Psalm 15

Aus Die Offene Bibel

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Lesefassung (Psalm 15)

(kommt später)

Studienfassung (Psalm 15)

1 Ein Lied von (für, über, nach Art von) David.

JHWH, wer darf (wird) gasten (Gast sein) in deinem Zelt (in deinen Zelten)a
Und ({und})b wer darf (wird) wohnen auf deinem heiligen Berg (auf dem Berg deiner Heiligkeit)?a


2[Wer] redlich wandelt
Und Gerechtes (recht) tut
Und Wahres sagt (denkt) in seinem Herzen (ausspricht, [was] wahrhaft in seinem Herzen [ist]),c
3 Nicht Verleumdung auf seiner Zunge [hatte],d
([Und])e Nicht tat seinem Genossen Schaden (Böses)f
Und Schande nicht trug wegen seinem Nächsten (nicht lud auf seinen Nächsten?),g
4 Verachtet [den] in seinen Augen Verworfenen ([bei dem] verachtet [ist der] in seinen Augen Verworfene; in seinen [eigenen] Augen verachtet, verworfen [ist])h
Und (aber) den JHWH-fürchtigen ehrt,
Schwor dem Genossen (zu schaden, zum Schaden?)i
Und nicht ändert,
5 Sein Geld nicht verliehen (gegeben) hat gegen Zins
Und Geschenke (Bestechungsgelder) gegen einen Unschuldigen nicht genommen hat.j


[Wer] dies tut,
Wird auf ewig nicht wanken.“k

Anmerkungen

„Rabbi Simlai lehrte: ‚613 Gebote wurden dem Mose gesagt.‘“, heißt es im Talmud (b.Mak 23b). Gemeint ist das Gesamt aller jüdischen Vorschriften, die nach alter Vorstellung sämtlich von Gott an Mose weitergegeben wurden. Der Talmud fährt fort: „Rabbi Hamnuna sagte: ‚David kam und ließ [diese 613 Gebote] auf elf [Geboten] stehen.‘“ (b.Mak 24a). Gemeint ist Psalm 15, von dem hier also gesagt wird, dass er die elf fundamentalen Gebote enthält, auf denen alle 613 Gebote aufbauen und basieren.l Ps 15 wird schon hier gesehen als weisheitlicher Psalm, der belehrt über den rechten Lebensweg:
„Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berg“, wird eingangs gefragt und damit ein Motiv aufgegriffen, das sich auch findet in Ps 23,6; 27,4f.; 61,5; 65,5; 84,4: Wer „im Haus Gottes wohnt“ – in seinem Zelt, auf seinem Berg – steht so unter dem Schutz dieses Hausherrn und darf sich daher sicher wissen vor jeder Gefahr (vgl. Ps 23,4f.; 27,1-3; 61,3f.; auch 5,5). So auch hier: Gebeten wird nicht um eine tatsächliche „Bleibe“, sondern um Gottes Segen und Schutz, für das auch hier symbolisch das „Wohnen im Hause Gottes“ steht (V. 1). Gottes Schutz – das Wohnrecht in seinem Tempel – wird aber nur jenen zuteil, die bestimmte Gebote befolgen und Verbote beachten, die in Vv. 2-5b aufgelistet werden; für diese aber gilt: „Wer dies tut, wird auf ewig nicht wanken“, „nie in Gefahr geraten“ (V. 5cd).m
Weil sie so zentral sind, seien die 11 „Fundamentalgebote“ hier noch einmal gesammelt:

  1. Sei redlich! (2a)
  2. Sei gerecht! (2b)
  3. Sei offen für die Wahrheit! (2c)
  4. Verleumde andere nicht! (3a)
  5. Füge anderen keinen Schaden zu! (3b)
  6. Leiste keine Beihilfe! (3c)
  7. Verachte die, die Gott verachtet! (4a)
  8. Ehre die, die Gott ehren! (4b)
  9. Halte deine Schwüre! (4cd)
  10. Verleihe nicht gegen Zins! (5a)
  11. Sei nicht bestechlich! (5b)

aMit dem Zelt könnte das mischkan gemeint sein, eine Art zeltförmiger transportabler Tempel, den die Israeliten mit sich durch die Wüste führten und der als „Wohnstatt“ Gottes diente (mischkan kommt von schakan, „wohnen“; zum Zelt s. z.B. Ex 25,8f.; Ex 26), oder das Zelt, das David stattdessen zum selben Zweck in Jerusalem errichtete (s. z.B. 1 Chr 15,1; 2 Chr 1,3f.). Der Tg und viele Handschriften haben wohl deshalb auch den Plural „Zelte“ statt den Singular. Später wurden diese Zelte abgelöst durch den Tempel, den Salomo auf dem „heiligen Berg“ Zion als neue Wohnstatt Gottes erbaute. Auch in Ps 27,4-6 werden „Tempel“ und „Zelt“ in einem Atemzug verwendet; vielleicht konnte „Zelt“ später also auch poetisch für den „Tempel“ stehen. (zu v.1)
bTextkritik: Und ({und}) - „Und“ findet sich nicht im Codex Leningradensis, aber in vielen Handschriften, LXX, Syr, VUL und Hier und ist damit wohl urprünglich. (Zurück zu v.1)
cWahres sagt (denkt) in seinem Herzen (ausspricht, [was] wahrhaft in seinem Herzen [ist]) - etwas schwierige Zeile, die leider nur selten kommentiert wird. Das Herz ist in der heb. Anthropologie seltener Sitz der Emotionen als des Verstandes; einfacher könnte man also schlicht schreiben: „wer Wahres denkt“. Weil der Psalm hier ethische Regeln aufstellt, würde hier also gesagt, dass Irrtümer ethisch falsch sind. Zu dieser weisheitlichen Vorstellung s. die Anmerkungen zu Ps 14; sinngemäß richtig also Saadja: „Wer die Wahrheit bekennt in seinem Herzen“.
Alternativ könnte man wie in unserer Alternativübersetzung (nach Olshausen) deuten als „Wer ausspricht, [was] wahrhaft in seinem Herzen [ist](so schon Raschi; auch MEN: „wer die Wahrheit redet, wie's ihm ums Herz ist“); die Rede wäre dann von der Aufrichtigkeit im Gegensatz zur Verlogenheit wie z.B. in Ps 12,3. Sprachlich liegt die erste Deutung aber näher. Viele dt. Üss. übersetzen als „wer von (ganzem) Herzen die Wahrheit sagt“ (z.B. ASTADLER, BB, EÜ16, LUT17, NGÜ, STAD), doch den Ausdruck „von ganzem Herzen“ gibt es mit dieser Bed. nicht im Heb. (Zurück zu v.2)
dVerleumdung - Wortspiel im Heb.: Das Wort kommt von heb. regel („Fuß, Bein“), bed. meistens „(als Kundschafter) laufen“ und kommt damit aus dem selben Wortfeld wie das „wandeln“ in V. 2.
Textkritik: Verleumdung auf seiner Zunge hat - W. nach BHS „Wer verleumdet auf seiner Zunge“; lies statt dem Verb rāgal („verleumdet“) besser das Abstraktsubstantiv rāgāl („Verleumdung“), da die Präposition `al („auf“) vor „seine Zunge“ nicht gut mit dem Verb zusammenpasst (so auch ZLH, S. 755; ähnlich Budde 1915, S. 182). Selbst Sir 5,14, dessen Autor sich wohl an unserem Vers orientiert, ändert daher dennoch die Präposition el (s. Sir 4,28) nach b. Zur Konstruktion mit Substantiv vgl. 2 Sam 23,2; Spr 31,26; vgl. auch Jes 53,9. So wohl auch MEN, OEB, SLT, TEX. (Zurück zu v.3)
eTextkritik: ([Und]) - Die Konjunktion findet sich nicht im Text der BHS, aber in wenigen Handschriften, LXX und Syr; nicht aber in VUL und Hier. Die Kolometrie des Psalms ist recht klar; in Teil 2 des Psalms wird sonst jede zweite(/dritte) Zeile eingeleitet durch eine Konjunktion – das (anders als in V. 1) nicht sehr gut bezeugte „und“ lässt sich daher erklären als Angleichung an diese Struktur. (Zurück zu v.3)
fseinem Genossen Schaden - Klangspiel: re`ehu ra`ah. (Zurück zu v.3)
gSchande nicht trug wegen seinem Nächsten (nicht lud auf seinen Nächsten?) - Nach der Alternativübersetzung übersetzen fast alle Üss. und Kommentare, was nach den Wortbedeutungen auch möglich wäre, doch ist naßah cherpah `al ein Idiom, das sonst stets „Schande tragen wegen“ bedeutet (s. Ps 69,8; Jer 15,5; 31,19; Ez 36,14; Mic 6,16; auch Ps 89,51). Richtig daher Alter 2007, S. 44: „Nor bears reproach for his kin“; Ehrlich 1905, S. 26: „und auf sich keine Schmach ladet ob seines Verwandten“; R-S: „nicht Schmach ob der Verwandten auf sich nimmt“; Sarna 1993, S. 98: „or borne reproach for [his acts toward] his neighbor“. Was gemeint ist, ist unklar; sinnvoll aber Ehrlich: „Um eines Verwandten willen Schmach auf sich laden ist so viel, als einen gottlosen Verwandten vor der verdienten Strafe schützen, statt ihn ihr preiszugeben, und sich so derselben Schmach aussetzen“ (ebenso R-S in den Erläuterungen): Seine Schmach mittragen. Zeile 2 spricht von den bösen Taten, die man selbst begeht, Zeile 3 von Komplizenschaft.
Vv. 2f. sind chiastisch gebaut: 2ab sprechen vom rechten Handeln, 2c vom rechten Reden (im Herzen, also denken); 3a vom falschen Reden und 3bc vom falschen Handeln. (Zurück zu v.3)
hAlso jenen, den in seinen Augen Gott vorworfen hat: den Sünder. Gut daher NGÜ: „Er wird den verachten, den Gott verworfen hat“ (ähnlich GN, TEX); sinnvoll auch HER, LUT (leider nicht mehr LUT17): „der den Gottlosen verachtet“.
tFN: Alternative 1 folgt dem Text der BHS (so auch die meisten Üss.); sowohl „verachtet“ als auch „verworfen“ sind hier Partizipien und man muss aus dem Kontext erschließen, was Subjekt und was Prädikat ist (so die meisten Üss.). Alternative 2 geht aufgrund derselben Tatsache davon aus, dass beide Wörter den selben syntaktischen Status haben, obwohl das eine am Zeilenbeginn, das andere am Zeilenende steht (ähnlich aber z.B. auch Jes 43,4), die Rede wäre hier wie in 1 Sam 15,17; 2 Sam 6,22; Ps 131; Jes 57,15; Lk 18,13f. von einer demütigen Haltung. So schon Tg und die alten jüd. Ausleger Saadja, Ibn Ezra und Kimchi; auch gerade die grammatisch sehr fähigen Kommentatoren Delitzsch 1894, S. 149; Ehrlich 1905, S. 27; Hitzig 1863, S. 77 und Zorell 1928, S. 19; auch ALB. Unsere Primärübersetzung geht mit Zuber 1986, S. 29 davon aus, dass das erste Partizip als finites Verb zu vokalisieren ist (ähnlich Dahood 1965, S. 84, der das zweite Verb, und Driver 1942, S. 152, der beide Partizipien als finite Verben vokalisieren will). (Zurück zu v.4)
idem Genossen (zu schaden, zum Schaden?) - der also einen geleisteten Schwur nicht bricht.
Textkritik: dem Genossen (zu schaden, zum Schaden?) - die Konsonanten lassen beide Deutungen zu. LXX, Sym, Syr und VUL vereindeutigen durch Übersetzung zur Primärübersetzung, MT, Tg, Hier, Aq, Theod durch Vokalisierung oder Übersetzung zur Alternativübersetzung. Diese Alternativübersetzung, nach der auf den ersten Blick jemand als gut bezeichnet wird, weil er etwas Böses schwört und dann auch dabei bleibt, ist entweder zu erklären als „etwas schwören, wovon sich dann herausstellt, dass es für jmdn selbst zum Schaden war, und dennoch dem Schwur treu bleiben“ (HfA: „Jeder, der hält, was er geschworen hat, auch wenn ihm daraus Nachteile entstehen“; EÜ16: „Er wird nicht ändern, was er zum eigenen Schaden geschworen hat.“ u.ö.) oder, sprachlich näherliegend, „der schwört, [sich] zu schädigen“ (z.B. durch Fasten oder durch das Einhalten von Sabbatgeboten) und darin hart bleibt (so b.Mak 24a; Saadja; Kimchi, Ibn Ezra, Ehrlich 1905, S. 27: „schwor, sich etwas zu entsagen“). (Zurück zu v.4)
jZum Zinsverbot s. Ex 22,24; Lev 25,37; Dtn 23,20f.; Ez 18,8, zur Bestechlichkeit Ex 23,8; Dtn 16,19; 27,25; Jes 1,23; Mi 3,11. (Zurück zu v.5)
kDas „Wanken“ ist in der biblischen Poesie eine häufige Metapher für eine Gefährdung, aus der direkt Vernichtung und Tod folgt. Wer dagegen „nicht wankt“ ist sicher und geschützt und wird daher ewig bestehen; s. bes. gut Spr 10,30; 12,3; auch Ps 16,8; 30,7; 46,6f; 62,3.7; 112,6; 125,1. (Zurück zu v.5)
lb.Mak 24a geht sogar noch weiter: „Wann immer Rabbi Gamaliel [den Vers Ps 15,5] erreichte, weinte er und sagte: ‚Wer all diese Gebote hält, wird nie wanken; hält er nur eins von ihnen, wird er wanken!‘ Da sagte man ihm: ‚Steht etwa geschrieben: ‚Wer all diese Gebote hält?‘ Es steht geschrieben: ‚Wer diese Gebote hält‘ – das gilt selbst für den, der nur eins von ihnen hält.‘“: Die Gebote in Ps 15 wären so fundamental, das selbst jener, der nur eins von ihnen einhält, auf ewig „nicht wanken“ wird. (Zurück zum Text: l)
mZum Gedanken vgl. z.B. Ps 1: Auch hier werden in Vv. 1f. negative und positive Bedingungen (Vv. 1-2) für Gottes Segen (V. 3) aufgezählt. Zur Formulierung vgl. die sehr nahen Parallelen Ps 24; Jes 33,14-16; Mic 6,6-8. (Zurück zum Text: m)