das der Psalmist nach seiner Rettung anstimmen können wird. (Zurück zu v.5 / zu v.11)
kBei Gott fühle ich mich sicher - ungewöhnliche Konstruktion. Sonst steht „sich sicher fühlen bei“ im Heb. mit Akkusativ, nicht wie hier mit der Präp. be-, die sonst stets Ort, Zeit, Grund oder Mittel einleitet, wo, wann, warum oder womit gepriesen wird. Die einzigen vergleichbaren Stellen sind Ps 44,9 und 4QShirShaba 2,1 = 4QShirShabb 14,1.7. Die Konstruktion dient hier dazu, in 5b eine weitere Alliteration zu bilden: be`lohim baṭaḥti, „bei Gott fühle ich mich sicher“, das so dann auch in Kontrast steht zum baßar („Fleisch“) in 5c. Will man das nachahmen, vielleicht: „Bei Gott bin ich geborgen.“ (Zurück zu v.5 / zu v.12)
lIch verstehe es so, dass das Anliegen des Beters lächerlich gemacht oder sogar verhindert wird. (Zurück zu v.6)
mZum Bösen gehört in MT und allen alten Vrs. noch zu V. 6; eine Apokoinu: „Gegen mich sind alle ihre Pläne [gerichtet] zum Bösen“ = (1) „Gegen mich sind alle ihre Pläne gerichtet“ + (2) „Alle ihre Pläne sind gerichtet zum Bösen“. Kraus zieht das letzte Wort des Verses, לָרָֽע lara´ („zum Bösen“) offenbar aus metrischen Gründen (?) zum Vers 7. Damit wird V. 7 regelmäßiger und das Wort bildet den Auftakt des neuen Verses. (Zurück zu v.6)
nTextkritik: MT, LXX, VUL, Syr wie in der Primärübersetzung: jaguru. Sym, Tg und Hier dagegen setzen jagodu voraus: „sie rotten sich zusammen“. Beide Worte sind graphisch sehr ähnlich; vgl.: יגרו vs. יגדו. Üss. und Kommentare folgen etwa gleich häufig einer der beiden Varianten: „sie greifen an“ z.B. Tita 2001, S. 153; Süssenbach 2005, S. 131; Tanner; „sie rotten sich zusammen“ z.B. Riede 2000, S. 97; de Vos 2005, S. 10; Wälchi 2012, S. 161. Letzteres ist etwas kontextgemäßer: Das folgende „sie lauern auf“ und „sie kleben mir an den Fersen“ legt eher nahe, dass ein Angriff hier noch nicht erfolgt ist. Damit ist umgekehrt die Variante von MT etwas wahrscheinlicher die ursprüngliche Variante; eine Entscheidung ist hier aber fast nicht möglich. (Zurück zu v.7)
oTextkritik: Diese ist im MT noch unerwarteter als im Dt. Nach der Akzentuierung des MT gehört es noch zu Zeile a: „Es greifen an, es lauern diese“. LXX und VUL ziehen das Wort aber zu Zeile b, Syr ergänzt davor sogar auch noch ein „und“. In Zeile b wäre es aber genau so wenig zu erwarten. Hier scheint es gar nicht vorliegen gehabt zu haben. Mit welchem Satzteil Tg das Wort verbindet, ist am Wortlaut nicht erkennbar; nach akzentuierten Tg-MSS gehört es jedenfalls auch noch zu Zeile a. Es hat zum Glück auch keine Auswirkung auf die Übersetzung ins Dt. (Zurück zu v.7)
pTextkritik: MT („Wegen/trotz dem Bösen“) wird nur gestützt durch Sym und Tg. Dagegen LXX, Quinta, VUL, Hier, Syr und wohl auch Aq (anofeles, „Nutzloses“) setzen statt `awen („Böses, Frevel“) voraus: `ajin („nichts“). Dies halten z.B. auch Seybold und Terrien für ursprünglich. Ähnlich BHK und BHS, die ganz merkwürdig beides für ursprünglich erklären. Daher auch 80: „Sie haben gefrevelt, es gibt für sie kein Entrinnen“. 16 weit sinnvoller wie die meisten Neueren: „Wegen des Unrechts sollen sie Rettung erfahren!?“; s. gleich. (Zurück zu v.8)
qentkommen sie - Die Primärüs. wäre w. „Ob des Bösen [ist] ihnen Rettung = erfahren sie Rettung“. Viele (z.B. BHS, Kissane, Kraus, Dhanaraj 1992, S. 161; auch GRAIL, PAT, TEX) ändern daher den Text von paleṭ („retten, rette!“) zu pales („vergelte ihnen!“). Aber das lässt sich weder mit MT noch mit einer anderen alten Üs. stützen. ZÜR interpretiert mit ebenfalls vielen (z.B. Riede 2000, S. 97; Tita 2001, S. 153; de Vos 2005, S. 11; Süssenbach 2005, S. 131; Wälchi 2012, S. 161; die meisten dt. Üss.) als rhetorische Frage: „Sollen sie trotz des Frevels entkommen?“. Frei z.B. BB: „Was für ein Unrecht! Sollen sie etwa davonkommen? Nein!“ Für mich (Güntzel Schmidt) stellt dieser Satz die Behauptung auf, dass Menschen, die Böses tun, drohen, auch durch dieses Böse (durch „fiese Machenschaften“) davonzukommen. Gegen diese Gefahr will der Psalmist nun Gott in der nächsten Zeile auf den Plan rufen. (Zurück zu v.8)
rFlüchtlingsdasein - Das Nomen נֹד bezeichnet (1) das unstete Leben eines Flüchtlings (so Gesenius, wo es von נוד, „schwanken“ > „ziellos, heimatlos sein“ abgeleitet wird) oder die durch die Flucht bedingten wechselnden Lebensumstände (so HALOT, wo es von נדד „fliehen, flüchten“ abgeleitet wird). (2) Daneben bezeichnet das Wort auch das „Klagen“. Wie es zu dieser Bed. kommt, ist nicht klar: (a) Vaihinger: „sowohl die äußere Flucht als die innere Unruhe, das Klagen und Jammern“; (b) Ges18 791 und Seidl 2008: „schwanken“ > „Kopfschütteln“ als Gestus der Klage und des Mitleids; (c) Goldingay: „the visible shaking or tossing that were the outward expression of anguish“. So und so, dass es diese Bed. gibt, ist sicher. (3) Schließlich wird mit dem Wort auch das „Leiden“ oder „Mitleiden“ bezeichnet, von dem dieses „Klagen“ Ausdruck ist (so z.B. de Vos 2005, S. 11; Wälchi 2012, S. 161). Daher z.B. LUT: „Zähle die Tage meiner Flucht!“, NL: „Du zählst alle meine Klagen.“, ZÜR: „Mein Elend hast du aufgezeichnet.“ (Zurück zu v.9)
sTextkritik: hältst du fest (hast du festgehalten, halte fest!?); gesammelt sind (Sammle!) - Im MT steht im Zeile a ein Qatal-Verb, in Zeile b ein Imperativ (ßímah). Weil die beiden Wörter derart unterschiedliche Zeitstufen markieren („Du hast [früher] festgehalten“ / „du hältst [jetzt] fest“ vs. „Sammle [künftig]!“) ändern viele das zweite Verb zum Partizip Passiv ßimáh „gesammelt [sind]“; der Unterschied liegt vielleicht nur darin, über welchem Konsonanten das hebräische Lesezeichen steht. So schon Hupfeld; auch Schökel/Carniti; Dhanaraj 1992, S. 159.161; Riede 2000, S. 97. Ob allerdings ßimáh in der Tat das Part. pass. fem. von ßim ist, ist ungewiss. Theoretisch könnte es so gebildet werden und das mask. Part. pass. lautet auch in der Tat ßim, s. Num 24,21; Ob 4. Das feminine ßimáh in 2 Sam 13,32 aber ist in den meisten Handschriften zu ßumah geändert worden; es scheint also so, als sei das idiomatische Part. pass. fem. ßumah, nicht ßimah. Dyserinck hat daher alternativ emendiert zu ßamta „du hast gelegt“, was LXX, Sym und VUL in der Tat vorauszusetzen scheinen. Nicht wenige Üss. (wie z.B. LUT, s. vorige FN) ziehen es stattdessen vor, das Qatal in Zeile a als „prekatives Perfekt“ zu deuten, das dann wie ein Imperativ übersetzt werden können soll („halte fest!“). Dieses „prekative Perfekt“ existiert aber wahrscheinlich nicht; die ersten beiden Optionen sind gewiss vorzuziehen. (Zurück zu v.9)
tFlüchtlingsdasein ... Wasserschlauch - vermutlich ein Wortspiel: Irreguläre Assonanz. Etwas erwartbarer als das nur hier belegte nod („Flüchtlingsdasein“) wäre die Form nud. Mit der Form nod klingt das Wort aber sehr ähnlich wie das folgende no`d („Wasserschlauch“).
Textkritik: no`d allerdings ist textlich unsicher und lässt sich nur mit Tg stützen. LXX, Sym, VUL, Hier und Syr dagegen bezeugen nicht bn`dk „in deinem Schlauch“, sondern lngdk „vor dir“ (nicht bngdk, wie z.B. die Hgg. der Antioch Bible denken; das wäre nicht idiomatisch). Eine Verschreibung von b zu l oder umgekehrt ist aber kaum zu erwarten; wahrscheinlicher ist dies eine stilistische Änderung, mit der dem ungewöhnlichen Bild die Härte genommen werden sollte.
Auslegungsgeschichte: Ps 56,9 ist die Wurzel eines Mythos: In einigen älteren Üss. hat man übersetzt mit „sammle meine Tränen in deiner Flasche“. In Persien haben einige Anthropologen des 19. und 20. Jhd.s den Brauch beobachtet, dass bei Klagefeiern ein Mensch durch die Reihen der Klagenden ging, ihre Tränen mit einem Tuch auffing und diese dann in ein kleines Fläschchen presste; diesen gesammelten Tränen wurden dann wunderbare Heilkräfte zugeschrieben. Der bisher älteste bekannte Beleg für diesen Brauch stammt aus einer Erzählung des 16. Jhd.s über den Tod von al-Husain, dem Enkel des Propheten Mohammed: [Seine Mutter] Fatima hob ihren Kopf vom Grab des Imam Husain und hielt zu diesem Zeitpunkt eine Flasche voll Wasser in ihrer Hand. ... Und sie gab die Flasche dem Imam Ḥasan und sagte: „Mein Sohn, bewahre diese Flasche auf. Sie beinhaltet die von mir gesammelten Tränen der um deinen Bruder Trauernden.“ (nach Yamanaka 2018, S. 168). Im Talmud ist eine Auslegung unseres Verses überliefert, der sehr an diesen Brauch erinnert: Rabbi Simon ben Pazi sagte, Rabbi Jehoschua ben Levi habe gesagt, bar Qappara (2./3. Jhd. n. Chr.) habe gesagt: „Wenn jemand über einen rechtschaffenen Menschen Tränen vergießt, zählt sie der Heilige – gepriesen sei er! – und tut sie in seinen Speicher.“ (b.Schab 105b; nod wird dort also offensichtlich i.S.v. „Klagen“ verstanden, s. vorige FN). Vor allem auf Basis der Bibelstelle haben auch viele Menschen aus neuerer Zeit diverse Fläschchen ebenfalls für solche „Lacrymatorien“ / „Tränen-Fläschchen“ wie die persischen gehalten; v.a. die kleinen Fläschchen, die man in Ägypten, Griechenland und Rom in Gräbern fand und die kleinen Fläschchen, die im viktorianischen England Frauen bei sich trugen: Die ersten sollten die Tränen der Trauergäste als Grabbeigabe beinhalten, in den zweiten sollten angeblich englische Soldaten ihren Frauen ihre Tränen übergeben haben für den Fall, dass sie im Krieg fielen. Beides ist nicht wahr: Zu den viktorianischen Fläschchen vgl. am besten den Blogeintrag „Victorian Tear Catchers Are Trash“ von Nuri McBride; zu den antiken „Tränenfläschchen“ z.B. Mortensen 2014: Analysiert man die antiken Fläschchen chemisch auf ihre Inhalte, erweisen sie sich als Parfum-Behälter, und dass in der Antike Parfums und Duftstoffe als Grabbeigaben dienten, ist in der Tat sehr häufig belegt. (Zurück zu v.9)
udein Buch - Gemeint ist das „Lebensbuch“: Die Vorstellung ist häufig belegt, dass Gott über das Leben seiner Anhänger ähnlich Buch führt wie in der christlichen Popkultur der Nikolaus in seinem goldenen Buch. Vergleichbare Stellen: Ex 32,32; Ps 69,29; 87,6; 139,16; Jes 4,3; 34,16; 65,6; Dan 7,10; 12,1; Mal 3,16.
Zum Sinn des Verses vgl. schön Luther: [Es ist,] als wollt er sagen: wenn schon kein Mensch mein Elend bedenken will, schaust doch du, Herr, so genau darauf, dass du alle Schritte meienr Flucht zählst, wie weit und wie fern ich verjagt werde und laufen muss, und vergisst keine Träne, die ich weine; ich weiß, dass du sie alle in deinem Register anschreibst und nicht vergessen wirst. (Luther 1962, S. 243).
Im masoretischen Text ist der Satz sehr knapp formuliert; es findet sich nur die Negation mit Fragepartikel und das Nomen mit Präp. Es handelt sich um eine rhetorische Frage, erwartete Antwort: „Ja“.
Textkritik: Auch hier aber ist der Text unsicher: Wieder lässt sich MT nur durch Tg stützen; statt halo` setzen LXX, VUL und Syr we voraus („du hast meine Tränen vor dir gesammelt und in deinem Bericht“), Sym und Hier dagegen welo` („stelle meine Tränen in deinen Blick, aber nicht in deinen Bericht!“). Wahrscheinlich unterschiedliche Textüberlieferungen, die aber alle das Selbe besagen: (1) MT + Tg: „Sind sie nicht in deinem Buch?“; (2) Hier + Sym: „und sind sie nicht in deinem Buch[?]“; (3) LXX + VUL + Syr „Meine Tränen sind in deinem Schlauch gesammelt und in deinem Buch [verzeichnet]“.
Schwerer wiegt, dass eine Reihe von Exegeten die letzte Zeile für eine Bemerkung eines Schreibers am Textrand gehalten haben, die in den Text eingedrungen sei und mit der er den „Schlauch“ kommentieren wollte: „Mein Flüchtlingsdasein hältst du fest, / gesammelt sind meine Tränen in deinem Schlauch [<= Ist [‚dein Schlauch‘] nicht ‚dein Buch‘?]“. So z.B. BHK und Wellhausen; auch Michel 1960, S. 251; Dhanaraj 1992, S. 161; Riede 2000, S. 97; es ist dies auch einer der wenigen Fälle, in denen selbst CTAT IV, S. 356 eine solche Glosse für eine wahrscheinliche Erklärung hält. Mir (S.W.) ist noch keine mit halo` eingeleitete Schreiberbemerkung begegnet; mir scheint: Solange man eine solche nicht nachweisen kann, liegt diese Annahme sehr fern. (Zurück zu v.9)
vtFN: Sowohl `az („dann“) als auch zeh („dies“) lassen sich theoretisch auch als Interjektion („Siehe“) übersetzen. Das steht so nicht in allen neueren Lexika, aber vgl. sicher richtig z.B. van der Woude 1964. zeh wird hier in der Tat auch von LXX mit idou („siehe“) übersetzt. Erwägenswert ist das bes. in 10a: Mit „siehe“ würde dann Gottes Verzeichnen des Leids des Psalmisten als Grund dafür markiert, warum er sich so sicher ist, dass seine Feinde zurückweichen müssen werden. So aber keine dt. Üss., und auch van der Woude selbst will stattdessen in Ps 56 merkwürdigerweise 10c kausal übersetzen: „denn ich weiß...“ (S. 312; ähnlich Kraus). (zu v.10)
w: - So gut Weber 2001, S. 250, der 10c für den Inhalt des in 10b eingeleiteten Ausruf hält. Sonst m.W. aber niemand. (Zurück zu v.10)
xTextkritik: das Wort statt „sein Wort“ in V. 5. Viele wollen daher den Text von V. 11 zu dem von V. 5 korrigieren; z.B. Houbigant, Dyserinck, BHS, Riede 2000, S. 98. (zu v.11)
yein Mensch - Anders als in Vers 5 steht hier nicht בָשָׂ֣ר baßar, was „Fleisch“ und daher auch „Mensch“ bedeutet, sondern אָדָ֣ם `adam („Mensch“). (Zurück zu v.12)
zdarbringen - Das Verb bedeutet in seiner Grundbedeutung „erfüllen“; mit Akk. bedeutet es „als Entgelt darbringen“, vgl. KBL3 980. (Zurück zu v.13)
aaTextkritik - So ergänzen manche LXX-Mss aus Ps 116,8, wo fast exakt der selbe, aber um diese Zeile erweiterte Vers steht. Ganz sicher sekundär. (Zurück zu v.14)
abAnstoßen - Das Nomen kommt nur noch Ps 116,8 vor. (Zurück zu v.14)
acTextkritik - Noch mehr Exegeten als in V. 9 halten auch diese Zeile für eine Schreiberbemerkung: „Weil du meine Seele vom Tod gerettet hast [<= Ist [‚meine Seele vom Tod‘] nicht ‚meine Füße vorm Anstoßen‘?]“. So hier zusätzlich zu den obigen auch BHS und Kraus. S. dazu oben. Und wieder lässt sich halo` („nicht...?“) ebenso wie in V. 9 nur durch Tg stützen; LXX, VUL, Hier und Syr setzen alle nur we („und“) voraus: „Du hast meine Seele dem Tod entrissen und meine Füße vorm Anstoßen bewahrt.“ Wieder wird man das mit zwei unterschiedlich überlieferten Wortlauten erklären müssen. (Zurück zu v.14)
adwandeln vor Gott = „mit Gottes Segen und unter Gottes Schutz“, vgl. van Lengerke, Vaihinger, Kissane. Oder hier waltet noch die alte Vorstellung, das Reich des Todes liege außerhalb des Zugriffsbereichs Gottes, daher „vor Gott“ = nicht im Reich des Todes. (Zurück zu v.14)
aeim Licht der Lebendigen statt im finsteren Reich des Todes. (Zurück zu v.14)