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{{S|2}} JHWH, nicht in deinem Zorn<ref name="V 2">'''tN''': ''nicht in deinem Zorn/Grimm'' - die beiden Negationspartikeln ''nicht'' sind durch die Präpositionalphrasen ''in deinem Zorn'' bzw. ''in deinem Grimm'' von den Verben getrennt. Das ist sehr untypisch im Hebräischen. Einige (z.B. Baethgen 1904; Broyles 1989, S. 180; Gunkel 1968; Olshausen 1853; Podechard 1920) gehen davon aus, dass so Nachdruck nicht auf die Verben, sd. auf die PPs gelegt werden soll („nicht ''im Zorn/Grimm'' strafe mich, [sondern nach dem Maßstab des Rechts (d.i. „fair“)]“; s. [[Jeremias 10#s24 |Jer 10,24]]; vgl. noch [[Jesaja 64#s8 |Jes 64,8]]: „Nicht ''ewig'' gedenke der Sünden!“; [[Sprichwörter 31#s4 |Spr 31,4]]: „''Für Könige'' ziemt sich das nicht, Lemuel! / ''Für Könige'' ziemt es sich nicht, Wein zu trinken!“). Nach V. 3 ist aber der Gegensatz zu V. 2 („nicht im Zorn“) nicht „nach Gerechtigkeit“, sondern „[strafe mich nicht, sondern] erbarme dich meiner!“; sicher liegt der Fokus also dennoch auf den Verben (vgl. z.B. König 1927, S. 619; s. auch [[Jeremia 15#15 |Jer 15,15]], wo diese syntaktische Analyse ergäbe: <nowiki>*</nowiki>„Nicht ''langmütig'' vernichte mich [, sondern ungeduldig]!“). Vermutlich haben wir es also hier nur mit einer Wortstellungsvariante zu tun.<br /> | {{S|2}} JHWH, nicht in deinem Zorn<ref name="V 2">'''tN''': ''nicht in deinem Zorn/Grimm'' - die beiden Negationspartikeln ''nicht'' sind durch die Präpositionalphrasen ''in deinem Zorn'' bzw. ''in deinem Grimm'' von den Verben getrennt. Das ist sehr untypisch im Hebräischen. Einige (z.B. Baethgen 1904; Broyles 1989, S. 180; Gunkel 1968; Olshausen 1853; Podechard 1920) gehen davon aus, dass so Nachdruck nicht auf die Verben, sd. auf die PPs gelegt werden soll („nicht ''im Zorn/Grimm'' strafe mich, [sondern nach dem Maßstab des Rechts (d.i. „fair“)]“; s. [[Jeremias 10#s24 |Jer 10,24]]; vgl. noch [[Jesaja 64#s8 |Jes 64,8]]: „Nicht ''ewig'' gedenke der Sünden!“; [[Sprichwörter 31#s4 |Spr 31,4]]: „''Für Könige'' ziemt sich das nicht, Lemuel! / ''Für Könige'' ziemt es sich nicht, Wein zu trinken!“). Nach V. 3 ist aber der Gegensatz zu V. 2 („nicht im Zorn“) nicht „nach Gerechtigkeit“, sondern „[strafe mich nicht, sondern] erbarme dich meiner!“; sicher liegt der Fokus also dennoch auf den Verben (vgl. z.B. König 1927, S. 619; s. auch [[Jeremia 15#15 |Jer 15,15]], wo diese syntaktische Analyse ergäbe: <nowiki>*</nowiki>„Nicht ''langmütig'' vernichte mich [, sondern ungeduldig]!“). Vermutlich haben wir es also hier nur mit einer Wortstellungsvariante zu tun.<br /> | ||
Die Funktion der PPs ist es dann, den Beweggrund JHWHs für die Bestrafung des Psalmisten anzugeben: „Strafe mich nicht ''aus Zorn''“, und dann besser: „Strafe mich nicht ''trotz deines Zorns''“, „''Auch wenn du zornig bist'', JHWH - strafe mich nicht!“ (Bratcher/Reyburn 1991, S. 59; ähnlich z.B. BFC, GN, PdV).<br /> | Die Funktion der PPs ist es dann, den Beweggrund JHWHs für die Bestrafung des Psalmisten anzugeben: „Strafe mich nicht ''aus Zorn''“, und dann besser: „Strafe mich nicht ''trotz deines Zorns''“, „''Auch wenn du zornig bist'', JHWH - strafe mich nicht!“ (Bratcher/Reyburn 1991, S. 59; ähnlich z.B. BFC, GN, PdV).<br /> | ||
− | Wenn wir in V. 3 {{hebr}}עֲצָמָֽי{{hebr ende}} ''`atsamaj'' („meine | + | Wenn wir in V. 3 {{hebr}}עֲצָמָֽי{{hebr ende}} ''`atsamaj'' („meine Knochen“) als {{hebr}}עצְמִי{{hebr ende}} ''`atsmi'' („mein Gebein“) vokalisieren, ließe sich die Wortstellungsvariante damit erklären, dass so in Vv. 2f ein Endreim herbeigeführt werden soll: ''tokiche'''ni''''' („strafe mich“), ''täjasre'''ni''''' („züchtige mich“), ''a'''ni''''' („ich“), ''`ats'''mi''''' („mein Gebein“). „Mein Gebein“ wäre dann ein kollektiver Singular mit der Bedeutung „meine Gebeine“, das deshalb mit Pluralverb konstruiert wurde und wegen diesem Pluralverb von den Masoreten fälschlicherweise als Plural vokalisiert wurde.</ref> strafe (züchtige) mich<br /> |
: Und nicht in deinem Grimm<ref name="V 2" /> züchtige mich. | : Und nicht in deinem Grimm<ref name="V 2" /> züchtige mich. | ||
− | {{S|3}} Sei mir gnädig, JHWH, denn (fürwahr) ich bin schwach ( | + | {{S|3}} Sei mir gnädig (erbarme dich meiner), JHWH, denn (fürwahr!,) ich [bin] schwach (ermattet)<ref>''schwach'' - Nicht: „welk“ - überwörtlich (wenn denn „welken“ überhaupt wirklich die Primärbedeutung des zugehörigen Verbs ist.). So aber viele Üss. und Lexika. Sinngemäß wohl „Ich bin im Zustand der Todesnähe“. Recht häufig hat das Verb außerdem md. die Konnotation „trauern“ (s. [[Jesaja 19#s8 |Jes 19,8]]; [[Jesaja 24#s4 |24,4.7]]; [[Jeremias 14#s2 |Jer 14,2]]; [[Klagelieder 2#s8 |Klg 2,8]]; [[Hosea 4#s3 |Hos 4,3]]; [[Joel 1#s10 |Joel 1,10]]); so sicher auch hier, s. Vv. 7f.</ref>.<br /> |
− | {{S|4}} Und meine Seele (mein Leben) ist sehr erschrocken ( | + | : Heile mich (rette mich), JHWH, denn (fürwahr!,) erschrocken sind (es zittern, es vergehen?)<ref name="vergehen">''erschrocken sind (es zittern, es vergehen?) meine Knochen (mein Gebein, ich)'' - Die Rede von den „erschrockenen Knochen“ scheint vielen Exegeten so merkwürdig, dass sie ''nibhalu'' („sie sind erschrocken“) emendieren wollen (-> Textkritik); entweder zu ''balu'' („sie werden morsch“, „sind abgenutzt“; so Cheyne, Halévy, Kraus, Mowinckel, Podechard, Schlögl, Schmidt; erwogen auch von Kissane; s. auch BHS) oder zu ''nablu'' („sie sind verdorrt“; so Perles 1922, S. 51f; Gunkel, Herkenne, Nötscher; s. auch BHS). Das ist unnötig; alternativ möglich: |
+ | # Die „Knochen“ stehen im Hebräischen öfter (ebenso wie fast stets das folgende „Seele“; beide ebenso parallel in [[Psalm 35#s9 |Ps 35,9f]]) pars pro toto für den ganzen Menschen (vgl. z.B. Achtemeier 1974, S. 81f; Broyles 1989, S. 179; Dalglish 1962, S. 143; Kirkpatrick 1912, S. 81; Loretz 1990, S. 202). V. 3b und 4a haben dann beide die selbe Bedeutung: „Ich bin erschrocken, / ja, sehr erschrocken.“ | ||
+ | # Das Verb kann nicht nur von psychischen Vorgängen gebraucht werden: | ||
+ | ## kann es auch „zittern“ bedeuten, s. z.B. [[Ezechiel 7#s27 |Ez 7,27]]: „die ''Hände'' meines Volkes ''bahal''=zittern“; dann Anataklasis: „Meine Knochen zittern (=Ich zittere) / und meine Seele ist (=ich bin) sehr erschrocken“; so z.B. Alexander 1850; Goldingay 2006; Houston/Moore/Waltke 2014; Terrien 2003. | ||
+ | ## kann das Verb auch „vergehen“ bedeuten, vgl. Ges18 und s. [[Psalm 83#s18 |Ps 83,18]]; [[Psalm 90#s7 |90,7]]; [[104#s29 |104,29]]; [[Zefanja 1#s18 |Zef 1,18]]; ws. auch [[Jesaja 13#s8 |Jes 13,8]]. Dann | ||
+ | ### entweder ebenfalls Anataklasis: „Meine Gebeine (=ich) vergehen / und meine Seele (=ich) ist sehr erschrocken“ (so Airoldi 1968) | ||
+ | ### oder beides als „vergehen“: „Meine Gebeine (=ich) vergehen / und meine Seele (=ich) vergeht sehr“ (so wohl Buttenwieser 1938, sicher Gowen 1929). | ||
+ | Weil der Vers nach Deutung 2.1 deutlich am besten mit V. 6 zusammenstimmte, das „sehr“ in 2.2.2 aber stört, sollte man wohl am ehesten Airoldi mit Deutung 2.2.1 folgen.</ref> meine Knochen (mein Gebein, ich)<ref name="vergehen" />. | ||
+ | : {{S|4}} Und meine Seele (mein Leben) ist sehr erschrocken (vergeht?)<ref name="vergehen" />. | ||
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+ | Du aber JHWH, wie lange [noch](bis wann)? | ||
{{S|5}} Kehre um, JHWH, errette<ref>Grundbedeutung: auspressen, im Sinne von: Presse das schlechte/die Krankheit aus mir heraus.</ref> meine Seele (mein Leben), rette mich um deiner Gnade (Liebe, Güte) willen! | {{S|5}} Kehre um, JHWH, errette<ref>Grundbedeutung: auspressen, im Sinne von: Presse das schlechte/die Krankheit aus mir heraus.</ref> meine Seele (mein Leben), rette mich um deiner Gnade (Liebe, Güte) willen! | ||
{{S|6}} Denn (Fürwahr) nicht im Tod gedenkt man deiner und im Sheol - wer wird dich preisen? | {{S|6}} Denn (Fürwahr) nicht im Tod gedenkt man deiner und im Sheol - wer wird dich preisen? |
Version vom 5. Dezember 2014, 23:29 Uhr
Syntax ungeprüft
Anmerkungen
Studienfassung (Psalm 6)
1 Für den Chorleiter (Dirigenten, Singenden, Musizierenden)〈a〉.
Zum Saitenspiel (auf Saiteninstrumenten) auf der Achten〈b〉.
Ein Psalm (begleitetes Lied) von (für, über, nach Art von) David.
2 JHWH, nicht in deinem Zorn〈c〉 strafe (züchtige) mich
- Und nicht in deinem Grimm〈c〉 züchtige mich.
3 Sei mir gnädig (erbarme dich meiner), JHWH, denn (fürwahr!,) ich [bin] schwach (ermattet)〈d〉.
- Heile mich (rette mich), JHWH, denn (fürwahr!,) erschrocken sind (es zittern, es vergehen?)〈e〉 meine Knochen (mein Gebein, ich)〈e〉.
- 4 Und meine Seele (mein Leben) ist sehr erschrocken (vergeht?)〈e〉.
Du aber JHWH, wie lange [noch](bis wann)?
5 Kehre um, JHWH, errette〈f〉 meine Seele (mein Leben), rette mich um deiner Gnade (Liebe, Güte) willen!
6 Denn (Fürwahr) nicht im Tod gedenkt man deiner und im Sheol - wer wird dich preisen?
7 Ich bin ermüdet von (in) meinem Seufzen, ich lasse schwimmen (schwemme) in der ganzen Nacht mein Bett, mit meinen Tränen bringe ich mein Lager (Bett) zum fließen.
8 Getrübt (Schwach geworden) vor Kummer (Gram) sind meine Augen, sie sind alt geworden in allen (den ganzen) meinen Anfeindungen.
9 Weicht von mir, alle Frevler (Sünder, Unrechtstäter)〈g〉, denn (fürwahr) erhört (gehört) hat JHWH mein lautes Weinen (die Stimme meines Weinens).
10 Erhört (gehört) hat JHWH mein Flehen, JHWH hat mein Gebet angenommen.
11 Beschämt und sehr bestürzt werden sein alle meine Feinde, sie kehren um und werden plötzlich beschämt sein.
Anmerkungen
a | Genaue Bedeutung unklar. Die gewählte Übersetzung ist mehr oder weniger Konvention, obwohl es nicht an alternativen Übersetzungsvorschlägen mangelt. (Zurück zu v.1) |
b | auf der Achten - Bedeutung unklar; die folgenden Deutungen sind nicht mehr als Spekulationen: (1) Am häufigsten werden zur Erklärung noch die Verse 1 Chr 15,20f; Ps 12,1 und Ps 46,1 herangezogen: In Ps 12,1 steht ebenso wie in unserem Vers haschäminit im Titel; in 1 Chr 15,20f steht dieses Wort zusammen mit alamot, was wohl etwa „Jungfrauenweise“=„hohe Gesangsstimme“ bedeutet und sich auch Ps 46,1 im Titel findet; entsprechend wären die schäminit der Bass der Männerstimmen (so z.B. Craigie 1983, S. 80; Delitzsch 1894, S. 96). Zu übersetzen wäre dann etwa: „Für den Chorleiter. Für tiefe Stimmen mit Saitenbegleitung“. |
c | tN: nicht in deinem Zorn/Grimm - die beiden Negationspartikeln nicht sind durch die Präpositionalphrasen in deinem Zorn bzw. in deinem Grimm von den Verben getrennt. Das ist sehr untypisch im Hebräischen. Einige (z.B. Baethgen 1904; Broyles 1989, S. 180; Gunkel 1968; Olshausen 1853; Podechard 1920) gehen davon aus, dass so Nachdruck nicht auf die Verben, sd. auf die PPs gelegt werden soll („nicht im Zorn/Grimm strafe mich, [sondern nach dem Maßstab des Rechts (d.i. „fair“)]“; s. Jer 10,24; vgl. noch Jes 64,8: „Nicht ewig gedenke der Sünden!“; Spr 31,4: „Für Könige ziemt sich das nicht, Lemuel! / Für Könige ziemt es sich nicht, Wein zu trinken!“). Nach V. 3 ist aber der Gegensatz zu V. 2 („nicht im Zorn“) nicht „nach Gerechtigkeit“, sondern „[strafe mich nicht, sondern] erbarme dich meiner!“; sicher liegt der Fokus also dennoch auf den Verben (vgl. z.B. König 1927, S. 619; s. auch Jer 15,15, wo diese syntaktische Analyse ergäbe: *„Nicht langmütig vernichte mich [, sondern ungeduldig]!“). Vermutlich haben wir es also hier nur mit einer Wortstellungsvariante zu tun. Die Funktion der PPs ist es dann, den Beweggrund JHWHs für die Bestrafung des Psalmisten anzugeben: „Strafe mich nicht aus Zorn“, und dann besser: „Strafe mich nicht trotz deines Zorns“, „Auch wenn du zornig bist, JHWH - strafe mich nicht!“ (Bratcher/Reyburn 1991, S. 59; ähnlich z.B. BFC, GN, PdV). |
d | schwach - Nicht: „welk“ - überwörtlich (wenn denn „welken“ überhaupt wirklich die Primärbedeutung des zugehörigen Verbs ist.). So aber viele Üss. und Lexika. Sinngemäß wohl „Ich bin im Zustand der Todesnähe“. Recht häufig hat das Verb außerdem md. die Konnotation „trauern“ (s. Jes 19,8; 24,4.7; Jer 14,2; Klg 2,8; Hos 4,3; Joel 1,10); so sicher auch hier, s. Vv. 7f. (Zurück zu v.3) |
e | erschrocken sind (es zittern, es vergehen?) meine Knochen (mein Gebein, ich) - Die Rede von den „erschrockenen Knochen“ scheint vielen Exegeten so merkwürdig, dass sie nibhalu („sie sind erschrocken“) emendieren wollen (-> Textkritik); entweder zu balu („sie werden morsch“, „sind abgenutzt“; so Cheyne, Halévy, Kraus, Mowinckel, Podechard, Schlögl, Schmidt; erwogen auch von Kissane; s. auch BHS) oder zu nablu („sie sind verdorrt“; so Perles 1922, S. 51f; Gunkel, Herkenne, Nötscher; s. auch BHS). Das ist unnötig; alternativ möglich:
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f | Grundbedeutung: auspressen, im Sinne von: Presse das schlechte/die Krankheit aus mir heraus. (Zurück zu v.5) |
g | wörtlich: alle Tuenden/Täter von Sünde/Unrecht/Frevel (Zurück zu v.9) |